Faszination Oper: wie alles begann – bei mir!

Mailänder Scala-Image by Wikipedia

Jede Form von Musik begeistert und berührt die Menschen weltweit und das zu allen Zeiten. Für jeden ist etwas dabei. Von klassischer Musik über Rock und Pop, von Musical bis Oper. Die Liebe zur Musik ist unabhängig vom Geschlecht, vom Alter, der Herkunft, des Geldbeutels oder der Bildung. Musik ist verbindend, Musik berührt die Seele, Musik kann Stimmungen auslösen -auch gewollt-, Musik ist Leben, Musik ist einfach eine tolle Sache! Für mich ist es die Oper.

Ach ne, nicht in die Oper!

Von Haus aus, wie man so sagt, war mir die Oper nicht sonderlich bekannt. Bis auf die üblichen Gassenhauer (La donna e mobile…Libiamo..u.a.) aus diesem Genre kannte ich eigentlich nichts. Besonderes Interesse bestand auch nicht. Manchmal braucht es Fügungen oder Zufälle im Leben, um auf etwas gestossen zu werden, dass eigentlich tief in einem selbst schlummert und nur geweckt werden will. So auch in meinem Fall mit der späteren Opern-Begeisterung.

1979, ich war gerade Anfang 21, arbeitete ich in meinem ersten Beruf in einem Dortmunder Reisebüro. Neben der gesamten touristischen Angebotspalette hatte ich auch den „Kartenvorverkauf“ der Westfalenhalle Dortmund und der Städtischen Bühnen Dortmund zu betreuen. Zu dieser Zeit gab es auch immer Freikarten für uns Reisebüroangestellte, besonders die Karten der Westfalenhalle waren da begehrt. Freikarten fürs Theater, gar der Oper, standen nicht so sehr auf dem Wunschzettel. Aber da die Zusammenarbeit mit dem Verkaufspersonal des Dortmunder Theaters stets sehr angenehm und freundlich war, entschloss ich mich eines Tages dann doch mal einen Besuch in der Oper anzugehen. Ich erhielt zwei Freikarten, niemand wollte mit, da ging ich halt allein. Damals stellte sich noch die Frage nach der passenden Kleidung. Aber als Reisebürokaufmann war ich mit Jacketts und Krawatten bestens ausgestattet. Zwar mit einiger Spannung, aber irgendwie auch mit wenig Lust, fuhr ich zum Opernhaus an der Kuhstrasse in Dortmund. Von außen kannte ich es gut, habe ich doch ganz in der Nähe gearbeitet, aber von innen war es mir bis dato unbekannt. An diesem Abend wurde ich infiziert und bin es bis heute nicht losgeworden: die Begeisterung für die Oper, die mich später sogar bis in die Opernhäuser von Mailand, Berlin, New York, Paris, Salzburger Festspiele, Wiener Staatsoper u.v.a., brachte. Aber nun gings hinein….

 

Und wär’s mein Untergang….

(Beginn der sog. Briefszene der Tatjana aus der Oper Eugen Onegin/Евгений Онегин)

Image by Wikipedia – Theater Dortmund

Das Foyer kannte ich, es war von außen durch die großen Glasscheiben des modernen Opernhauses für jedermann einsehbar. Dort angekommen, erst einmal zum Kartenvorverkauf und meine Freikarte abgeholt. Die andere Karte habe ich dort für den Weiterverkauf zurückgegeben. Immerhin gab es heute eine Opernpremiere und die Nachfrage war entsprechend. „Orchestersessel Reihe 1“ stand auf der Karte. Die teuersten Plätze. Na ja, ich nahm die gerne an. Wenn schon – denn schon, dachte ich mir. Auf dem Spielplan stand eine Oper von Tschaikowsky. Der sagte mir was. Das Ballett Schwanensee war mir zumindest damals schon ein Begriff. Das er auch Opern komponierte war mir natürlich nicht geläufig. „Eugen Onegin“ hieß die Oper. Damals gab es noch kein Internet und meine Kenntnisse zu dieser Oper waren dementsprechend.  Hätte ich vielleicht damals mehr über diese Oper in Erfahrung bringen können, wäre ich vermutlich unsicher geworden. Eine Liebesgeschichte ohne Happy-End? Eugen Onegin darf nicht gerade als Operneinstieg für Neulinge gewertet werden. Oder etwa doch?

Theater Dortmund - Gebäude -
Theater Dortmund Innenraum

Das Opernhaus überwältigte mich. Der Besuchersaal kam mir riesig vor. Immerhin bietet er knapp 1200 Zuschauern Platz. Eine Bühne hätte ich mir vorher niemals so groß vorgestellt und die spröde Eleganz der Bestuhlung und der zwei Logenränge empfinde ich auch heute noch, nach über 30 Jahren, beeindruckend. Da ich nicht wusste, was ich machen sollte, bis zum Beginn der Vorstellung, setzte ich mich auf meinen Platz in Reihe 1. Direkt vor mir war der Orchestergraben und ich wagte einen Blick hinein. So viele Musiker hatte ich nicht erwartet. Sie spielten sich gerade ein und ich war seltsam aufgeregt. So langsam füllte sich der Besucherraum, die Glocke des Hauses rief das Publikum hinein. In kurzer Zeit füllte sich der große Raum, das Licht wurde langsam abgedunkelt und es entstand ein Moment der Stille. Abgesehen von ein paar gelegentlichen Räuspern und Hüsteln einiger Zuschauer. Kurz danach wurde applaudiert. Den Beginn des Applauses machten die Zuschauer auf den höheren Rängen, der sich dann herunter zog bis zu meiner Sitzreihe. Der Dirigent des Abends war gekommen. Der Vorhang öffnet sich – die Oper begann.

Cenerentola / Foto@Björn Hickmann / Stage Picture/ Oper Dortmund
Cenerentola / Foto@Björn Hickmann / Stage Picture / Oper Dortmund

Die knapp drei Stunden, inklusiv Pause, vergingen wie im Flug. Meine Begeisterung nahm von Minute zu Minute mehr zu. Geradezu überwältigend der Gesamteindruck. Die große Bühne, die kraftvolle, romantische und elegische Musik aus dem Orchestergraben, und dann diese Sängerinnen und Sänger auf der Bühne, die alles überstrahlten. Wie kann ein Mensch nur so laut und gleichzeitig so ergreifend schön singen? Am Ende riefen viele Besucher „Bravo!“ in Richtung Orchester, Dirigent und Sänger. Ganz besonders im Focus der Begeisterung war die Sängerin der Tatjana. Uta-Maria Flake. Eine Dortmunder Sopranistin, die nur wenige Jahre nach dem Triumph viel zu früh verstarb, die ich aber zu den größten Opernmomenten zähle, die ich hatte. In der Oper schreibt Tatjana Eugen Onegin einen Brief, sie will ihm ihre Liebe gestehen. Es ist ein langes Stück Musik aber es ging mir nie mehr aus dem Kopf. „Und wärs mein Untergang„..-die Briefszene der Tatjana- war, wenn ich heute zurückblicke, meine ganz persönliche Initialzündung zum künftigen Opernfan. Und natürlich die sagenhafte Sängerin der damaligen Aufführung, Uta-Maria Flake als Tatjana.

 

Maria Callas singt Suicidio

(Arie der La Gioconda aus der gleichn. Oper von  Amilcare Ponchielli)

Fortan fanden Freikarten der Städtischen Bühnen Dortmund immer einen begeisterten Abnehmer in dem Reisebüro, in welchem ich arbeitete. Und nicht nur dies. Ich wurde auch selbst ein guter Kunde des Theaters. Jetzt wollte ich mehr sehen und hören. Und ich ging in jede Vorstellung, die es gab. Richard Wagner, Verdi, Mozart, Strauß (Elektra..grandios!) und vieles mehr. Meine eigene Plattensammlung wuchs und wuchs. Unzählige Raritäten füllen heute meine Schränke. Gesamtaufnahmen diverser Opern mit legendären Künstlern. Leider sind bei einem Umzug einige dieser Schätze unwiederbringlich abhanden gekommen. Und Fachliteratur – denn schliesslich wollte ich damals wissen, was mich in der jeweiligen Oper erwartete. Unter den Operngesamtaufnahmen befanden sich einige mit der legendären Maria Callas. Ihr Name war auch damals schon ein allgemein bekannter Begriff. War sie doch Bestandteil der internationalen Yellow-Press und des Jet-Sets um den griechischen Milliardär Aristoteles Onassis. Das sie auch, besonders vor dieser Zeit, eine epochale Sängerin gewesen ist, habe ich erst später wahrgenommen.

Maria Callas – Transferred from el.wikipedia

Im Jahre 1982 war ich in Venedig, – und auch erstmals bei den Sommerfestspielen in der weltberühmten Arena di Verona, einer weiteren Wirkungsstätte dieser epochalen Künstlerin-. Dort, wie auch anderswo, suchte ich einen Plattenladen (CD’s gab es damals noch nicht) auf. In dieser von Kunst umwehten Stadt kein Problem, gab es doch an fast jeder Ecke einen solchen Laden. Ich erwarb dort eine Recital-Schallplatte aus den 50-iger Jahren mit der Callas. Wieder daheim in Dortmund angekommen, legte ich sie auf. Am Ende der Seite 1 kam die Arie „Suicidio! … in questi Fieri momenti„. Das haute mich um. Immer wieder hörte ich mir das Stück Musik an und immer wieder Gänsehaut. Das ein Mensch, eine Frau, derart singen kann – es war mir damals unbegreiflich. Die Callas beendet diese Arie mit einem tiefen Ton, der, wie ein Kritiker mal schrieb, sich anhörte und anfühlte, als käme er direkt aus einer Gruft. Diese Aufnahme darf als eine der Sternstunden der Schallplatte (im Bereich der Oper) gewertet werden und ist für mich seither unübertroffen. Die Callas, und ihre vielen Aufnahmen, wurden und sind es noch, zentrale Mittelpunkte meiner Sammlung geworden. Live habe ich sie nicht mehr sehen können. Denn sie hatte ihre besten Jahre zwischen 1952 und 1962. Und doch ist ihre Faszination heute noch weltweit sehr groß. Kein Opernfan kommt an ihr vorbei. Für manche ist sie eine überschätzte Sängerin, für viele andere aber ist „La Callas“ alles. Sie starb 1977 einsam in Paris und lebt doch seither in vielen Einspielungen und Gesamtaufnahmen weiter. Ihre CD’s sind immer noch Verkaufsschlager weltweit. Ihre Stimme fasziniert auf alle Zeit.

 

Ich lade gern mir Gäste ein…

(Couplets des Prinzen Orlofsky aus „Die Fledermaus“ v. Johann Strauss II)

So richtig Spaß macht ein Opernbesuch in Begleitung. Und doppelt so viel Spaß, wenn die entsprechende Begleitung das allererste Mal so einem Event beiwohnt. Und wenn dieser Mensch am Ende begeistert ist – dann hat sich das sanfte Überreden mehr als gelohnt!

Lucian Krasznec (Nemorino), Chor ©Thomas M. Jauk / Stage Picture -Oper Dortmund-
Lucian Krasznec (Nemorino), Chor
©Thomas M. Jauk / Stage Picture -Oper Dortmund-

Im Laufe der Jahre habe ich immer wieder Menschen aus meinem Freundes- und Familienkreis mit in eine Opernaufführung genommen. Auch welche, von denen ich wusste, dass sie, so wie ich vor 1980, mit dieser Kunstform „nichts am Hut“ hatten. Nicht einmal habe ich erlebt, dass einer hinterher sagte „Nie wieder!“, ganz im Gegenteil. Zwar sind nicht alle so opernverrückt wie ich geworden, aber alle ließen sich ebenso beeindrucken und verzaubern, wie es mir bei meinem ersten Opernbesuch erging. Es macht auch Spaß in der Pause und nach dem Ende einer Aufführung jemanden an seiner Seite zu haben, mit dem man sich über das soeben erlebte kritisch austauschen kann. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an ganz bestimmte Momente. Besonders beim Besuch der Opern Madama Butterfly und La Boheme. Plötzlich hatte ich eine weinende Begleitung neben mir sitzen. Und dann braucht es keiner weiteren Erklärung und Worte mehr für mich, wie Musik, wie die Oper, auf Menschen wirkt. Auch auf Menschen, die das erste Mal im Zuschauerraum sitzen.

Ich kann nur für diese Kunstform werben. Geht einmal hinein, lasst Euch beraten und Euch eine Aufführung empfehlen. Lest nicht zu viel vorher darüber oder hört Euch zu viel Aufnahmen von diese Oper an. Jede Aufführung ist anders. Über etwas schimpfen und es ablehnen, was man nicht kennt, ist einfach. Vorbehalte, wegen Kleidung und eventueller Etikette, schnell ablegen. Denn die Welt der Oper, und auch seiner Fans, hat sich verändert. Ist jünger, ist moderner geworden. Die Jeans zur Opernpremiere ist salonfähig geworden. Und auch das Vorurteil „Ich versteh da doch nix!“ gilt nicht mehr, nachdem immer mehr Opernhäuser dazu übergegangen sind, Opern zwar in Originalsprache singen zu lassen, aber bei gleichzeitiger deutscher Textübersetzung, die über der Bühne eingeblendet wird. Zudem ist so ein Abend immer was besonderes! Und was das „Verstehen“ anbelangt: das Herz hört mit!

 

Libiamo ne‘ lieti calici

(Trinklied aus La Traviata, Oper v. Guiseppe Verdi)

Miriam Clark (Norma) ©Bettina Stöß / Stage Picture
Miriam Clark (Norma) ©Bettina Stöß / Stage Picture (Norma-Oper Dortmund)

Unzählige Aufführungen und Premieren habe ich seitdem in Dortmund mit erlebt. Nicht nur dort, auch in Gelsenkirchen, Duisburg, Düsseldorf, Essen Münster oder Köln, um nur die näher liegenden Häuser zu nennen. Aber auch entferntere Häuser in Europa und USA. Klar ist diese Opernbegeisterung keine sehr preiswerte Leidenschaft. Aber man kann sich ja aussuchen, was man gern sehen möchte und mitunter lohnt sich es dann, mal dafür zu sparen. Mittlerweile betreibe ich meine Liebe zur Oper ein wenig professioneller. Mir ist sehr daran gelegen, mehr Menschen in die Theater zu bringen um damit auch ein wenig gegen die Finanzmiseren der, insbesondere NRW-Häuser, deutschen Theater mit zu wirken. Und es macht auch großen Spaß über Premieren zu berichten und die Kritiken nicht nur allein andere schreiben zu lassen.

Emily Newton (Anna Nicole) ©Thomas M. Jauk / stage picture
Emily Newton (Anna Nicole)
©Thomas M. Jauk / stage picture – Oper Dortmund-

Darüber hinaus bin ich glücklich auf diesem Wege einige Künstlerinnen und Künstler kennengelernt zu haben. Miriam Clark, Christina Rümann, Julia Amos, Emily Newton, Christian Sist, Ileana Mateescu oder  Lucian Krasznec, um nur einige zu nennen. Auch durch sie habe ich viel über die Hintergründe des Opernbetriebs erfahren und gelernt, dass es nach wie vor, harte Arbeit ist. Aber eine Arbeit, die diese Menschen aus vollem Herzen gerne tun. Denn nicht alle werden Karrieren wie ein Placido Domingo oder eine Anna Netrebko erleben. Dazu gehört auch immer das ordentliche Quäntchen Glück. Aber sie alle lieben die Oper und leben sie täglich auf der Bühne. Beneidenswert!

Wenn ich nur einen hier neugierig auf die Oper gemacht habe, hat sich mein langer Text gelohnt. Wenn es mehr wären, umso besser! 

 

  •   Zu vielen der im Text genannten bedeutenden Opernhäuser bietet ZEIT-REISEN empfehlenswerte Musikreisen für Opernfans an, auf die ich hier gern verweise

 

 

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