Wenn vor Beginn einer Aufführung jemand vor den Vorhang tritt, werden meistens Änderungen in der Besetzung bekanntgegeben. Ganz anders an diesem Abend. Nicholas Carter, der Chefdirigent des Berner Symphonieorchesters, sprach in einem berührenden Statement seine Betroffenheit über die tragische Situation in der Ukraine aus. Auch wenn man machtlos der Entwicklung zusehen muss, kann jeder mit mehr Achtsamkeit und Respekt vor dem anderen, seinen Teil dazu beitragen, mehr Menschlichkeit und Frieden zu leben. Im Ensemble sind Künstler aus der Ukraine und Russland, welche gemeinsam ein Werk erarbeiten und vereint mit der Kraft der Musik diesen Abend möglich machen. Diese Aufführung war allen Betroffenen dieses unsäglichen Krieges gewidmet.(Gesehene Vorstellung am 27.02.2022)
Idomeneo wurde im Januar 1781 in München uraufgeführt und gilt schlechthin als die Choroper von Mozart. Die Musik ist gleich von Beginn an sehr packend. Dies veranlasste sein Vater Leopold Mozart zur Bemerkung, er schreibe zu schwere Musik. Doch gerade die durchgehend intensive Musik mit den Chorpartien und den großen Arien, macht den Reiz dieser Oper aus.
Die Handlung dreht sich um die Geschichte des Kriegsheimkehrers Idomeneo, der bei der Überfahrt auf stürmischer See in große Gefahr geraten war. Um Poseidon, den Gott der Meere, zu besänftigen, versprach er, den ersten Menschen, dem er bei seiner Ankunft begegnen werde, ihm zu opfern, nicht wissend, dass dies sein eigener Sohn Idamante sein würde. Der Konflikt zwischen den übermächtigen Göttern und den Menschen wird offenkundig. Machtkämpfe, Liebe, Eifersucht und Rachegedanken widerspiegeln sich in den Rezitativen und Arien. Zu guter Letzt überwiegt aber das Gute. Eine Hoffnung die gerade in diesen Zeiten mehr denn je aktuell ist und uns bewegt.
Der serbische Theaterregisseur Miloš Lolić legt mit dieser Inszenierung seine erste Opernarbeit vor. Für das Bühnenbild war der Bühnenbildner Wolfgang Menardi zuständig. Eine zweite auf der Bühne installierte kleinere Bühne symbolisiert die unterschiedlichen Ebenen zwischen der Welt der Götter und derjenigen der Menschen. Teilweise hektisch wechselnde Hintergrundbilder und viele bunte Lichter irritierten eher, als dass sie die Handlung unterstützen. Die billig wirkenden Requisiten und hässlichen Kostüme für den Chor von Jelena Miletić werden dem Werk in keiner Weise gerecht. Die fast schon revueartige Inszenierung vermag nicht zu überzeugen. Außerdem wird viel zu oft an der Rampe gesungen.
Einen ganz anderen Eindruck gewinnt man von der musikalischen Seite der Aufführung. Hier hat das Stadttheater Bern mit dem Ensemble einmal mehr seine hohe Qualität bewiesen.
Attilio Glaser, ein junger und auch als Konzertsänger gefragter Tenor, bot als Idomeneo eine überzeugende Leistung. Sicher in den Höhen und mit starker Stimme meisterte er diese schwierige Partie.
Evgenia Asanova als Idamante, eine Hosenrolle für Mezzosopran, passte hervorragend in diese anspruchsvolle Rolle. Sie sang mit schönster Mezzostimme und überzeugte auch schauspielerisch. Als Ilia hinterlässt Giada Borrelli mit ihrer sicher sitzenden Sopranstimme und viel Gefühl ebenfalls einen sehr guten Eindruck.
Was für eine glückliche Hand das Berner Stadttheater mit dem Engagement der Sopranistin Masabene Cecilia Rangwanasha hatte, konnte man schon in zwei anderen Produktionen dieser Saison erleben. Hier ist eine Sängerin auf der Bühne, welche mit Hingabe und großartiger Stimme die Partie der Elettra meistert und bereits jetzt ein Star des Hauses ist.
Filipe Manu als Arbace/Gran Sacerdote und Matheus França als Voce vervollständigten dieses Ensemble. Der bestens durch Zsolt Czetner einstudierte Chor der Bühnen Bern bot eine eindrückliche Leistung und sang auf sehr hohem Niveau.
Das Berner Symphonieorchester unter Nicholas Carter ließ Mozarts großartige Musik in allen Facetten und aufs beste disponiert erklingen. Die eingangs zitierten Worte des Dirigenten bestätigen eindrücklich die Bedeutung der Musik auch in schweren Zeiten.
- Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
- Theater Bern/ Stückeseite
- Titelfoto: Theater Bern/IDOMENEO/Foto @ Florian Spring