„Fastelovend zesamme“ von Cäcilia Wolkenburg in der Kölner Oper stürmisch gefeiert

Divertissementchen „Fastelovend Zesamme!“ -2023/ Foto @ Thomas Brill

200 Jahre Karneval in Köln feiert die Spielvereinigung Cäcilia Wolkenburg, genannt „Zillche“, mit einem Feuerwerk von Opernparodie, Ballett und schmissigen Karnevals- und Popsongs in der Oper Köln. Die 94 Darsteller sind alle Mitglieder des traditionsreichen Kölner Männergesangsvereins, die Sprache ist Kölsch. Seit 1874 gibt es diese Kultveranstaltung mit Männern in Frauenrollen und Männerballett im Kölner Opernhaus. „Fastelovend zesamme“ wird vom WDR3 aufgezeichnet und am Karnevalssamstag, dem 18.2.2023 um 11.00 Uhr im WDR-Fernsehen gesendet. (Gesehene Vorstellung: Pressepreview am 20.1.2023)

 

 

Es ist eine wilde hochmusikalische Mischung aus Opernparodie, Musical, Kabarett und Tanzrevue mit den Bergischen Symphonikern und Westwood Slickers unter Thomas Guthoff, bei der klassische Melodien plötzlich in Karnevalshits umschlagen und ein aufwändig kostümiertes Männerballett auftritt. Es gab Übertitel, bei denen die kölschen Liedtexte zum Mitsingen eingeblendet wurden, und dezente Headsets, die Gesang und Sprache genau über dem Darsteller übertrugen.

Die 94 Mitwirkenden zogen ihr Publikum als Sänger und Tänzer in bezaubernden Kostümen aus der Biedermeierzeit in ihren Bann. Nach zwei harten Jahren, in denen Corona Chorgesang und die Spielgemeinschaft „Zillche“ ausbremste, zogen sie diesmal alle Register, um ihre Version des Gründungsmythos des Kölner Karnevals, der in einem Atemzug mit dem in Venedig und dem in Rio genannt wird, auf die Bühne zu bringen. In der Tat liegt der Erfolg in der Mischung von kölschem Spaß an der Freud´ und preußischer Regulierungswut, die dem Karneval in Köln seine Form gibt.

Divertissementchen „Fastelovend Zesamme!“ -2023/ Foto @ Thomas Brill

Die Entstehungsgeschichte des ersten Kölner Rosenmontagszugs am 10. Februar 1823 war Gegenstand des „Divertissementchens“ in der Kölner Oper. Das Rheinland war seit acht Jahren preußisch besetzt, die Ausschweifungen der einfachen Leute vor Aschermittwoch hatten ein solches Ausmaß angenommen, dass die preußische Besatzung sie kurzerhand verbot, und eine Truppe zur Überwachung schickte, während die „besseren Bürger“ sich zu vornehmen Maskenfesten hinter verschlossenen Türen trafen. In dieser Situation gründeten sich 1823 die Roten Funken als Persiflage auf die Kölner Stadtsoldaten.  Die „helligen Knäächte und Mägde“ als Tanzcorps sollten alte Traditionen wieder beleben, die „Große Kölner KG von 1823“ als Karnevalsverein Kölner Bürger beteiligen. Strippenzieher war das „Festordnende Comitée“, besetzt mit einer Teilgruppe der Großen Kölner KG, das die Organisation des Karnevalsfests mit einem Umzug und anschließendem Ball übernehmen sollte. Die soziale Frage – die Teilnahme am Zug sollte drei Taler, den Wochenlohn eines Arbeiters, kosten- wurde nicht ausgespart und kontrovers diskutiert.

Das Projekt drohte zu scheitern, als die 50 roten Funken ihren Fahneneid – natürlich im Chor gesungen – öffentlich ablegten und der preußische Oberbefehlshaber an das Verbot von Uniformen und Waffen erinnerte.

Divertissementchen „Fastelovend Zesamme!“ -2023/ Foto @ Thomas Brill

Die Genehmigung des Projekts musste beim preußischen König Friedrich Wilhelm III. eingeholt werden. Dazu reisten vier Kölner Frauen nach Berlin. Kabarettistisches Highlight war die Ministerriege, die nach dem großen Preußenchor mit „Preußens Gloria“ aktuelle Themen der Zeit diskutierte und dabei Bayern, Preußen und das Bundeskabinett kräftig durch den Kakao zog.  Das Rheinland sei ja eigentlich Frankreich und im Kriegsfall ohnehin nicht zu halten, Szenenapplaus für Minister Klabautermann und Kanzler Schulz. Im Endeffekt lehnten die Minister das Kölner Projekt ab. Da erschien der König Friedrich Wilhelm, der als Souverän die einzige Bedingung stellte, dass die Roten Funken Blumen in ihren Holzgewehren tragen sollten, und den Zug genehmigte.

Höhepunkt des dritten Akts war der Karnevalsumzug mit dem nachgebauten Festwagen mit dem „Held Carneval“ von 1823, den helligen Knäächten und Mägden und den Roten Funken, bei dem allen im Publikum das Herz aufging.

„Mer all stonn zesamme, / of ärm oder rich, / mer sin Fastelovend / un fiere met üch / ov krüzz oder quer, ov Knäcch oder Här, / mer losse nit, mer losse nit vum Fasteleer.“

Dieses Lebensgefühl vermittelt Cäcilia Wolkenburg mit allen Mitteln des Musiktheaters, der Revue und des Kabaretts.

Divertissementchen „Fastelovend Zesamme!“ -2023/ Foto @ Thomas Brill

Regie und Buch waren wieder bei Lajos Wenzel in einer Hand. Die Gesamtleitung verantwortet Jürgen Nimptsch, Baas (Leiter) der Spielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg. Lajos Wenzel wird im Sommer 2023 Intendant des Stadttheaters Trier und hat mit den Liedtexten von Johannes Fromm und Manfred Schreier, dem musikalischen Arrangement von Thomas Gutjahr und der Choreographie von Jens Hermes Cédileau und Karin Bachmann ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk geschaffen, mit dem das Publikum sich identifizierte. Es ist eine Hommage an die Traditionsgesellschaften von 1823 und ein besonderes Geschenk an die Roten Funken, denen das Herz aufgehen muss, wenn sie ihren Fahneneid und ihre Erkennungsmusik vom Kölner Männergesangsverein gesungen erleben.

Die Kulissen, Altstadt Kölns und ein Bürgerhaus, von Thomas Grasshof konnten vom Vorjahr (Napoleon en Kölle) übernommen werden, lediglich ein Prospekt vom Brandenburger Tor war neu dazugekommen.

Dafür mussten umso mehr Kostüme (Judith Peter mit Ute Hafke und Eva Zaß) geschneidert werden, unter anderem 50 rote Funken-Uniformen, die historischen Kostüme der helligen Knäächte un Mägde, jede Menge fantastische Ballettkostüme im Revuestil sowie die ganzen aufwändigen Biedermeierkleider und -Anzüge.

Divertissementchen „Fastelovend Zesamme!“ -2023/ Foto @ Thomas Brill

Musikalisch kommt alles vor von Vivaldi bis Kasalla, von Mozart bis Karl Berbuer, Lortzing bis Bläck Fööss. Das Ärzte-Ensemble „Jott en Wiess“ spielte mit „Doktor Pillemann“ einerseits auf auf den Medizinerball an, nahm aber auch den Dünkel der Ärzte aufs Korn. So stellte sich das Bürgertum den Karneval vor. Beim Auftritt der Beueler Wäscherinnen, die Wieverfastelovend mit der Erstürmung des Beueler Rathauses durch die Weiber erfunden haben, spielte man den „Waschsalon“ von BAP, und der erste Prinz sang auf die Melodie von Wicky Junggeburth sein Solo als „Held Karneval“.

Natürlich war das Mariechen der Roten Funken ein Mann mit Bart, der den Original-Mariechedanz der Roten Funken tanzte. Als Kölner Karnevalist kannte man die Melodien, ergötzte sich an den pfiffigen Umdichtungen und konnte vieles dank der kölschen Übertitel mitsingen.

Frenetischer Applaus und stehende Ovationen des teils kostümierten Publikums belohnten den ehrenamtlichen Einsatz der Darsteller und Musiker, die offensichtlich bei diesem gut dreistündigen Spektakel mit viel Spaß an der Freud´ dabei waren.

„Wir als Theaterleute wissen, was es heißt, ein solches Werk zu entwickeln und auf die Bühne zu bringen, deshalb ist es uns eine wahre Freude, das ‚Zillche‘ nach Kräften zu unterstützen und strahlen zu lassen,“ so Intendant Hein Mulders in seinem Grußwort im Programmheft. Für einige der 29 folgenden Vorstellungen gibt es noch Restkarten, die am Wochenende sind jetzt schon ausverkauft.

 

 

 

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