Kurzweilig und albern: „Die Zauberflöte“ an der Oper Leipzig
Eine Inszenierung der Zauberflöte KV 620, die diesem vielschichtigen Werk sowohl musikalisch als auch visuell gerecht wird, scheint fast unrealisierbar. Von der Uraufführung am 30. September 1791 im Theater im Freihaus auf der Wieden in Wien sind keine Abbildungen überliefert. Die frühesten Bühnenbilder für Aufführungen der Oper wurden von Karl Friedrich Schinkel (1816) und Simon Quaglio (1818) nach dem Tod von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) und des Librettisten Emanuel Schikaneder (1751-1812) angefertigt. Da weder vom Komponisten noch vom Librettisten visuelle Eindrücke vorliegen, ist es schwer zu bestimmen, wie sie die Figuren und die Kulissen aussehen lassen wollten. (Rezension der besuchten Vorstellung v. 19.11.2023)
Bei der Uraufführung wurde Die Zauberflöte als „Eine große Oper in zwei Akten“ genannt. Diese „teutsche Oper“, wie Mozart es bezeichnete, besteht aus einer Mischung aus Opera seria, Opera buffa und märchenhaften Singspiel mit spektakulärer Bühnentechnik. Deutlich ist, dass Mozart und Schikaneder ihre Volksoper so konzipiert haben, dass sie den Geschmack eines vielfältigen Publikums anspricht.
Die Zauberflöte war eine Zusammenarbeit zwischen Mozart und Schikaneder, was bedeutet, dass Text und Musik in einem Konzept zusammengehören. Die meisten Produktionen sowie Audio- und Videoaufzeichnungen enthalten gekürzte oder „modernisierte“ Dialoge zwischen den Musikstücken. In der Inszenierung, die ich am 19. November 2023 in der Oper Leipzig gesehen habe, wurde der gesprochene sowie der gesungene Texte verändert. Die literarischen und politisch-ideologischen Perspektiven der Regisseure bestimmen in der Regel, wie der gesprochene Text präsentiert wird. Ein Publikum, das diesen Eckpfeiler des deutschen Opernrepertoires studiert hat, geht ins Theater, um Mozarts und Schikaneders Werk zu erleben, und nicht, um Zeit mit der Weltsicht eines Regisseurs zu verschwenden. Die zahlreichen Zensurmaßnahmen bei dieser Inszenierung der Zauberflöte erinnern an die Ausgaben von William Shakespeares Dramen aus dem 19. Jahrhundert, wie zum Beispiel „The Family Shakespeare“, bei denen als anstößig empfundene Aspekte entfernt wurden. Einer der ungeheuerlichsten und lächerlichsten Fälle von Zensur betrifft das Duett von Pamina und Papageno im ersten Akt („Bei Männern, welche Liebe fühlen“). Die Ersetzung von „Mann und Weib“ durch „Mann und Frau“ verdient nichts mehr als Kopfschütteln und Gelächter. Es gab viele andere ähnliche, wenn auch weniger offensichtliche Fälle von Zensur, die beweisen, dass viele engstirnige Menschen Wertesysteme nicht begreifen können, die nicht mit ihren eigenen übereinstimmen.
Die Inszenierung von Matthias Davids (Bühne und Video: Mathias Fischer-Dieskau) hat einige Vorzüge, vor allem, weil sie die Handlung in Gang hält. Die Darsteller bewegten sich ständig und gingen aufeinander ein, sodass die Szenen fließend ineinander übergegangen sind. Die Spiegel mit ihren Implikationen für die verschiedenen Arten der Reflexion, die wechselnden Farben, die zur Stimmung der jeweiligen Szene passen, und der Einsatz von Videotechnik zur Darstellung von Aspekten der Geschichte (zum Beispiel die riesige Schlange, die Tamino in der Eröffnungsszene jagt), die sich mit traditionellen Mitteln nur schwer überzeugend darstellen lassen. Die schauspielerische Leistung war im Allgemeinen ansprechend und unterhaltsam, auch wenn Tamino und Papageno verpflichtet waren, ihre Aufregung, Angst und Freude bis zur Absurdität zu übertreiben. Der Aspekt dieser Inszenierung, der mich am meisten beeindruckt hat, ist die Erkenntnis des Regisseurs, dass die Königin der Nacht nicht nur eine wütende, böse Frau ist, wie sie oft dargestellt wird. Es ist schade, dass der original Dialog dieser Oper nicht vollständig gesprochen wurde, denn die Königin erklärt Pamina im zweiten Akt vor ihrer Arie „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“, warum sie Pamina fordert, Sarastro zu töten.
Was die einzelnen Sänger betrifft, so war der Tenor David Fischer stimmlich ein viriler, jugendlich klingender Tamino. Ich habe Fischers Auftritt als Agenore in Il re pastore bei den Salzburger Festspielen im August 2023 positiv rezensiert. Seine stimmliche Leistung erinnerte daran, dass Tamino schon in der Anfangsszene viel mehr ist als ein Feigling, der vor der Gefahr flieht. Im Laufe der Prüfungen, die er von Sarastro und den Priestern zu bestehen hat, schwinden seine Naivität und sein Ungestüm. Einer von Fischers Erfolgen des Abends war seine Interpretation der Arie „Dies Bildnis ist bezaubernd schön“ aus dem ersten Akt, die Taminos Leidenschaft und Zärtlichkeit zeigte.
Die Sopranistin Olena Tokar war eine weltgewandte Pamina, die die Führung über Tamino übernahm, vor allem vor den Prüfungen von Feuer und Wasser im zweiten Akt. Paminas Arie „Ach, ich fühl’s, es ist verschwunden“ im zweiten Akt hatte eine gewisse Verletzlichkeit und Unschuld, sowie auch ein Gefühl von Verlust und Schmerz. Tokars größte Leistung des Abends war ihre erste Begegnung mit Papageno, in der sie seine närrischen Fragen über ihre Ähnlichkeit mit dem Porträt zurückwies und ihn dazu brachte, seine eigene Traurigkeit über das Fehlen einer Freundin zu gestehen.
Die Königin der Nacht ist schwer objektiv zu beurteilen, da die Rolle von mehreren hervorragender Sopranistinnen besetzt wurde, die mit den teuflisch schwierigen hohen Tönen und Koloraturen umgehen können. Zu den großartigen klassischen Interpretationen gehören Wilma Lipp, Rita Streich, Lucia Popp, Edita Gruberová und Edda Moser. In den letzten Jahrzehnten sind einige Auftritte hervorzuheben, beispielsweise die von Erika Miklósa, Diana Damrau und Anna Simińska. Von allen Königinnen, die ich auf der Bühne gesehen habe, war es Simińska an der Berliner Staatsoper und der Oper Leipzig, die nicht nur die technischen Schwierigkeiten meisterte, die mit den beiden Arien verbunden waren, sondern auch die Verletzlichkeit und das Gefühl der Ungerechtigkeit der Figur verkörperte, die ihr zugrunde lagen, ihre Wut auf Sarastro. Julia Sitkovetsky, die die Rolle in dieser Aufführung übernahm, porträtierte eine hochmütige Königin, die gerne mit den Fingern schnippte und anderen Befehle erteilte. Ein Teil dieses Temperaments mag der Figur innewohnen, aber sie ist viel komplexer. Die beiden Arien, „Zum Leiden bin ich auserkoren“ und „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“, schienen Sitkovetsky kaum Schwierigkeiten zu bereiten.
Der Papageno des Baritons Jonathan Michie ähnelte der Personifikation des Mozart durch Tom Hulce in Miloš Formans Film Amadeus aus dem Jahr 1984. Michie, den ich im Januar 2023 als Don Giovanni rezensiert habe, verkörpert zweifellos die witzige, hanswurstige Seite der Figur des Papageno. Sein Schauspiel und seine Dialoge, die den Eindruck erweckten, natürlich und extemporiert gesprochen zu sein, brachten das Publikum mehrmals zum Lachen. Gleichzeitig schien er sich bewusst zu sein, dass hinter diesem Jedermann viel mehr steckt als nur ein Narr: Papageno hat eine tiefe Traurigkeit an sich und sucht aufrichtig die Liebe einer Frau. Wenn das Libretto von Schikaneder vollständig gesprochen wird, wird klar, dass Papagenos leichtfertige Ablehnung der Suche nach Aufklärung nicht so einfach ist, wie es scheint. Eigentlich ist es Papageno, der weiß, dass „Weisheit“ (oder das Streben danach) kein Garant für Glück während des Lebens ist. Interessanterweise ist er die einzige Hauptfigur, die nicht in den Konflikt zwischen der Königin der Nacht und Sarastro verwickelt ist (er wird von den Priestern gezwungen, sich bestimmten Prüfungen zu unterziehen, bevor er freigelassen wird). Michies Auftritt, insbesondere seine Auseinandersetzung mit den Priestern, betont einen wichtigen (und oft übersehenen) Punkt. Wenn Papageno kooperiert und alle Prüfungen bestanden hätte, wie konnte er davon profitieren? Sarastros Dialog zu Beginn des zweiten Aktes im Libretto macht deutlich, dass er Tamino zu seinem Nachfolger machen will. Wäre Papageno eingeweiht worden, wäre er einer von vielen namenlosen Priestern geworden und damit für den Rest seines Lebens der Herrschaft von Tamino und Pamina unterworfen gewesen.
Als Sarastro verfügt Yorck Felix Speer über eine kraftvolle, tiefe Bassstimme, die ideal für Osmin, Hunding oder Hagen wäre. Sarastro erfordert jedoch mehr Wärme und Mitgefühl, als Speer in diesem Zusammenhang zu vermitteln vermochte. Ein Teil der Schwierigkeit mag in der Entscheidung liegen, den von Schikaneder geschriebenen gesprochenen Dialog, in dem Sarastro die Möglichkeit hat, sich selbst und seine Absichten auszudrücken, weitgehend zu verändern. Die Arien entsprechen dem gesprochenen Text (wenn man ihn weglässt, kürzt oder bearbeitet, verändert sich der gesamte Kontext dessen, was gesungen wird, und damit auch das Verständnis des Publikums für die Figur.
In der Rolle des Sprechers zeigte der Bass Tuomas Pursio ein Maß an Mitgefühl, das der Figur innewohnt, aber oft nicht zum Ausdruck gebracht wird. Diese Figur muss rätselhaft und doch fürsorglich genug sein, um Taminos Interesse zu wecken, um Sarastro und den Priestern eine Chance zu geben (wenn der Sprecher zu herrschsüchtig ist, dann wäre Taminos logische Reaktion gewesen, sofort wegzugehen). Monostatos wurde vom Tenor Eberhard Francesco Lorenz als einsamer, verzweifelter „Alter“ dargestellt, der sich hoffnungslos zu Pamina hingezogen fühlt.
Die Koloratursopranistin Amelie Petrich interpretiert Papagena als eine sympathisch junge Frau, die dazu bestimmt ist, Papageno zu heiraten. Die drei Damen (Olga Jelínková, Kathrin Göring und Ulrike Schneider) waren witzig, verführerisch und sarkastisch. Ihre Persönlichkeit wäre deutlicher zum Ausdruck gekommen, wenn es ihnen gestattet worden wäre, Schikaneders Dialog zu sprechen. Beispielsweise ist der Satz „Steine sind schlecht für die Zähne“ (1. Akt, 1. Szene), den Papageno und die erste Dame in dieser Inszenierung sprachen, idiotisch. Etwaige vermeintliche literarische Schwächen in Schikaneders Text sind weitaus weniger peinlich als die für diese Inszenierung geschaffene Dialogfassung. Die drei Priester wurden von Peter Dolinšek, Sven Hjörleifsson und Vincent Turregano übernommen; die zwei geharnischten Männer wurden von Sven Hjörleifsson und Peter Dolinšek gesungen. Die drei Knaben wurden von Ceano Hall, Arthur Geisler und Hannes Becker verkörpert. Michael Chu, Ruben Olivares und Vincent Turregano haben die drei Sklaven gespielt.
Unter der Leitung von Jonathan Darlington hat das Gewandhausorchester mit recht frischen Tempi und Prägnanz gespielt. Darlington weist in den Programmhinweisen mit Recht darauf hin, dass sich die Musik selbst in den ergreifenden Momenten (beispielsweise in Paminas Arie „Ach, ich fühl’s, es ist verschwunden“ im zweiten Akt) nicht schleppen sollte. Es war auch eine richtige Entscheidung, die dritte Strophe der ersten Arie des Papageno „Der Vogelfänger bin ich ja“, die Mozart nicht selbst vertont hat, wegzulassen. Darlington zeigte, dass er diese Partitur beherrscht, und sein Dirigat war in vielerlei Hinsicht der Höhepunkt dieser Aufführung. Der Chor der Oper Leipzig sang seine Vorträge leidenschaftlich und war maßgeblich an der Spannung des Geschehens beteiligt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich um eine unterhaltsame Inszenierung handelt, die dem Publikum im ausverkauften großen Saal der Oper Leipzig sichtlich gefallen hat. Um Grundverständnis für dieses Meisterwerk zu gewinnen, ist es notwendig, das Libretto vollständig zu lesen, idealerweise durch einen Vergleich dessen, was Schikaneder im gedruckten Buch geschrieben hat, mit den Änderungen, die Mozart in der autographen Partitur vorgenommen hat. Das Libretto steht seit der frühen Rezeptionsgeschichte der Oper in der Kritik (kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe nahm für die Aufführung in Weimar im Jahr 1794 einige Anpassungen vor). Textänderungen selbst durch die begabtesten Autoren verschleiern die ursprüngliche Bedeutungen in diesem vielschichtigen Werk.
- Rezension von Dr. Daniel Floyd / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Oper Leipzig / Stückeseite
- Titelfoto: Oper Leipzig/ DIE ZAUBERFLÖTE/Foto @ Tom Schulze