AUS EINEM ANDEREN BLICKWINKEL: „DIE WALKÜRE“ an der Staatsoper Berlin

Staatsoper Berlin/ Die Walküre (2011) Foto: @ Monika Rittershaus

Michael Volle, ein Wotan für die Ewigkeit: „Die Walküre“ an der Staatsoper Berlin

Der Folgetag des Rheingolds von Richard Wagners Zyklus „Der Ring des Nibelungen“ steht ganz im Zeichen von Brünnhilde, jener liebsten Walküre des Göttervaters Wotan, welcher auch der Titel der Oper „Die Walküre“ zu verdanken ist. Niemand hat in den letzten Jahren die Rolle der Brünnhilde so häufig verkörpert wie die schwedische Sopranistin Iréne Theorin. Schon vor zehn Jahren stand sie in der Premierenserie dieser Inszenierung von Guy Cassier als Gotteskriegerin auf der Bühne des Teatro alla Scala in Mailand und sang zwischenzeitlich diese Rolle auch an der Wiener Staatsoper und der Metropolitan Opera in New York City. Das Wälsungenpaar von Simon O’Neill und Anja Kampe, sowie Falk Struckmann in der Rolle des Hunding als böser Gegenspieler beider, sind ebenso altbekannte, verdiente Sängergrößen, die mit ihren Rollenporträts die Aufführungsgeschichte von Ring-Zyklen der bedeutendsten Opernhäuser weltweit in vielerlei Hinsicht geprägt haben. Der Brünnhilde von Iréne Theorin werden wir uns jedoch erst im Bericht zum Finale, der „Götterdämmerung“ widmen. Zuvörderst gilt es dem Bariton Michael Volle zu würdigen, der unter Daniel Barenboim am Pult der Staatskapelle in dieser Aufführungsserie sein lang ersehntes Europadebüt als Wotan feierte. (Vorstellung v. 21.9.2019)

 

Die Komplexität der Rolle des Wotans ist geprägt durch die Differenzierung und Abgrenzung in den drei aufeinanderfolgenden Opern im Ring-Zyklus, die vollkommen unterschiedliche Anforderungen an den Sänger stellen. Zwischen dem Wotan im „Rheingold“ – hier ist Wotan noch der tückische, aber naive und humorvolle Ehemann – und dem Wotan als über Leben und Tod entscheidenden Kriegsgott in der „Walküre“ liegen Welten. Dies erschwert oftmals eine vollumfängliche Charakterdarstellung des Sängers. Aus dieser Problematik heraus haben zahlreiche Opernhäuser diese Rolle an den einzelnen Abenden schon mit unterschiedlichen, dem jeweiligen Fach zuzuordnenden Bass- oder Baritonsängern besetzt.

Michael Volle ist jedoch einer der wenigen Sänger – womöglich gibt es Wagnersänger von seinem Format nur einmal im Jahrzehnt – die vollumfänglich die Rolle des Wotans über alle drei Abende eingenommen haben. In seinem Rheingold-Wotan, dem hellsten und gewitztesten des Ring-Zyklus, ließ Michael Volle gar Ansätze des Liedermachers Hans Sachs durchscheinen. In der Walküre hingegen, insbesondere im Schlussgesang, sang Michael Volle in voluminösem Wohlklang, ohne hierbei die so wichtige Deklamation außer Acht zu lassen – immer präsent erschien ihm seine Rolle, stets blieb er im Dialog zu seiner Tochter Brünnhilde. An allen drei Abenden lag seine Stimme geradezu ideal, in der Tiefe ausreichend Reserven und die im Sprechgesang gestalteten Höhen seiner Selbstreflexion erinnerten fast schon an Secco-Rezitative einer Mozart-Oper. Er gestaltete frei und gleichsam rhythmisch, aber stets musikalisch auf der Gesangslinie. Den Stimmungswechsel von liebevoller Vaterfigur zum erbarmungslosen Kriegsgott vollzog er mittels weniger Takte und selbst den gebrochenen Vater, Wanderer genannt, konnte Michael Volle im „Siegfried“ souverän und differenziert meistern.

In Retrospektive wird Michael Volle mit dieser Wotan-Interpretation, ja geradezu vollkommener Vereinnahmung einer der anspruchsvollsten Bassbariton-Partien des dramatischen Gesangs, in einer Reihe mit den großen Sängerdarstellern Theo Adam, Hans Hotter, George London und Thomas Stewart genannt werden. In der noch jungen Spielzeit 2019/20 steht leider kein weiterer Ring-Zyklus mit ihm als Wotan auf dem Spielplan.

Staatsoper Berlin/ Die Walküre (2011) Foto: @ Monika Rittershaus

Wotans Gattin, die Fricka von Ekaterina Gubanova, wirkte in der Walküre noch pointierter und herrischer als tags zuvor im Rheingold. Leicht affektiert, gleichsam strahlend-leuchtend ließ sie sich von Wotans Ausflüchten und Schmeicheleien nicht umgarnen.

Anja Kampe sang zwischenzeitlich für zwei Vorstellungen der Salzburger Ostfestspiele die Brünnhilde in der „Walküre“, nach diesem Ausflug ist sie jedoch wieder zu ihrer Paraderolle, der Sieglinde zurückgekehrt. Sie verband ihre sinnliche Stimme mit deutlicher Aussprache bei dramatischer Gestaltung zu einem vollends überzeugendem Rollenporträt. Ihre Gegenüber mangelte es Simon O’Neill als Siegmund an Durchschlagskraft. Er verband zwar die Phrasen mit langem Atem zu einem wunderbaren, geradezu vornehmen Legato, wo es jedoch auf Volumen und Stimmfluss in den hohen Tönen ankam – beispielswiese im Wälse-Ruf oder bei „Winterstürme“ – engte er seine Stimme unangenehm ein. Auch aufgrund der stark anglophon geprägten Vokalfärbung dieses neuseeländischen Siegmunds („Wäss Härd dies auch sei“, „Nothung, das Schwärt“) lagen die Sympathien des Publikums eindeutig bei seinem Widersacher, dem düster-brachialen Hunding von Falk Struckmann.

Staatsoper Berlin/ Die Walküre (2011) Foto: @ Monika Rittershaus

Die Inszenierung von Guy Cassier behält auch in der „Walküre“ ihre futuristisch-anmutende, durch dunkle Licht-und-Schatten-Symbolik reduzierte Ästhetik bei. Vielleicht mag es auch an der düsteren Handlung der Oper liegen, die Bühne ist noch ein wenig spärlicher beleuchtet, die Szene wirkt noch minimalistischer und auf das Notwendigste reduziert, als tags zuvor im Rheingold. Lediglich ein Mond schwebt – angedeutet als Projektionsfläche der inneren Gefühlswelten von Göttern und Menschen – geheimnisvoll über die Bühne. Elemente, die am Vorabend „Rheingold“ noch hell und von Sonnenstrahlen durchflutet freundlich wirkten, muten in der Walküre nur noch dunkel, bedrohlich und leblos an. Die Regie bleibt unkonkret und undefiniert, so dass die wenigen Requisiten weiterhin lediglich einen Impuls für das Vorstellungsvermögen des Publikums geben. Die Tänzer der „Eastman Dance Company“ sind an der Walküre nicht beteiligt und werden erst mit dem Aufwachen des Drachen Fafner im „Siegfried“ wieder in die Handlung eintreten. Im Kontrast zum Rheingold zog Daniel Barenboim das Tempo der Staatskapelle Berlin diesmal etwas an, die starken Stimmen der Solisten mischten sich harmonisch, ohne überdeckt zu werden, in den strahlend-kraftvollen Klang der Staatskapelle.

 

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