„Gräfin Mariza“/ Online-Premiere aus der Musikalischen Komödie Leipzig

Musikalische Komödie/ Foto © Dirk Brzoska

Die seit Juli 2019 umgebaute und sanierte Musikalische Komödie Leipzig sollte eigentlich mit realem Publikum vor Ort in der Eröffnungspremiere der „Gräfin Mariza“ wiedereröffnet werden, musste aber nun doch aufgrund der Corona-Maßnahmen online über die Website der Komödie und Youtube als Livestream abgehalten werden. In den erfolgten Sanierungsarbeiten wurden die Stuhlreihen im Parkett erhöht, so ist eine ausgewogene Sicht von allen Plätzen möglich, der Klang wurde homogener, eine Klimaanlage wurde eingebaut, eine mobile Bar im Venussaal errichtet und der Komödiengarten zum Flanieren in der Vorstellungspause angelegt. Oberbürgermeister Burkhard Jung ermunterte hoffnungsfroh in seiner Eröffnungsrede: „Wir werden hier bald wieder zusammen rauschende Kunst erleben.“ Hoffen wir, dass es bald wieder soweit ist! (Rezension der Premiere v. 8.5.2021)

 

Emmerich Kálmáns dreiaktige Operette „Gräfin Mariza“, nach einem Libretto von Julius Brammer und Alfred Grünwald, wurde im Stream zur unüberbietbaren, grandiosen Aufführung gebracht. Da alle Mitwirkenden vor Vorstellungsbeginn negativ getestet wurden, war wirkliche Interaktion und Nähe möglich.

Musikalische Komödie Leipzig/GRÄFIN MARIZA/ Foto @ Tom Schulze

Zur Handlung: Gräfin Mariza arrangiert eine Verlobungsfeier auf Distanz mit Gutsbesitzer Zsupán aus Varasdin, um ihre zahlreichen Verehrer abzuschrecken. Als der fingierte Bräutigam plötzlich in realer Person erscheint, gesteht Gräfin Mariza ihren Coup. Sie verliebt sich in ihren vermeintlichen Verwalter, den Grafen Tassilo, der unter falschem Namen als Bela Török in ihren Diensten steht, um Geld für die Mitgift seiner Schwester zu verdienen. Alle Verwicklungen lösen sich schlussendlich auf, Graf Tassilo und Gräfin Mariza, Lisa und Baron Koloman Zsupán, aber auch Fürstin Bozena Guddenstein und Fürst Populescu, finden zueinander.

Die wunderbaren Kostüme und das stimmungsvolle Bühnenbild erstellte Leif-Erik Heine. Alles spielte in einem holzvertäfelten Zimmer, das von mehreren Seiten bespielbar war und hinter welchem verschiedene Bühnenbilder zum Einsatz kamen. Der Chor und Extrachor des Hauses (Choreinstudierung: Mathias Drechsler) bewies sein gesangliches Können. Das beschwingt spielende Orchester der Musikalischen Komödie leitete der Erste Kapellmeister des Hauses, Tobias Engeli, in einer Fassung für Salonorchester mit Schmiss und operettenhaftem Schwung.

Musikalische Komödie Leipzig/GRÄFIN MARIZA/ Foto @ Tom Schulze

Die für diese Rolle absolut geeignete Lilli Wünscher, seit 2013/14 Mitglied des Hauses, sang die Gräfin Mariza im freizügigen Kleid mit oranger Perücke. Später gibt sie im weißen Kleid ihre Verlobung auf Distanz mit ihrem fingierten Bräutigam bekannt, um nachher in Arbeitskleidung selber für Verwirrung zu sorgen. Im Duett mit Graf Tassilo „Herrgott, was ist denn heut‘ los“ und in „Mein lieber Schatz, zieh‘ an dein schönstes Kleid“, wie auch in „Sag ja, mein Lieb, sag ja“, und in den zahlreichen Dialogen, brillierte Wünscher mit dem silbrigen Glanz ihres schwebenden, hellen Soprans und der absolut präzisen Diktion. Sopranistin Miriam Neururer, aus Tirol gebürtig, seit 2007/08 Ensemblemitglied, als Lisa, im rosa Kleid, die aufgeweckt und kindlich naiv, später im gelben Spitzenkleid anmutig mit ihrem Bruder Graf Tassilo verstecken spielt, nachdem sie sich zuvor die Augen verbunden hat, sorgt im Duett mit Graf Tassilo „Schwesterlein, Brüderlein“ und Baron Koloman Zsupán „Dann würd‘ ich träumen von dir“ für einen wahren Ohren- und Augenschmaus. Ihre helle kristallklare Stimme mit glitzernder Höhe schwingt sich leicht in die höchsten Regionen. Als sich Lisa und Baron Zsupán zum Heiraten entschließen, tanzen (Choreografie: Mirko Mahr) und singen sie beschwingt in ungarischer Tracht „Schönes Mädel von der Puszta, zeig‘ wie man tanzt“ in deutscher und ungarischer Sprache.

Der unvergleichliche Adam Sanchez, seit 2017/18 am Haus, als Graf Tassilo im hellen Anzug, meistert seine Aufgabe in höchster Perfektion. „Wenn es Abend wird, wenn die Sonne sinkt“ betont Sachez vortrefflich, sein schmelzender Tenor mit der leichten Höhe, wird durch Lichtwechsel und den am Himmel aufgehenden Mond wirkungsvoll unterstützt. Im Duett mit Lisa „Schwesterlein, Brüderlein“, „Komm, mein Freund“ sowie „Auch ich war einst ein feiner Csardaskavalier“, umringt von Geigern und Tänzern des Balletts in ungarischer Tracht, schwingt sich Sanchez zu Höchstleistungen empor. Im Duett mit Gräfin Mariza „Herrgott, was ist denn heut los“, umgeben von zwei klug hinzugedachten tänzerischen Doppelgängern, wie auch in „Mein lieber Schatz, zieh‘ an dein schönstes Kleid“, „Hab‘ mich einmal toll verliebt“ und „Sag ja, mein Lieb, sag ja“ überzeugte Sanchez in gesanglicher und schauspielerischer Perfektion, präziser Aussprache und überströmender Energie.

Musikalische Komödie Leipzig/GRÄFIN MARIZA/ Foto @ Tom Schulze

Der Amerikaner Jeffery Krueger als Baron Koloman Zsupán, seit 2013/14 an der Musikalischen Komödie, in weiter heller Hose und rotem Jackett, treffend den ungarischen Akzent imitierend, sang „Komm mit nach Varasdin“, umgeben von stimmungsvoll wirbelnden Tänzerinnen in ungarischer Tracht und bewies im Duett mit Lisa „Dann würd‘ ich träumen von dir“ die Voluminösität seiner Stimme und sein schauspielerisches Können. Sopranistin Angela Mehling, seit 1983 Ensemblemitglied für Operetten und Musicals, als Fürstin Bozena Guddenstein, Tassilos Tante, die sich überall Schönheitsoperationen unterzogen hat und seit 30 Jahren mit Fürst Populescu verlobt ist, zeigte sich als glänzende Komikerin, konnte aber stimmlich nicht überzeugen. Bariton Milko Milev, seit 2020/21 am Haus, als Penizek, der als Kammerdiener die Mimik für die schönheitsoperierte Tante zu übernehmen hat, erwies sich mit „Was für ein Theater“ und in den zahlreichen Dialogen als Komiker von Format. Claudia Otte als Wahrsagerin Manja, seit 1995 im Chor der Musikalischen Komödie und in kleinen Solopartien aktiv, beeindruckte als Ungarin mit Temperament und ließ auch gesanglich nichts zu wünschen übrig. Holger Mauersberger als Tschekko spielte den unterwürfigen, durchaus humorvollen Diener, in ausgezeichneter Leistung. Der indische Bariton Vikrant Subramanian, seit 2020/21 im Ensemble, als Fürst Populescu, und Bariton Michael Raschle als Baron Liebenberg, seit 2013/14 am Haus, zeigten hervorragende Leistungen.

Musikalische Komödie Leipzig/ © Kirsten Nijhof

Diese nicht zu überbietende, wahrhaft qualitätvolle Inszenierung von Ulrich Wiggers, wies ein durchweg exzellentes Ensemble mit fantastischen Sängerdarstellern, in präzisester Diktion, auf, das keinen Wunsch offen ließ. Chapeau an alle Mitwirkenden vor und hinter der Bühne für diese Premiere! Sobald die „Gräfin Mariza“ live in der Musikalischen Komödie zu besuchen ist, ist sie eine absolute Empfehlung.

 

 

 

 

 

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