
Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft. (Zitat von Friedrich E.D. Schleiermacher (1768-1834)
Dortmunder Premiere am 26. März 2017
Besuchte und rezensierte 2. Vorstellung der Oper vom 1.4.2017
Die Handlung: Otello, der Befehlshaber der venezianischen Flotte, hat nicht Jago, sondern Cassio zum Hauptmann befördert – weshalb Jago beschließt, Otello zu vernichten. Jago startet eine perfide Intrige und weckt Otellos Eifersucht. Bewußt zerstört er das Glück des Feldherrn mit seiner geliebten Ehefrau Desdemona. Otello, der gefeierte „Löwe von Venedig“, zerbricht an seiner quälenden Eifersucht: Er erwürgt Desdemona und tötet sich anschließend selbst mit einem Dolch. Ursprünglich sollte die Oper „Jago“ heißen, Verdi fand den Titel dann doch unangemessen: „Er ist der Dämon, der alles bewegt, aber Otello ist der, der handelt – er liebt, ist eifersüchtig, tötet und tötet sich selbst.“ In der Dortmunder Inszenierung ermordet Otello seine Frau mit mehreren Dolchstichen. (Uraufführung 1887 am Mailänder Teatro alla Scala)
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Die Handlung und ihre szenische Umsetzung
Nur eines Taschentuches bedurfte es, um Otello, den vom Volk gefeierten und verehrten „Löwen von Venedig“, zu einem räudigen Hund werden zu lassen, der getrieben von Minderwertigkeitskomplexen, fehlendem Selbstbewusstsein und daraus resultierender sinnloser Eifersucht all das zerstört, was den Nimbus des Königs der Tiere ausmacht. Otello ist das Seelenbild eines einst mächtigen Mannes und Kriegsherren, der von Zweifeln an sich und seiner Umwelt zerfressen ist, der Realitäten nicht mehr erkennt und dessen am Ende destruktives Verhalten in einen Strudel von Gewalt und völligem Kontrollverlust mündet. Es benötigte nur der Intrige eines listigen Schurken seines Umfelds, Jago, um den großen Otello zu Fall zu bringen. Doch auch Jago steht am Ende nicht als Sieger da. Vielmehr ist er der eigentliche Verlierer im gierigen Hahnenkampf um Macht und Ansehen beim Volk. Wie eine Schlange verspritzt er sein todbringendes Giftgemisch aus Lügen, Intrigen und Gerüchten. Und es trifft. Und es wirkt augenblicklich. Es zerfrisst und zerreißt sein Opfer Otello ab dem ersten Moment an von innen. Gegen dieses Gift gibt es kein wirkliches Gegenmittel.

©Thomas Jauk, Stage Picture
Regisseur Jens-Daniel Herzog setzt mit seiner Inszenierung der Oper OTELLO an dieser inneren Zerrissenheit an. Und wie so oft bei ihm macht er es drastisch, macht er viel. Er beschönigt nichts. Eher verstärkt er mit seinen Bildern noch die seelische Pein der handelnden Personen dieser Tragödie nach William Shakespeare. Otello ist vom ersten Augenblick an ein Getriebener und schnell erkennt sein vermeintlicher Gegenspieler Jago welch willfähriges Opfer sich ihm mit dem vom Volk so verehrten „Löwen von Venedig“ bietet. Da brauchte es nur einer simplen, aber letztlich todsicheren, Intrige um ihn von seinem Sockel stürzen zu lassen.
Otellos Achillesferse ist seine geliebte Desdemona. Aus dem schwachen Lüftchen einer bösartig dahingesagten Verleumdung, sie sei Otello mit dessen Hauptmann Cassio untreu, entfesselt sich ein psychologischer Hurrican. Ein nahezu dämonischer Hurrican, der nur in Gewalt enden kann und sinnlose Zerstörung hinterlässt. Das setzt Herzog in zumeist beeindruckender Bildersprache in weiten Teilen seiner Inszenierung um und eben das macht seine Regiearbeit zu diesem Werk so interessant.
Ein Ansatz den Sinn und die Aussagen dieser Tragödie zeitlos zu interpretieren ist es allemal. Denn die Dortmunder Inszenierung spielt in einer gegenwärtigen Epoche, in einem sterilen lichtdurchflutet-weißen Raum, der menschliche Gefühle ausfiltert (Bühnenbild/Kostüme/Licht: Mathis Neidhardt/Sibylle Gädeke/Ralph Jürgens) und nur die pathologisch-destruktiven in sich konserviert und in dem es nur eine weitere dominante Farbe geben kann: Rot. Die Farbe des Feuers und des Blutes.
Und doch ist bei aller inszenatorischen Deutung des Opernstoffes durch Herzog nicht auch alles gleich schlüssig. Ist sein Otello im vierten Akt einem wahren Blutrausch verfallen, so wartet er dann doch erst Desdemonas Gebet ab, um ihr dann nach mehreren zuvor erfolgten, den finalen und todbringenden Stich zu versetzen. Und wenn Otello sich nach dem Mord an seiner Frau selbst richtet – und dies ist nun einer der emotionalsten Momente dieser Oper – lässt er Jago vom Zuschauerraum aus jede Geste, jeden Satz Otellos, offenbar verhöhnend, pantomimisch nachäffen. Mit einem so begabten Sänger-Darsteller, wie es Sangmin Lee als Jago nun einmal ist, hätte diese finale Szene mit weitaus weniger Gestik durchaus ein Mehr an emotionaler Wirkung erzielen können. Allein schon durch Lee’s teilweise dämonisch zu nennender Mimik und seine so bewusst eingesetzte Körpersprache.

Das der Chor zu Beginn und am Ende der Oper vom Zuschauerraum – fast wie ein Publikum an der eigenen Tragödie – agierte, ist wiederum ein gern genutzter Regieeinfall, das eigentliche Opernpublikum verstärkt in die Handlung mitzunehmen, ja mit einzubeziehen. An dieser Stelle seien der Chor und Extrachor des Theater Dortmunds, unter der künstlerischen Leitung von Chorchef Manuel Pujol, für ihre wieder einmal herausragende Gesamtleistung ausdrücklich lobend erwähnt.
Die sängerische und musikalische Umsetzung des Dortmunder Otello
In der gestrigen Vorstellung war mit Lance Ryan die Titelrolle des Otello glänzend besetzt. Wie er den getroffenen und psychisch immer schwächer werdenden Mann spielte war höchst beeindruckend. Mit ungeheurer Bühnenpräsenz und großem Körpereinsatz interpretierte er diese so anspruchsvolle Verdi-Tenorpartie schauspielerisch und stimmlich überzeugend. Mit Sangmin Lee stand ihm ein Gegenspieler von gleichem Format gegenüber. Allein dessen „Credo in un Dio crudel“ aus dem II. Akt war von einer solchen gesanglichen und darstellerischen Intensität, dass sich allein dafür der Besuch der Oper schon lohnt. Wieder einmal eine große Gesamtleistung des beliebten Dortmunder Baritons.

Wie sehr hatte sie sich im Vorfeld auf diese Rolle gefreut und wie ergreifend hat sie diese letztendlich auf der Bühne umgesetzt: Emily Newton als Desdemona. Sie, die in dieser Inszenierung die einzig ehrliche und zutiefst menschliche Partie darzustellen hatte, darf dieses Rollendebüt als weiteren persönlich-künstlerischen Erfolg für sich verbuchen. Die naive Verletzbarkeit der jungen Desdemona als auch ihren im Finale der Oper so beherzt geäußerten Wunsch leben zu dürfen, sang und spielte Frau Newton in außerordentlicher Weise.
Die Dortmunder Mezzosopranistin Almerija Delic gab der Figur der Emilia, der Ehefrau Jagos, großes stimmliches und szenisches Format. Was für eine bemerkenswerte Stimme, die sogar in dieser relativ kleinen Rolle derart aufhorchen lässt!
Den vermeintlichen Geliebten Desdemonas, Cassio, sang Marc Horus überzeugend und stilsicher. Das gilt auch in gleicher Weise für die Sänger der weiteren Rollen, Roderigo, Ludovico, Montano und dem Herold. In dieser Reihenfolge seien Fritz Steinbacher, Karl-Heinz Lehner, Luke Stoker und Youngbin Park genannt.

GMD Gabriel Feltz hatte die musikalische Leitung des Abends in seinen Händen. Und wieder einmal war zu spüren und zu erleben, wie Dirigent und Werk eine künstlerische Einheit bilden können und einen Opernabend zu einem musikalischen Ereignis werden lassen. Feltz lässt einen fesselnden, brausenden, mächtigen und doch auch immer wieder innigen Verdi spielen und weiß in den Dortmunder Philharmonikern ein dafür exzellentes Orchester an seiner Seite. Akustisch beeindruckend auch die eingesetzten Blasinstrumente, die von den Rängen aus in den Saal schallten. Für mich einer der ganz großen Abende des Dortmunder GMD Feltz der letzten Zeit.
Fazit: Der Dortmunder OTELLO ist musikalisch, als auch in weiten Teilen szenisch, von bedrückender Intensität. Nach der gefeierten La Traviata ist der Oper Dortmund nun mit diesem Otello ein weiterer beachtlicher Verdi-Wurf gelungen!
© Detlef Obens/Das Opernmagazin-2.4.17-
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*Titelfoto: Marc Horus (Cassio), Karl-Heinz Lehner (Ludovico), Emily Newton (Desdemona), Lance Ryan (Otello)
©Thomas Jauk, Stage Picture