„Ariadne auf Naxos“ an der Opéra de Lausanne – ein Boxkampf der Künste!

Opéra de Lausanne/Ariadne auf Naxos/ Foto @ Alan Humerose

Nach Auffassung des Librettisten Hugo von Hofmannsthal sollte die „Ariadne auf Naxos“, mit der Musik von Richard Strauss, eine „kleine Oper nur für Kammermusik“ werden, lediglich 38 Orchestermusiker werden zur Aufführung dieses Werks benötigt. Die im Herbst 2018 an der Semperoper Dresden zur Premiere gebrachte Inszenierung von David Hermann wurde nun im März 2019 in Schweizer Kooperation an vier Terminen in Lausanne aufgeführt. Im Graben der Opéra de Lausanne saß hierbei kein verkleinertes Opernorchester, sondern eines der führenden europäischen Kammerorchester, das „Orchestre de Chambre de Lausanne“. (Rezension der besuchten Vorstellung v. 24. März 2019)

 

Für das französischsprachige Publikum mag eine „Ariadne auf Naxos“ auf den ersten Blick verwirrend wirken. Das 45-minütige Vorspiel, eine deutsche Mischung aus Sprechgesang und Schauspiel, inszeniert der Regisseur David Hermann als spritzig-schnelle Tür-auf-Tür-zu-Komödie. Martin Turba ist dabei ein arroganter und herablassender Haushofmeister, er provoziert seine von ihm finanziell abhängigen Tänzer und Sänger solange, bis diese handgreiflich werden und es zum Boxkampf der Künste kommt.

Das Publikum wird gefordert, wer die Obertitel mitliest, verpasst das flotte Geschehen auf der Bühne: Der Bacchus singt in seiner Eitelkeit und dem Klischee eines Tenors entsprechend im Bademantel aus der Dusche heraus, Zerbinetta umgarnt als bunter Paradiesvorgel ihre Männer und der Tanzmeister, von Andreas Jaeggi umwerfend überspitzt und Klischeebeladen gespielt, stiftet seine Intrigen gegen die Sänger.

Opéra de Lausanne/Ariadne auf Naxos/ Foto @ Alan Humerose

Erst in der eigentlichen Oper nach der Pause bricht das Bühnenbild auf und David Hermann gibt seinen Charakteren Raum und Tiefe. Auf der linken Seite eine malerische Landschaft, ihr gegenüber im schwarzen Kontrast, die leere, schwarze Insel von Ariadne, angedeutet in griechischer Säulenästhetik.

Der Schlüssel zur Inszenierung wie auch zur Komposition der Oper von Richard Strauss findet sich in der Partitur selbst, so verdeutlicht es auch Deirdre Angenent als Komponist indem sie stets auf ihre Notenarbeit verweist. In rührender Darstellung zeichnete der helle Mezzo-Sopran eine ungewöhnliche stimmliche Parallele zur Sopranistin der Ariadne.

In dieser Inszenierung gilt die Zerbinetta-Arie als Credo für die Vielseitigkeit der Künste, durch die musikalischen Kompositionen der Ballerina Zerbinetta wägt sich der Komponist in höchster Glückseligkeit, sein Gesamtkunstwerk wird erst durch die Improvisation von Tanz, Gesang und Schauspiel vollendet. Die Kanadierin Marie-Eve Munger bot als Zerbinetta die agilste Darstellung des Abends, auf einer Schaukel über dem Orchestergraben schwingend erhielt sie stürmischen Zwischenapplaus für ihre spitzen Koloraturen.

In seiner Inszenierung bleibt David Hermann dem Libretto von Hugo von Hofmannsthal treu. Er strukturiert die Handlung der Oper deutlich und setzt mit gekonnter Personenregie überraschende Akzente ohne hierbei den Stoff zu verfremden. Während Ariadne noch trauert, erliegen die drei Nymphen Najade, Dryade und Echo verblüffend schnell dem männlichen Charme der dubiosen Truppe um Scaramuccio und Harlekin.

Die Musiker des „Orchestre de Chambre de Lausanne“ sind allesamt hervorragende Solisten. Die zahlreichen Soli der Flöten, die komplizierten Läufe in der Klarinette und die Einsätze der Blechbläser erklangen klar und präzise. Der Dirigent Frank Beermann, ein Spezialist für das deutsche Fach, nahm ruhige Tempi, seine düsteren Klangfarben fügten sich auch optisch der leeren, schwarzen Bühne in der Erkennungsszene zwischen Ariadne und Bacchus.

Opéra de Lausanne/Ariadne auf Naxos/ Foto @ Alan Humerose

Junge, erfrischende Stimmen sorgten für einen wunderbaren Opernabend, qualitative Ausreißer gab es lediglich nach oben! Die größte Überraschung gelang Michael König, einem Heldentenor, wie er im Buche steht. Mit seiner hellen, warmen Stimme und deutlicher Aussprache berührte er das Publikum und brachte selbst das verschlossene Herz der Ariadne zum Schmelzen. Wie nur ganz wenige Sänger seiner Generation behielt der Tenor den Blick über seine gesamte Partie. Er verfügt über die Gesangskultur eines Liedsängers, wo manch anderer Sänger den Spitzenton mangels Kondition herauspressen muss, bereitete Michael König den Höhepunkt einer Phrase behutsam vor, fürchtete nicht das hohe C, und sang selbst im Schlussgesang die Spitzentöne frei und mühelos. Von Lausanne aus wird der Tenor weiter an die Mailänder Scala reisen und dort im April seinen Bacchus auf großer Bühne präsentieren.

Christina Nilsson, eine junge, ambitionierte Sängerin, gestaltete sämtliche Facetten ihrer tiefgründigen Figur vorbildlich. Von Trauer und Sentimentalität bis hin zu höchster Erregung wusste sie jedes Gefühl der Ariadne stimmlich auszudrücken. Erst kürzlich feierte sie ihr Rollendebüt an der Oper Frankfurt, nun hat sie diese tragische Partie perfektioniert. Selbstsicher in jeder Stimmlage, mit einem wohltuenden, leichten Knispeln in der Stimme, wurde ihr Gesang zu einem wahren Genuss.

Die Opéra de Lausanne, ein kleines Opernhaus mit einem Händchen für junge, schöne Stimmen, beweist sich mit dieser Ariadne als echter Geheimtipp der Schweizer Kulturszene. Die Sänger zeigen hohe Spielfreude und das Publikum wirkt konzentriert und interessiert. Der Spielplan zeichnet sich durch abwechslungsreiche Kammeropern aus, hierbei zeigt sich das „Orchestre de Chambre de Lausanne“ als wahrer Juwel.

 

  • Rezension der besuchten Vorstellung von Phillip Schober /RED. DAS OPERNMAGAZIN
  • Homepage der Opéra de Lausanne
  • Titelfoto und weitere Fotos: Opéra de Lausanne/Ariadne auf Naxos/ Foto @ Alan Humerose
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