Katia Ledoux, Mezzosopran – Gespräch mit einer aufsteigenden Künstlerin

Katia Ledoux / Foto @ Clemens Nestroy

DAS OPERNMAGAZIN(OM): Es interessiert natürlich unsere Leser sehr, wie Sie den Weg zur Musik gefunden haben. 

Katia Ledoux (KL): Meine Mutter sagte, ich hätte bereits mit drei Jahren gesagt ich wolle Opernsängerin werden. Ich komme aus einer Familie welche keinen Bezug zur klassischen Musik hat. Meine Eltern waren fasziniert, ich habe als Kind VHS Video Kassetten bekommen mit Opern und meine erste Oper die ich so kennenlernte war die Carmen-Verfilmung von Francesco Rosi. An diesem Film, habe ich  alles geliebt, die Ambiance, die Kostüme und natürlich Julia Migenes als Carmen. Das war mein Lieblingsfilm und ich habe schon damals gemeint, dies ist es was ich machen will. Dann haben mir meine Eltern eine Zauberflöte für Kinder gegeben und das nächste war dann mit fünf Jahren „Tosca“, woran man erkennen kann, das sie nicht viel Erfahrung hatten mit Opern. Wenn sie wollten, das ich einfach ruhig bleibe, dann hat man eine Oper laufen lassen und ich war weg. Diese Mischung aus Farben und Geschichte mit der Musik im Film, hat mich derart begeistert, das für mich klar war dies ist meine Berufung. Ich glaube es war auch ein großes Glück für mich, das meine Eltern sich nie mit Oper beschäftigt hatten und deshalb enorm Stolz waren, wenn ich versucht habe dies nachzumachen und gesungen habe. Sie waren begeistert und ich meinte ich sei die beste Sängerin die es gibt. Immer wenn Besuch kam musste ich vorsingen und ich fand es toll. Bis vor kurzem habe ich gedacht, es gibt doch diese Filme auf YOU TUBE wo man so Wunderkinder sieht, und ich meinte ich sei auch so eines. Dann habe ich mir ein paar Videos von mir als Kind angeschaut, die meine Eltern gemacht haben und ich müsste mich eigentlich bei all diese Leuten, welche das anhören mussten, entschuldigen.(lacht) Doch schlussendlich hat mich der Glaube der Eltern und derjenige von mir, ich sei eine gute Sängerin, auch dazu gebracht eine zu werden. Es sind ja überraschend viele Eltern, die ihren Kindern die Lust am Singen verderben indem sie den Kindern sagen, dass sie zu laut, zu falsch oder zu viel singen. Das Problem hatte ich zum Glück nie.

 

(OM): Es ist ja nicht einfach sich einen Weg zu bahnen und die richtigen Kontakte zu haben. Wie fanden Sie Ihre Lehrer und anderen Unterstützer?

(KL): Mit sechs Jahren habe ich es geschafft meine Eltern zu überzeugen mich in einen Chor zu schicken. Ich bin ja in Wien aufgewachsen und wollte unbedingt zu den Wiener Sängerknaben. Ich wollte ins Internat, da ich einen Film gesehen habe über die Sängerknaben und mir gedacht habe, dies ist das Leben. Ein bisschen Schule, viel Singen und mit den anderen leben und proben, jedoch waren damals die Sängerknaben nicht für Mädchen offen. Sie haben mich dann weitergeleitet an die Schubert Sängerknaben, welche auch Mädchen aufnahmen. Da habe ich dann von 6 – 12  gesungen, was mir auch sehr viel für mein Deutsch geholfen hat.  Mit 12 Jahren kam dann zu einem Gespräch mit dem Chorleiter Gerhard Trabesinger, vielleicht sei es jetzt an der Zeit Einzelunterricht zu nehmen. So bekam ich dann Einzelunterricht, den mir meine Eltern ermöglich haben. Anschließend habe ich in Wien angefangen zu studieren, ich wurde zwar nicht sofort aufgenommen, da ich noch zu jung war. Von 16-19 besuchte ich einen Vorbereitungslehrgang und dann begann das Studium. 

Anschließend habe ich dann in Graz vorgesungen wo ich meinen jetzigen Gesangslehrer getroffen habe. Mit dem Uniwechsel hatte ich plötzlich sehr viel Zeit für die Arbeit an der Technik und an Produktionen. Es tut einer Stimme gut, wenn sie sich langsam entwickeln kann. Gerade heutzutage, wo der Jugendwahn der Opernwelt junge Sänger/innen immer wieder drängt, möglichst schnell, möglichst große Partien zu singen und damit ihre Stimmbänder zu riskieren, hatte ich den unglaublichen Luxus von Zeit. Dazu kam ein Umfeld (Gesangslehrer, Agent, Castingdirektoren, Intendant/innen usw.) die mir zwar große Chancen gegeben haben, aber auch immer geschaut haben, dass ich mir nie schade oder mich überfordere. Mein Plan war es mit 25 Jahren abzuschließen. Ich habe dann den Bachelor schlussendlich erst mit 29 Jahren abschließen können. Das ist im Endeffekt total okay und nun mit 31 Jahren geht es mir stimmlich sehr gut.

 

Katia Ledoux_/ @ International Vocal Competition s‘-Hertogenbosch

(OM): Bereits vor Ihrem Eintritt in das Internationale Opernstudio Zürich- IOS waren Sie in einigen Produktionen zu erleben und haben erfolgreich auf sich aufmerksam gemacht. Was waren hier die wichtigsten Stationen.

(KL): Ein großer Wendepunkt war der Wettbewerb in ‘s-Hertogenbosch in den Niederlanden. Dort gewann ich 2018 den Pressepreis und bin so plötzlich in die internationale Szene geplatzt. Ich hatte plötzlich Agenturen die an mir interessiert waren, wurde zu Vorsingen in Opernhäuser quer durch Europa eingeladen und so habe ich im Endeffekt meine erste große internationale Produktikon als Geneviève in „Pelléas et Mélisande“ an der Dutch National Opera in Amsterdam, erleben dürfen. Danach ging alles ganz schnell: Meine Geneviève wurde von der Presse durchwegs als sensationell gepriesen und dann standen mir alle Türen offen. Ich habe mich für zwei Jahre IOS am Opernhaus Zürich entschlossen um mir noch etwas Zeit zu schenken, weiter an Technik und Repertoire zu arbeiten. Das ging sich von der Altersgrenze her mit 29 Jahren gerade noch aus. 

 

(OM): Die zwei Jahre im IOS waren schon für viele talentierte Stimmen ein großes Sprungbrett. Was haben in dieser Zeit in Zürich besonders geschätzt und gelernt. 

(KL): Das Opernhaus Zürich ist für mich wie ein Kokon, alle hier sind so freundlich und hilfsbereit und man fühlt sich wie in einer Familie. Ich bekam von vielen Seiten gute Tipps und wurde jederzeit unterstützt. Jeder respektiert den anderen und es werden keine Unterschiede gemacht zwischen den auftretenden Personen und den unglaublich vielen engagierten Mitarbeitern hinter den Kulissen. Eine sehr schöne Erfahrung. Wir haben ja hier am IOS immer eine Patin oder einen Paten von den Opernfreunden, welche/r uns betreut und einem die Stadt und die Gegebenheiten näher bringt. Dies ist auch so eine wunderbare Hilfe. 

 

Katia Ledoux_/ @ Tchaikovsky Conservatory Moskau

(OM): Wegen der Pandemie ist ganz viel geplantes ausgefallen. Wie haben Sie persönlich diese Zeit überbrückt?

(KL): Für mich persönlich war diese Coronazeit, so seltsam dies jetzt klingen mag, auch eine gute Zeit. Ich habe eigentlich kaum Pause gehabt. Hier in Zürich hatte ich im ersten Jahr von September bis Februar, fünf Produktionen, welche durchgeführt werden konnten und nur eine, sowie eine Coveraufgabe, konnten nicht stattfinden. Nach einer kurzen Pause, begannen bereits die Proben für Boris Godunov, wo wir in Zürich dieses unglaubliche Projekt mit dem Orchester aus dem Probenraum, 1 Km entfernt hatten, was wirklich einmalig ist. Ich durfte dann mit Barry Kosky arbeiten, was eine große Erfahrung war und noch dazu mit solchen hochkarätigen KollegInnen in der Besetzung.

Ich konnte soviel lernen. Und dann wurde das Opernhaus ja geschlossen. Ich bekam dann die Anfrage für ein Streaming in Amsterdam für die „Petit Messe Solonnelle“ mit dem Netherlands Philharmonic Orchestra und dem Chor der Dutch National Opera.Während ich dort probte, kam ein Anruf ob ich nicht einspringen könnte in Lion in einer Strawinsky Produktion. Am Schluss haben diese Aufführungen dann wegen Corona nicht stattfinden können, aber die Probezeit hat mir trotzdem enorm viel gebracht. Als ich im Februar dann wieder in Zürich war, wurde ich gefragt, ob ich ein „kleines Konzert“ zusammenstellen könnte. Daraus ist dann das Projekt „Opera goes Pop“ geworden, worüber DAS OPERNMAGAZIN berichtet hat und das meiner Meinung nach einer der Höhepunkte meiner Zeit im IOS geworden ist. So hatte ich wirklich keine Pause und ich bin mir dieses Glückes bewusst, da es ganz viele Kollegen/innen gibt, welche in derselben Zeit wirklich große Schwierigkeiten hatten. 

 

(OM): Sie hatten auch Gelegenheit in einigen Produktionen des Opernhauses mitzuwirken und sind durch Ihre Stimme, Spielfreude und Ihre Ausstrahlung aufgefallen, gab es ganz besondere Momente ?

(KL): Zürich ist natürlich ein Haus wo sehr viele Superstars der Oper arbeiten. Ich habe mit Cecilia Bartoli arbeiten können, mit Diana Damrau, mit Jakub Orlínski. In der Kantine traff ich Piotr Beczala und Juan Diego Florez, habe mit Benjamin Bernheim gelacht und Pretty Yende gesprochen. Das sind sehr besondere Momente, die das Leben im IOS sehr prägen. Was ich in Zürich besonders bewundere ist die Vielseitigkeit der Produktionen. Es wird für jeden Geschmack etwas geboten. Mein Lieblingsbeispiel: In derselben Saison konnte ich „Věc Makropulos“ mit Dimitri Tcherniakov erarbeiten und „Die Zauberflöte“ mit Tatjana Gürbaca. Viel extremere Beispiele kann ich mir nicht denken und das Publikum ist hier sehr offen für Neues und lässt sich von Baroque bis zeitgenössische Opern begeistern. Ich habe jeden meiner Auftritte genossen und bin sehr dankbar für diese Zeit am Opernhaus Zürich.

 

(OM): In Ihrem Soloprogramm am Opernhaus, welches leider nur vor 100 Personen stattfand, diese aber restlos begeisterte, haben Sie vom Pop zur Klassik ein umwerfendes Programm gestaltet.  Dabei ist vor allem klar geworden wie vielseitig Sie sind. Wollen Sie diesen Weg auch weitergehen und in verschiedenen Sparten wirken?

(KL): Es war das erste Mal das ich so ein Programm zusammenstellt habe in diesem Rahmen. Ich habe aber bereits in Wien, in ganz kleinen Clubs, Oper gesungen und probiert dies zu mischen um zu vermitteln: Oper is Cool!. Hier war es gerade umgekehrt um dem Opernpublikum zu zeigen, es geht auch mit Pop als Opernsängerin. Es war auch großartig mit Anna Hauner (Klavier), Jonathan Allen (Violine) Dieter Lange ( Kontrabass) und Didier Chevallier ( Schlagzeug) an so außergewöhnlichen Ideen zu arbeiten. Es hat allen sehr viel Zeit und Arbeit gekostet das Programm so umzusetzen, wie ich mir dies erträumt hatte, aber ich denke es war für uns eine ganz neue und wertvolle Erfahrung.

 

Katia Ledoux / Foto @ Ginger Bear Tom Photography

(OM): Wie bereiten Sie sich auf die neuen Aufgaben vor?

(KL): Ich versuche, auch wenn sich dies etwas speziell anhört, wenn immer möglich, zu einer Produktion ganz „blank“ anzukommen, total vorbereitet aber ohne meine eigene Interpretation. Ich sehe mich als Instrument. Ich muss Dolmetschen: Es gibt die Idee des Komponisten oder der Komponistin, des Dirigenten und der Person die inszeniert. Diese drei Menschen haben ein ganz präzises Bild was sie wollen, ich muss einfach schauen wie ich diese drei zu einem zusammenbringen kann. Bei Konzerten kann ich ja meine eigene Interpretation jederzeit einbringen. Bei einer Opernproduktion ist das für mich anders. Es gibt natürlich aus Regisseure welche sich nicht genau festlegen und da kann man durchaus einmal seine eigenen Ideen platzieren. Bei den Zeitgenössischen Werken und Uraufführungen sieht es anders aus, da kann man wirklich noch ganz neue Impulse in der Komposition beitragen, aber meistens hilft es der Regie, dem Dirigat und der Komposition zu vertrauen. Als Beispiel. Carmen, eine Oper die mich bis jetzt mein ganzes Leben begleitet hat: Da hat ja auch das Publikum eine Vorstellung wie diese Carmen zu sein hat und da ich schon so lange von dieser Partie fasziniert bin muss ich ganz gut aufpassen. Ich hatte vor kurzem einen Workshop und war Carmen, plötzlich habe ich eine ganz neue Sicht bekommen welche viel spannender und stärker ist, als ich es bisher empfunden habe und da ich offen bin für neue Impulse, habe ich einen neuen Weg gefunden diese Partie zu erleben. Natürlich kann ich auch gut Nein sagen, wenn gewisse Grenzen überschritten würden. 

 

(OM): Wie sehen die Pläne für die kommenden Jahre aus, kann man da schon etwas erfahren?

(KL): Mein nächstes größeres Projekt ist in Moskau, da mache ich die Cornelia in der Händel Oper „Giulio Cesare“ mit der Moskauer Philharmonie, konzertant. Dann arbeite ich an zwei zeitgenössischen Opern in Amsterdam: „Hoe Anansi the freed the Stories of the World“ von Neo Muyanga und ein neues Stück von Manfred Trojahn „Eurydice-die liebenden blind“  mit vier Sängern auf der Bühne. Dann folgt in Stuttgart in der Oper „Rusalka“ die Jezibaba. 

 

(OM): Es gibt neben der Sängerin Katia Ledoux auch die private junge Frau. Dürfen wir etwas über Ihre Hobbys erfahren und wie sie sich von den Studium neuer Rollen etc. erholen. 

(KL): Singen ist das was ich am liebsten mache und die Zeit ist immer sehr knapp mit den Proben, Studium und Auftritten. Es verschwimmt zwischen Hobby und Beruf. Ich gewinne sehr viel Energie wenn ich auf der Bühne bin. Ich sage nie ich muss mich jetzt erholen, sondern genieße all diese Herausforderungen. Ich habe hier in Zürich mir immer den Tag nach einer Premiere frei genommen, weil nach dieser Aufregung, der Freude und dann die Erleichterung, einige ruhige Momente nötig sind. 

 

(OM): Ich wünsche Ihnen für Ihre Zukunft ganz viel Erfolg und Zufriedenheit. Selbstverständlich werden wir Ihren Weg begleiten und ich freue mich auf ein baldiges Wiedersehen/hören. Herzlichen Dank für dieses Gespräch.

 

  • Das OPERNMAGAZIN-Interview führte Marco Stücklin mit der Künstlerin in Zürich/08-2021
  • Katia Ledoux auf INSTAGRAM
  • Titelfoto: Katia Ledoux / Foto @ Ginger Bear Tom Photography

 

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