
Bereits bei der Uraufführung, im Jahre 1879 vor kleinem Publikum im Moskauer Konservatorium und im Jahre 1881 im Bolschoi Theater, kündigte sich der Erfolg dieser mit Lyrische Szenen untertitelten Oper an. Die Vorlage für die Handlung dieser Oper basiert auf dem Versroman „Eugen Onegin“ von Alexander Puschkin, einem der wichtigsten Werke der russischen Literatur. Die Oper ist in den Jahren 1823-1831 unter schwierigsten Umständen des Autors entstanden. Verbannung, Zensur und die Cholera-Epidemie verzögerten die Fertigstellung dieses Versepos. (Rezension der Vorstellung vom 2. Februar 2025)
Es ist die Geschichte einer Liebe, in deren Mittelpunkt die Schicksale von Eugen Onegin, dessen bestem Freund Lenski und der Schwestern Tatjana und Olga stehen. Es ist die Geschichte einer unerfüllt gebliebenen Liebe mit einem dramatischen Ende. Im übertragenen Sinne fühlte Tschaikowsky sein eigenes Leben in dieser Geschichte widergespiegelt, sah er sich doch selbst wegen seiner damals tabuisierten Neigung in eine unglückliche und schließlich gescheiterte Ehe gedrängt. Regisseur Árpád Schillings Inszenierung lässt seine eigenen Erfahrung in seinem Heimatland Ungarn durchschimmern, wo vor dem Fall der Sowjetunion die sozialistische Diktatur geherrscht hatte und nach dem politischen und sozialen Systemwandel die kapitalistische Demokratie Einzug gehalten hatte. Juli Balázs verdeutlicht dies mit seinem Bühnenbild.

Zu Beginn befinden wir uns in einer von vielen Laubpflanzen umgebenen Lichtung, wo die Familie von Tatjana einen Verpflegungs-Pavillon führt und wo die vom Feld kommenden Bauern (in dieser Inszenierung eine Touristengruppe), den Abschluss der Ernte feiern. Hier kommt es dann auch zur ersten Begegnung zwischen Tatjana und dem Nachbarn Eugen Onegin, in welchen sie sich sofort verliebt. Onegins bester Freund Lenski ist in Olga, Tatjana’s Schwester, verliebt. Als die Nacht hereinbricht, ist Tatjana aufgewühlt und will Ihre Gefühle in einem Brief an Onegin zum Ausdruck bringen. Hier werden Emotionen in Text und Musik zu einem Glanzpunkt der Oper. Am Morgen erscheint Onegin und erteilt Tatjana eine klare Absage und lässt die enttäuschte Tatjana verzweifelt zurück.
Anlässlich Tatjanas Namenstag wird ein Fest gefeiert, zu welchem Lenski seinen Freund Onegin mitnimmt. Onegin fordert Olga zum Tanz auf und wird vom eifersüchtigen Lenski argwöhnisch beobachtet. Olga belächelt diese Eifersucht und macht sich über Lenski lustig. Es kommt zu einem Streit der beiden, bis Lenski Onegin zum Duell auffordert. Am darauffolgenden Morgen wartet Lenski auf Onegin, welcher mit seinem Sekundanten verspätet eintrifft. Für einen Moment erfasst die beiden die Erinnerung an Ihre Freundschaft und es scheint, als könnte das schlimmste noch verhindert werden. Doch Lenski ist dazu nicht bereit und wird beim Gefecht von Onegin tödlich getroffen. Jahre später begegnen sich im großstädtischen St. Petersburg auf einem Ball erneut Tatjana und Onegin. Tatjana, inzwischen mit Fürst Gremin, einem Vetter von Onegin, verheiratet und dadurch eine Dame der Gesellschaft geworden, wird durch Ihren ahnungslosen Ehemann Onegin vorgestellt. Onegin ist sofort fasziniert und verliebt sich voller Leidenschaft in Tatjana.
Als die beiden alleine sind, gesteht Onegin seine Liebe und bereut seine Zurückweisung vor Jahren. Tatjana traut ihm nicht, aber trotzdem gesteht sie Onegin ihre nie erloschene Liebe. Sie jedoch ist entschlossen, ihrem Ehemann treu zu bleiben und lässt den verzweifelten Onegin zurück.

Árpád Schilling verwendet bis zur Pause immer dasselbe Bühnenbild und erst zum Ende der Oper wird die Waldlichtung in einen nüchternen Ballsaal verwandelt. Bei dieser Inszenierung verkommt der Walzer zu einer Schüleraufführung, wo sich eine Schar von sich ungelenk bewegender Menschen auf der Bühne tummelt. Beim Ball im dritten Akt werden wir Zeuge eines an eine Modenschau erinnernden Kostümfests, wo man miterleben muss, was alles nebst Eleganz gleichzeitig mit viel Plastik angestellt werden kann (Kostüme Axel Aust). Die Chorszenen, choreografiert von Craig Davidson, wirken wenig inspiriert. Gesanglich war der von Zsolt Czetner einstudierte Chor und Extractor der Bühnen Bern jedoch absolut hörenswert.
Die musikalische Seite überzeugt hingegen um Längen und vermochte das Publikum zu begeistern.
Unter der Leitung der in Krakau geborenen Dirigentin Anna Sulkowska-Migoń spielte das Berner Sinfonieorchester hervorragend. Einige unsaubere Bläsereinsätze vermochten den guten Gesamteindruck nicht zu schmälern. Hier wird das Schwelgerische, wie auch das Dramatische dieses großartigen Werkes ein Hörerlebnis im besten Sinne des Wortes.
Die Solisten dieser Aufführung verdienen großes Lob. Verity Wingate als Tatjana gelingt es aufs schönste, die Verliebtheit und Verzweiflung der durch sie verkörperten Figur gefühlvoll und höhensicher zu interpretieren. Die große Briefszene wurde zu einem Höhepunkt der Aufführung.
Die Rolle der Olga musste kurzfristig wegen Erkrankung umbesetzt werden. Deniz Uzun bot trotz der sehr kurzen Probezeit eine großartige Leistung. Sie ist mit Stimme und Spiel eine Idealbesetzung dieser Partie und konnte jederzeit überzeugen. Claude Eichenberger als Mutter Larina und Jordanka Milkova als Filipjewna liessen zu Beginn des ersten Aktes aufhorchen und vermochten zu überzeugten.

Jonathan McGovern als Eugen Onegin besitzt eine sehr flexible Baritonstimme, welche es ihm erlaubt, die in dieser Oper so vielfältigen Emotionen in jeder Lage glaubhaft zu interpretieren und mit starker Stimme seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Die Schlussszene der Oper mit Tatjana war das absolute Highlight dieser Aufführung. Michal Prószynki als Lenski ist ebenfalls ideal besetzt und kann mit seiner perfekt sitzenden Stimme die Verliebtheit und das Leiden dieser Figur in allen Facetten zum Leuchten bringen.
Als Fürst Gremin sang im dritten Akt Christian Valle mit seiner voluminösen Stimme und mit wahrlich fürstlichem Auftreten und gewann sofort das Publikum für sich. Fabian Meinen als Monsieur Triquet machte mit seinem Couplet auf dem Ball mit schöner Tenorstimme auf sich aufmerksam.
Das Publikum war während der Aufführung mit Beifall zunächst zurückhaltend, feierte dann aber die Sänger/innen und die Dirigentin am Ende mit Bravos und starkem Applaus.
- Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
- Bühnen Bern / Stückeseite
- Titelfoto: Bühnen Bern/EUGEN ONEGIN/Foto: Rob Lewis