„Roméo et Juliette“ am Opernhaus Zürich – Premierenbericht

Opernhaus Zürich/Romeo et Juliette/Foto @ Herwig Prammer

Wer kennt nicht das zweifellos berühmteste Liebespaar der Literatur und wer hat diese Liebesgeschichte nicht schon im Theater, im Kino oder im Opernhaus miterlebt? Charles Gounod hat gemeinsam mit den Librettisten Jules Barbier und Michel Carré die literarische Vorlage von William Shakespeare bearbeitet und durfte damit bereits bei der Uraufführung 1867 im Théàtre-Lyrique Paris einen ganz großen Erfolg feiern. In den fünf Akten dieses Drame-lyrique erleben wir in jeweils  kurzen Bildern das Schicksal der beiden Liebenden, welche Opfern einer langen Familienfehde zwischen den Capulets und Montague wurden. (Rezension der Premiere v. 10.04.2023)

 

Um die Handlung in die Jetztzeit zu übertragen, benutzt Ted Huffmann für seine eindrückliche Inszenierung ein spartanisches Bühnenbild von Andrew Liebermann und edle Kostüme von Annemarie Woods.

Während der Ouvertüre treffen nach und nach die zahlreichen Gäste eines Balls bei den Capulets in einem nüchternen, lediglich mit zwei langen Stuhlreihen ausgestatteten Saal ein. Ähnlich wie den bis heute in Amerika stattfindenden Gesellschaftsbällen, begegnen sich junge Menschen und erhalten so Gelegenheit, sich kennenzulernen. Beim von Pim Veulings choreographierten Walzer mit dem großen Chor und den zusätzlichen Tänzern kommt dies besonders gut zur Geltung.

Opernhaus Zürich/Romeo et Juliette/Foto @ Herwig Prammer

Roméo und seine Freunde mischen sich heimlich unter diese erlauchte Gesellschaft. Als Juliette’s Vater stolz seine Tochter vorstellt, ist Roméo sofort von deren Schönheit fasziniert. So beginnt die Tragödie, welche mit traurigem Ausgang enden wird.

Es gelingt Huffmann, die Handlung mittels einer spartanischen Ausstattung zu illustrieren. Bei der Inszenierung mangelt es allerdings stellenweise an der Intimität, welche gewisse besonders dramatische Szenen erfordern würden. Dennoch entstehen eindrückliche Bilder. Im Verlaufe der Handlung wird die Bühne durch die vorrückende Rückwand immer enger, was die sich verdüsternde Geschichte bis hin zur Grabszene veranschaulichen soll. Die Sängerinnen und Sänger sind extrem exponiert, was für sie gesanglich wie auch schauspielerisch eine große Herausforderung darstellt.

Dem Opernhaus Zürich ist es gelungen, für die beiden Titelpartien zwei dem Hause stark verbundene Persönlichkeiten zu gewinnen.

Julie Fuchs, welche einige Jahre zum Ensemble des Opernhauses gehörte und seither immer wieder hier zu erleben ist, gab ihr Rollendebut als Juliette und durfte damit einen großen Erfolg feiern. Es gelang ihr, Julia‘s jugendliche Verliebtheit und das Aufwallen ihrer Gefühle bis hin zur sich selbst aufopfernden Liebenden glaubwürdig zu interpretieren. Je weiter die Handlung ihren Fortschritt nahm, desto freier wurde ihre Stimme und zog das Publikum in ihren Bann.

Mit Benjamin Bernheim, ehemaligem Mitglied des Internationalen Opernstudios Zürich, erlebte man einen den Roméo bestens interpretierenden jüngeren Vertreter des französischen Fachs. Mit perfekt kontrollierter Stimme gelang es ihm, das Portrait des Roméo so zu zeichnen, wie die Geschichte ihn schildert. In jeder Tonlage meisterte er mühelos die Herausforderungen dieser anspruchsvollen Partie. Sowohl gesanglich, wie auch darstellerisch entsprach er dem Roméo aufs schönste. Benjamin Bernheim gehört zu den schönsten Tenorstimmen unserer Zeit, was an diesem Abend erneut bestätigt werden durfte.

Opernhaus Zürich/Romeo et Juliette/Foto @ Herwig Prammer

Ein Highlight war auch das Chanson des Stéphano im dritten Akt. Hier konnte die bulgarische Mezzosopranistin Svetlina Stoyanova brillieren und wurde mit einem starken Szenenapplaus belohnt. Ein weiteres Rollendebut gab Bass David Soar als Comte Capulet und konnte, wie auch Brent Michael Smith als Frère Laurent mit Stimme und Bühnenpräsenz glänzen.

Mit kraftvoller Stimme verkörperte der Tenor Omar Kobiljak den Tybald. Die Rolle von Juliettes treuer Gefährtin Gertrude war mit Katia Ledoux besetzt. Sie meisterte ihre Partie der wissenden Begleiterin, ebenfalls überzeugend.

Bariton Yuriy Hadzetskyy als Mercutio und Tenor Maximilian Lawrie als Benvolio, sowie Valeriy Murga als Le Duc de Vérone, Andrew Moore als Le Comte Paris und Jungrae Noah Kim als Grégorio trugen wesentlich zum Erfolg dieser gelungenen Ensembleleistung bei.

Opernhaus Zürich/Romeo et Juliette/Foto @ Herwig Prammer

Eine ganz wichtige Rolle bei diesem Opernwerk kommt dem Chor zu. Hier darf man einmal mehr von einer ausgezeichneten Leistung des von Ernst Raffelsberger einstudierten Chors der Oper Zürich berichten.

Mit Roberto Forés Veses als Dirigenten des Abends, stand einer der mit der französischen Musik bestens vertrauter Kenner am Pult. Er führt die Philharmonie Zürich mit viel Energie durch die Partitur. Zwar hätte man sich zuweilen eine etwas verhaltenere Lautstärke des Orchesters gewünscht, welche stellenweise die Stimmen zu überdecken drohte. Dennoch konnte das Publikum in dieser wunderbaren Musik schwelgen und sich über einen Abend mit viel Gefühl und Emotion freuen. Dies bewiesen die vielen Bravorufe für das ganze Ensemble am Ende der Aufführung.

Die Aufzeichnung der Aufführung ist auf arte.tv noch bis 12. Mai 2023 abrufbar. Leider aber nicht in allen Ländern.

 

  • Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
  • Opernhaus Zürich / Stückeseite
  • Titelfoto: Opernhaus Zürich/Romeo et Juliette/Foto @ Herwig Prammer
Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert