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Dass “Jewgeni Onegin” die heute am öftesten gespielte russische Oper werden würde, konnte bei deren Entstehung nicht erwartet werden. Selbst Tschaikowski war diesbezüglich eher skeptisch. Der Oper liegt der Versroman von Alexander Puschkin, dem wohl populärsten Literaturschaffenden Russlands, zugrunde und gilt als ein Nationalepos. Tschaikowski‘s engste Vertraute waren jedoch der Ansicht, dass der Literaturtext zu wenig Handlungsspielraum für solch ein großartiges musikalisches Werk böte und daher ungeeignet sei. (Rezension der Aufführung vom 16.02.23)
Tschaikowski jedoch wollte nicht eine, wie damals üblich, große Bühnenhandlungen mit Zaren und effektvollen Volksaufmärschen schaffen, sondern ein intimes Drama voller Emotionen, welches durch autobiographische Akzente geprägt ist. Bis heute ist diese Handlung für alle Besucher wegen der zeitlosen Darstellung von Gefühlen wie Sehnsucht und Liebeskummer nachvollziehbar und ist deshalb so aktuell wie damals.
Die Wiederaufnahme der wunderschönen Inszenierung von Barrie Kosky aus dem Jahre 2017 im Bühnenbild von Rebecca Ringst mit den Kostümen von Klaus Bruns und der Lichtgestaltung von Franck Evin bezaubert durch die ländliche Idylle. Es entstehen ganz intime Momente. So auch bei der Briefszene, welche eigentlich in Tatjana‘s Zimmer stattfinden sollte. Ein raffiniert eingesetzter Lichtkegel lässt einen die Enge des Raums spüren.
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Das Duell zwischen Lenski und Onegin findet nicht auf offener Bühne statt, sondern unsichtbar hinter der Bühne. Gerade bei solchen Szenen gehorcht die Inszenierung der Idee des Komponisten, auf nach Effekten haschende Elemente zu verzichten und stattdessen der Gefühlswelt viel Raum zur lassen. Wenn im dritten Akt bei einem Ball im Hause des Fürsten Gremin, Onegin und die sich inzwischen zu einer Dame der Gesellschaft verwandelte Tatjana aufeinandertreffen, brechen die verborgenen Emotionen der Liebenden so stark durch, sodass im Bühnenbild die Wände des Hauses sich auflösen. Da schliesst sich der Bogen der Handlung und man befindet sich, wie zu Beginn der Oper, wieder auf der ländlichen Wiese.
Die Besetzung der russisch gesungenen Aufführung war exquisit und bot einige Rollen- und Hausdebüts.
Die ukrainische Sopranistin Ekaterina Sannikova verkörpert sehr überzeugend die Rolle der verliebten Tatjana vom Lande und deren Wandlung zur eleganten Dame der Stadt und kann mit Ihrer beeindruckenden Stimme und ihrer Spielfreude als Idealbesetzung dieser Partie bezeichnet werden. Ein gelungenes Hausdebüt. Ihre Schwester Olga wurde von der amerikanischen Mezzosopranistin Rachael Wilson gesungen. Sie debütierte in dieser Rolle mit herrlicher Stimme und voller Lebenslust.
Die Rolle des Onegin war mit dem russischen Bariton Igor Golovatenko hervorragend besetzt. Er war zum ersten Mal im Opernhaus Zürich zu hören. Seine sehr nuancierte und mit großem Volumen ausgestattete Stimme konnte durchgehend überzeugen.
Der französische Tenor Benjamin Bernheim hat in der Rolle des Lenski diese Figur grossartig und beeindruckend facettenreich ins Spiel gebracht. Hier stimmte einfach alles. Mit seiner Arie im zweiten Akt vor dem Duell bot er das Highlight des Abends. Perfekt gestaltete er den Charakter des Eifersüchtigen, von seinen Gefühlen getriebenen.
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Mit Liliana Nikiteanu als Gutsbesitzerin Larina und Irène Friedli als Amme Filipjewna hatte man zwei der bewährtesten Ensemblemitglieder des Opernhauses auf der Bühne. In der reizenden Anfangsszene auf der Wiese, wo die beiden in Erinnerungen schwelgen, wird man sofort in die ländliche Stimmung versetzt. Vitalij Kowaljow als Fürst Gremin war ebenfalls eine Luxusbesetzung und Nathan Haller, als Monsieur Triquet und Amin Ahangaran als Hauptmann und Saretzki rundeten den Hörgenuss aufs schönste ab.
Mit Gianandrea Noseda, dem Generalmusikdirektor des Hauses am Pult und der herrlich spielenden Philharmonia Zürich erlebte man eine in jeder Hinsicht perfekte Aufführung dieser emotionalen Musik. Ernst Raffelsberger hatte den Chor der Oper Zürich einstudiert und diesen zu einer tollen Leistung geführt.
Einer jener Abende, wo einfach alles stimmte.
Das Publikum im ausverkauften Opernhaus, welches auch mit vielen jungen Besuchern durchmischt war, ließ sich mitreißen und bedankte sich mit starkem Applaus und vielen Bravos.
- Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
- Opernhaus Zürich / Stückeseite
- Titelfoto: Opernhaus Zürich/ONEGIN/Foto @ Monika Rittershaus