Opernhaus Bonn / Foto © Thilo Beu

„Li-Tai-Pe“-Verschwörung in der Oper Bonn

Mirko Roschkowski/ Fotograf: Jerzy Bin
Mirko Roschkowski/ Fotograf: Jerzy Bin

„Andreas K.W. Meyer, Operndirektor, lebt für die Oper. Nachts, kann ich mir vorstellen, da sitzt er in seinem Büro und komponiert und schreibt all diese Opern, von denen noch nie einer gehört hat, selbst. Ich habe ein bisschen im Internet recherchiert über dieses Stück hier. Man findet auf Youtube nichts. Man findet über ‚Li-Tai-Pe‘ ausschließlich die Eintragungen der Oper Bonn. Niemand spielt das. Ich stelle jetzt hier die Theorie auf: Li-Tai-Pe ist eine Erfindung. Es gibt in Bonn eine Li-Tai-Pe- Verschwörung!“ Mit dieser kühnen These eröffnete der Moderator Stefan Keim am 8. Mai 2022 die Matinee zur Oper „Li-Tai-Pe“ in der Bonner Oper. Andreas K. W. Meyer verwahrte sich gegen diese Unterstellung: er habe bereits während seines Musikstudiums in Münster eine Partitur der Oper „Li Tai Pe“ gesehen und schon damals den Entschluss gefasst, dieses vor dem 2. Weltkrieg unfassbar populäre Werk, das alle Qualitäten habe, seine Lieblingsoper zu werden, aufzuführen.

 

 

Pauli Jämsä am Klavier und der Bariton Giorgos Kanaris als Doktor der kaiserlichen Akademie trugen eine Arie vor, die am Schluss irgendwie chinesisch klang. Meyer konnte einen Mobiltelefonmitschnitt aus der ersten Sitzprobe mit Orchester einspielen, bei dem der Eindruck entstand, dass die Instrumentierung sehr spätromantisch klingt und bei dem man Mirko Roschkowski als Titelheld unschwer erkennen konnte. Die Sopranistin Anne-Fleur Werner, die für Anna Princeva eingesprungen war, trug die „Kormoran-Arie“ und ein sehr schönes Liebeslied aus „Li-Tai-Pe“ vor.

Die Regisseurin Adriana Altaras erklärte, sie habe die Regie übernommen, weil in dieser Oper keine Frau stirbt und weil ihr der versoffene Dichterfürst Li-Tai-Pe auf Anhieb sympathisch gewesen sei. Der habe sich seine Freiheit bewahrt und sei mit genügend Alkohol bis an sein Lebensende als Belohnung für die erfolgreiche Brautwerbung im Auftrag des Kaisers zufrieden gewesen.

Dass die Oper „Li-Tai-Pe“ existiert und dass sie am 22. Mai 2022 um 18.00 Uhr ihre Premiere in Bonn haben wird, steht also fest. Zusätzlich gewann man folgende Erkenntnisse:

  • Der Kapellmeister und Komponist Clemens Erwein Heinrich Karl Bonaventura Freiherr von und zu Franckenstein wurde 1875 in Wiesentheid (Franken) geboren und katholisch getauft. Er war seit 1901 Kapellmeister und Dirigent und seit 1907 mit Bruno Walter befreundet. Er war von1912 bis 1918 Intendant der Münchener Hofoper und von 1924 bis 1934 sehr erfolgreicher Generalintendant der Bayerischen Staatstheater und starb 1942.
  • Er hat tatsächlich die Oper „Li Tai Pe“ geschrieben, die seit ihrer Uraufführung im November 1920 in Hamburg bis zur Schließung der Theater in Deutschland 1944 mehr als 25 mal inszeniert wurde, aber nach dem Krieg in Vergessenheit geriet. Meyer berichtete, das Werk sei von vornherein beim Publikum unheimlich gut angekommen, viel besser als bei der Kritik.
  • Der Dichter Li-Tai-Pe, die Titelfigur, hat tatsächlich im 8. Jahrhundert in China gelebt. Vier der sieben von Gustav Mahler in seinem sinfonischen Liederzyklus „Das Lied von der Erde“ vertonten chinesischen Gedichte aus der deutschen Nachdichtung „Die chinesische Flöte“ von Hans Bethge sind von Li-Tai-Pe.

 

  • Vorankündigungsartikel von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Theater Bonn / Stückeseite 
  • Titelfoto: Opernhaus Bonn / Foto © Thilo Beu
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