„Ich bin ein Romantiker“ – Interview mit dem Tenor Mirko Roschkowski

Theater Bonn /Lohengrin/ Foto @ Thilo Beu

In der Titelpartie ist ein Mirko Roschkowski zu erleben, der einen reinen, klangschönen Schwanenritter singt. Hier steht kein Kraftprotz auf der Bühne – die Stimme wird energiesparend eingesetzt, an den nötigen Stellen kraftvoll forciert und die gefühlvollen Passagen mit tenoralem Schmelz und feinster Akzentuierung gemeistert. … Der Dortmunder Junge Mirko Roschkowski hat das Zeug dazu, sich im Ranking der Wagner-Tenöre in obere Regionen hoch zu singen. Nach seinem erstklassigen Erik in Hagen dürfte sein Lohengrin-Debut an diesem Abend ein Meilenstein in der Karriere sein“, so „klassikbegeistert.de vom 8.11.2018.

Markus Schwering vom Kölner Stadtanzeiger schreibt: „Mirko Roschkowski in der Titelpartie imponiert nicht als Brülltenor, sondern mit einer sehr fokussierten, gut geführten und auch in der Höhe nie mühseligen Stimme. Im Piano verbreitet sie berückenden Schmelz.

Gunhild Lohmann vom Bonner Generalanzeiger schreibt: „Mirko Roschkowskis heller Tenor steht dem Schwanenritter ganz hervorragend, seine Piano-Einsätze sind nicht von dieser Welt, und in der Gralserzählung kann er den lyrischen Schmelz seine Stimme voll entfalten.“

Und DAS OPERNMAGAZIN führt aus: „Mirko Roschkowski singt einen wunderbaren Lohengrin. Seine Gestaltung der Gralserzählung wird so zum eigentlichen Höhepunkt des Abends. So differenziert im Ausdruck und in den Spitzentönen mit enormer Leuchtkraft hat man den Gralsritter lange nicht mehr auftrumpfen hören.“ 

Man kann also das Debut als vollen Erfolg bezeichnen.

Ich treffe ihn nach der Lohengrin-Vorstellung am 1. Februar 2019.

 

Opernmagazin (OM): Du hast am 4. November 2018 mit sehr großem Erfolg in Bonn als „Lohengrin“ debütiert. Was ist für Dich die besondere Herausforderung an dieser Partie?

Mirko Roschkowski (MR): Es gab eine große Erwartungshaltung an mich selbst und vom Publikum. Außerdem war es der Schlachtruf meiner Gesanglehrerin Edda Moser: „Sie werden den Lohengrin singen!“ Da war ich noch ein Küken und habe mir vorgenommen, das aber nicht vor dem 40.Geburtstag zu tun.

OM: Du hast als „Belmonte vom Dienst“ sehr viel Mozart gesungen, früher die Prinzen, jetzt die Könige (Mitridate, Tito, Idomeneo). Was ist für Dich die Herausforderung beim Mozart-Gesang?

MR: Man muss bei Mozart ganz natürlich sein, sehr sauber, Schwächen sind leicht zu erkennen. Bei Italienern kann man schmieren. Meine Planung war: Mozart, Französisches – , dann deutsches Fach. Mozart wird oft zu jung besetzt. Die sind dann noch gar nicht reif für diese Partien. Mitridate hat sieben hohe Cs und gewaltige Sprünge, es ist erstaunlich, was Mozart da mit 14 komponiert hat, und wie Mitridate als Vater mit seinen Söhnen umgeht.

OM: Auch beim Zuschauer ändert sich die Sicht auf Mozart, früher habe ich „Don Giovanni“ als deftige Komödie gesehen, jetzt ist es eine Reflektion über den Tod.

MR: Ja, Mozart gewinnt immer mehr, auch für mich als Sänger. Er hat auf alles eine Antwort. Seine Kernfragen sind: „Was macht Menschlichkeit aus? Was sagt das über uns?“

OM: Ich habe in Köln erlebt, dass Don Ottavio mehr Applaus bekam als Don Giovanni.

MR: Don Ottavio empfindet absolute Treue, er ist ein Guter. Richtiges Feuer will aber nicht entstehen. Seine innere Stärke muss Ausdruck finden können. Er ist mir vielleicht am besten in der Inszenierung von Klaus Weise in Bonn gelungen. Ich habe mir Fritz Wunderlichs Darstellung des Lenski zum Vorbild genommen und ganz ruhig da gestanden und Kraft ausgestrahlt.

Foto: Paul Leclaire; La clemenza di Tito, Oper Köln

OM: Dein „Tito“ im Kölner Oberlandesgericht war ja Kult, der hat mich sehr beeindruckt.

MR: Da hat ja auch Junghänel dirigiert, ein sehr guter Musiker, der dirigiert das jetzt auch in Wiesbaden. Der römische Kaiser Tito ist viel zu gut für diese Welt! Ein sehr sympathischer Charakter, aber völlig unrealistisch. Er wird von seinem Freund Sesto fast umgebracht und verzeiht allen alles. Ich habe elf verschiedene Mozart-Partien gesungen, am 30. April 2019 und am 1. Mai 2019 ist in Wiesbaden Doppelpremiere „La Clemenza di Tito“ und „Idomeneo“ im Rahmen der Maifestspiele, da haben die Vorbereitungen schon begonnen. Es ist ein Defizit des Marktes, immer etwas Spektakuläres bringen zu wollen, immer jüngere und immer auch stimmlich schlankere Sängerinnen und Sänger auf die Bühne zu stellen! Im Kölner Opernstudio sind so phantastische junge Sänger, die werden mit kleinen Partien und mit der Kinderoper richtig gefördert. Ich habe einige beim Operettenkonzert mit Helen Donath im vergangenen Jahr kennen gelernt, als ich u.a. zum ersten Mal die Zaza aus „La cage aux Folles“ gesungen habe. Tolle Sänger!

Ich hatte schon vor 10 Jahren Angebote für Parsifal, Lohengrin und Stolzing. Stattdessen habe ich lieber den Belmonte, z.B. hier in Bonn gesungen. Ich bin da ziemlich reflektiert, Mozart erdet mich.

OM: Es ist wohl vor allem selbst für gute Sopranistinnen schwer.

MR: Ja, es ist ungeheuer schwer, ein richtiges Engagement zu bekommen. Für Frauen ist es besonders kritisch, aber auch Männer können es sich meistens nicht aussuchen. Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich nicht alles machen und annehmen muss, sondern einen Karriereplan verfolgen kann. Das ist nicht selbstverständlich. Bei Partien wie Max (im „Freischütz“) oder Benvenuto Cellini ist 30 in der Regel zu früh, ich habe ja relativ spät – erst nach dem Studium – mit dem Singen angefangen. Nach einem halben Jahr als Anfänger in Detmold kamen dann drei Jahre in Bremerhaven, das war eine tolle Zeit mit dem ersten Don Ottavio, Tamino, sogar schon Idomeneo.

THEATER BONN: LOHENGRIN/Mirko Roschkowski als Lohengrin/ Foto @ Thilo Beu

OM: Der Lohengrin ist ja der Prototyp des romantischen Helden beziehungsweise Künstlers, der an der Wirklichkeit krachend scheitert. Wagner hat über das Frageverbot hinaus eine sehr dramatische Situation kreiert: Elsa wird des Mordes an ihrem Bruder bezichtigt und der König will das brabantische Heer gegen die Ungarn mobilisieren. Wie behauptet man sich als Darsteller in einer solchen Situation? Und Du hast Elsa gerade 10 Minuten gesehen, da singst du schon: “Elsa, ich liebe dich“.

MR: Ich finde, man muss den Lohengrin natürlich darstellen und singen. Die Identifikation mit dem Text ist unbedingt erforderlich. Ich bin geschickt, Elsa zu retten, und natürlich verliebe ich mich jedes Mal in Elsa, nicht nur in Anna Princeva (Darstellerin der Elsa), obwohl das besonders einfach ist. Es geht um Authentizität, das ist im Grunde ein innerer Vorgang, und alles muss aus dem Bauch heraus motiviert sein.

OM: Wie erarbeitet man sich eine so große Partie wie den Lohengrin?

MR: Natürlich fängt man mit der Gralserzählung an. Lohengrin lernt man am besten von hinten, dann gerade am Schluss entscheidet sich der ganze Abend. Die Rezitative mit dem Schwan hauen mich immer besonders um. Das ist so innig, wie ich mich beim Schwan bedanke! Lohengrin hat eine tiefe Beziehung zu Gottfried, dem Schwan.

OM: Du drückst schon durch deine Körpersprache aus, dass du mit Elsas Fragen in der Brautnacht und mit der Mobilisierung als Heerführer überfordert bist. Wie erzeugst du eine so große Bühnenpräsenz?

MR: Durch Identifikation mit der Rolle! Man muss sich mit den existenziellen Situationen identifizieren, die Bedrohungen spüren.

OM: Im französischen Fach (Gerald in Lakmé, Nicias in Thais, Cellini in Benvenuto Cellini, Faust in Gounods Faust, Don José) hast du große Erfolge gefeiert. Kommt da noch mehr?

MR: Ich mache in der nächsten Spielzeit Offenbach an der Volksoper in Kooperation mit Hannover, allerdings auf Deutsch, obwohl es französisches Fach ist. Aber es kommen auch „Werther“ und als Exot „Masaniello“ in „Die Stumme von Portici“ und erneut Énée in „Les Troyens“ auf mich zu. Ich bleibe den Franzosen treu!

Werbeflyer für die „Winterreise“ am 16.2.2019 im Kammermusiksaal des Beethovenhauses

OM: „Die Winterreise“ ist Romantik pur, aber verschmähte Liebe und Todessehnsucht in Eis und Schnee ist unbelastet von realen Anforderungen. Niemand muss das Land retten oder die Herrschaft sichern. Wie versetzt man sich da in das lyrische Ich?

MR: Ich fange damit an, die Gedichte zu rezitieren, um ein Gefühl für die Sprache zu bekommen. Lyrik hat mich immer schon interessiert, ich bin ein Romantiker. Dann höre ich mir ganz viele Einspielungen an. Mittlerweile singe ich sie auswendig. Man gerät als Sänger in den Tunnel der Winterreise, es ist wirklich magisch. Man kommt erst danach wieder zu sich.

OM: „Die Winterreise“ ist ein Liederzyklus, den ganz viele Interpreten aufführen und eingespielt haben. Die Spannweite ist enorm, von Fischer-Dieskau angefangen. Ich wollte 1978 in eine Winterreise mit Hermann Prey, der war erkrankt, da ist Fischer-Dieskau eingesprungen. Danach war ich emotional so mitgenommen, dass ich 35 Jahre keine Winterreise mehr live erleben wollte.

MR: Prey nimmt es ja etwas lockerer (singt „Fremd bin ich eingezogen…“ wie Hermann Prey). Aber bei Fischer-Dieskau kann ich mir das gut vorstellen! Die meisten Einspielungen sind irgendwo dazwischen.

OM: Was meinst Du zu Frauen, die die Winterreise singen?

MR: Ich halte mich im Allgemeinen lieber an die Männer, aber bei Brigitte Fassbaender mit Aribert Reimann konnte ich nicht aufhören mit dem Zuhören.

OM: In der letzten Zeit gibt es Versionen mit anderer Begleitung, zum Beispiel mit Kinderchor, Klavier, Harfe und Saxofon. Daniel Behle hat sie mit Streichtrio arrangiert und eingespielt, Du singst das jetzt mit Streichquartett. Das erste Mal kein Klavier dabei – das wird spannend! Was macht da den Reiz aus?

MR: Es ist das dritte Mal, dass ich die Winterreise mit der Quartettbegleitung singe. In vielen Proben haben wir zueinander gefunden und gemeinsam die Farben gesucht, um die emotionalen Grenzen auszuloten. Gerade das Düstere, Sphärische bringen die Streicher herrlich zur Geltung. Mit diesen Vieren ist es traumhaft. Mit der ersten Geigerin, sie ist Konzertmeisterin bei den Bochumer Symphonikern, bin ich befreundet. Sie hat sich auf die Suche nach möglichen gemeinsamen Projekten gemacht und hat die Fassung von Jens Josef gefunden, die Peter Schreier als Abschiedsvorstellung 2005 aufgeführt hat. Diese Bearbeitung bleibt sehr bei Schubert, kann allerdings bei aller Originalität die ursprüngliche Fassung nur ergänzen, keinesfalls ersetzen.

Spielt mir den Anfang von „der Lindenbaum mit Streichquartett“ vor.

OM: Gerade beim „Lindenbaum“, der durch Männerchöre adaptiert wurde, nimmt man nicht mehr wahr, dass das eigentlich eine Selbstmordphantasie ist.

MR: Ja, das ist eine Gefahr. Es ist schwierig, da wieder die besondere Gefühlstiefe herzustellen. Aber der Zuhörer soll ja eigene Assoziationen herstellen.

OM: Die Koordination mit einem Pianisten betrifft nur zwei, Ihr seid zu fünft. Ist das schwieriger zu managen?

MR: Die Streicher sind Begleiter, genau wie der Pianist, aber es ist ein Geben und Nehmen. Im Zentrum steht jedoch der Wanderer, im Zentrum steht der Text.

Hessisches Staatstheater Wiesbaden/ Jephtha /Foto @ Karl & Monika Forster

OM: Stichwort: Achim Freyers „Jephtha“in Wiesbaden

MR: Freyer war für mich eine lebensverändernde Bereicherung. Er ist 84, Maler und ein ganz großer Künstler. Ich habe mich als „Jephtha“ als Teil eines Gemäldes gefühlt. So authentisch, durchdrungen von Kunst und seinem Blick für Kunst. Ich war voller Enthusiasmus, ich habe so etwas noch nie erlebt. Ich habe einen neuen Blick für Kunst bekommen, aus reiner Begeisterung heraus und habe sogar selbst angefangen zu malen. Ich kann das nicht wirklich gut, aber es macht mir Spaß, weil es eine weitere Möglichkeit ist, mich auszudrücken. Dabei ist „Jephtha“ eine Grenzpartie, mit Riesenkoloraturen, ich bin ganze Zeit auf der Bühne, meistens auf einem schmalen Podest.

OM: Zur kommenden „Rusalka“ in Köln, wie siehst Du den Prinzen?

MR: Der steht unter dem Konventionsdruck der Familie. Er ist mutig, weil er sich gegen die Familie stellt, kann sich aber letzten Endes nicht durchsetzen. Ježibaba, die Hexe, hat ihre Finger im Spiel, die fremde Fürstin, der er ja versprochen ist, hat sehr gute Waffen. Für Rusalka ist es schwer, sie ist das unbekannte Mädchen, das er bei Hof präsentiert. Die singt übrigens meine wunderbare Kollegin Olesya Golovneva, mit der ich u.a. schon „Krieg und Frieden“ in Köln gemacht habe. Ich bin froh, dass ich den Prinzen schon in Bonn und Coburg gesungen habe, dadurch ist es jetzt leichter. Dvořák hat so wunderschöne Musik geschrieben!

OM: Die Bonner Inszenierung war ja sehr märchenhaft und konkret. Wird das in Köln auch so realistisch?

MR: Es wird sicher anders, mehr kann ich noch nicht sagen.

OM: Wie fühlt sich das an, wenn man tschechisch singen muss? Bei Dvorak und Janacek?

MR: Es ist überraschend, wie gut man tschechisch singen kann, obwohl das so viele Konsonanten hat. Ich mache das wahnsinnig gerne, Problem ist das Gehirn, es geht so viel Konzentration in die Phonetik.

OM: Du bist in Bonn, Wien, Wiesbaden und Köln engagiert, also viel unterwegs. Was macht das mit einer Partnerschaft?

MR: Wir sehen uns praktisch die nächsten drei Monate gar nicht, denn mein Mann arbeitet als Oberarzt operativ in einer Klinik, ich habe parallel die Proben für „Idomeneo“ und „La Clemenza di Tito“ in Wiesbaden, die „Rusalka“ in Köln und die Vorstellungen in Bonn und Köln. Wir telefonieren jeden Tag und nehmen am Alltag des anderen teil. Wir sind ja schon seit 21 Jahren zusammen, er kannte mich schon, als ich noch nicht als Sänger aufgetreten bin. Aber das Gute ist, dass wir beide in unserem Traumberuf arbeiten, er als Leitender Oberarzt und ich als Sänger. Das gibt uns sehr viel.

OM: Danke für das Gespräch!

Am 16. Februar 2018 um 19.30 Uhr wird Mirko Roschkowski im Kammermusiksaal des Beethovenhauses Franz Schuberts „Winterreise op.89“ mit dem BoArts-Quartett (Ismene Then-Bergh und Iwona Gadzala, Violinen, Marko Genero, Viola und Christof Kepser, Violoncello) aufführen.

 

  • Das Interview  führte Ursula Hartlapp-Lindemeyer, Bonn/Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Titelfoto: Theater Bonn/Mirko Roschkowski als LOHENGRIN/ Foto @ Thilo Beu
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