
Die letzte Ballettpremiere dieser Saison wurde zu einem fulminanten Erfolg und zeigte alle Facetten dieser hervorragenden Compagnie, welche unter der Leitung von Cathy Marston immer wieder Begeisterung auslöst. Die drei an diesem Abend gezeigten Choreographien könnten verschiedener nicht sein und gerade dies macht den Reiz dieses Programms aus. (Rezension der Premiere vom 10. Mai 2025)
Auch wenn man es kaum glauben mag, so ist zum ersten Mal im Repertoire des Balletts Zürich eine Choreographie des großen Meisters Kenneth MacMillan zu erleben. Er gehört zusammen mit Frederick Ashton zu den führenden Bewahrer des britischen Balletterbes. Sein 1966 uraufgeführtes Ballett „Concerto“ zur Musik von Dmitri Schostakowitschs Klavierkonzert Nr. 2 F-Dur, op 102, gehört zu den großen Erfolgen MacMillans und besticht durch sein umwerfendes Tempo und das wunderschöne Pas de deux im Andante des Konzertes. Dazu die farblich sehr harmonischen Kostüme, das schlichte Bühnenbild, beides von Jürgen Rose, sowie die Lichtgestaltung von John B. Read. Einstudiert wurde das Ballett durch den berühmten Tänzer und Ballettmeister Christopher Carr zusammen mit Raffaella Renzi.

Beeindruckend im 1. Satz die beiden Solisten Nancy Osbaldeston und Charles-Louis Yoshiyama mit Ihrer perfekten synchronen Übereinstimmung, gefolgt im 2. Satz, einem brillanten Pas de deux, getanzt von Max Richter und Brandon Lawrence und im 3. Satz Allegro mit der Solistin Sujung Lim.
Am Klavier interpretierte zusammen mit der Philharmonia Zürich unter der Leitung von Dirigent Robert Houssart, die Pianistin Kateryna Tereshchenko mit perfektem Spiel und ließ so diesen optischen Genuss auch zu einem musikalischen werden.
Zusammen mit dem Corps de Ballet wurde dieses Aufführung zu einem sensationellen Erfolg und das Publikum spendete bereits nicht enden wollenden Applaus.
Das zweite Stück des Abend war eine schweizerische Erstaufführung von Cathy Marstons Choreographie „Mrs. Robinson“, 2022 für das San Francisco Ballett erschaffen.

Basierend ist diese Choreographie auf dem Roman und der Verfilmung von Charles Webb‘s Geschichte „The Graduate“ aus den 1960er-Jahren. Der junge Student Benjamin kehrt nach seinem Universitäts-Abschluss wieder zurück in sein Elternhaus und hat eigentlich keinen Plan für die Zukunft. In dieser Zeit war die Aufgabenteilung noch sehr klar. Der Mann kümmert sich um das Einkommen, die Frau erledigt den Haushalt und die Kindererziehung. Auf einem Fest lernt er die Frau des Geschäftspartners seines Vater Mrs. Robinson kennen, welche mit ihm eine Affäre anfängt. Doch die Robinsons haben auch eine Tochter, Elaine. Als Elaine und Benjamin miteinander ausgehen, beginnt das Verhältnis mit Mrs. Robinson fatale Auswirkungen anzunehmen. Mrs. Robinson muss sich nun mit Ihrer Zukunft auseinandersetzen, in einer Zeit wo die Frauen beginnen, Ihren Status quo zu hinterfragen. Cathy Marston ist aufgefallen, das im Roman Mrs. Robinson keinen Vornamen hat und somit auch ganz klar die Frauen allgemein in dieser Zeit repräsentiert. Deshalb hat sie dem Ballett den Titel „Mrs. Robinson“ gegeben. Der Fokus liegt hier auf dieser Frau und ihrem Leben in dieser von den Männern bestimmten Zeit. Der Schluss sei hier nicht verraten.
Das Bühnenbild und die Kostüme von Patrick Kinmonth, die Lichtgestaltung von Jim French entführen uns in die Stimmung auf dem Lande. Sehr fein gelingt es Cathy Marston die Handlung mit Ihrer raffinierten Choreographie für den Zuschauer verständlich zu machen.
Die Rolle der Mrs. Robinson tanzt Yun-Su Park als Gast mit großer Ausstrahlung und genau der richtigen Wirkung als verliebt/frustrierte Frau. Zusammen mit Lucas von Rensburg, einem großen Talent aus dem Junior Ballett und seiner hervorragenden Interpretation des jungen Benjamin, ergibt sich eine Idealbesetzung dieser beiden anspruchsvollen Rollen.
Elaine Robinson wird von Nehanda Péguillan, Mr. Robinson von Karen Azatyan, getanzt. Joel Woellner als Mr. Braddock und Shelby Williams als Mrs. Braddock überzeugen in jeder Hinsicht und lassen dieses Ballett zusammen mit dem Corps de Ballet zu einer sehr ansprechenden Begegnung werden.
Die Musik hat der berühmte englische Filmkomponist Terry Davies für dieses Ballet geschaffen und er trifft genau den Nerv dieser Zeit und der damals beliebten Musik.
Mrs. Robinson hat der Komponist ein Saxophon als Instrument, welches die Dominanz dieser Frau bestens untermalt und für die jungen Leute eine akustische Gitarre zugedacht. Ein gelungenes Zusammenspiel von Tanz und Musik.

Die Erlaubnis die Musik Leonard Bernsteins zur „West Side Story“ aufzuführen und dann noch die Idee die „Symphonic Dances“ als Ballett zu choreographieren, ist nur äußerst schwierig zu bekommen. Die Auflagen sind sehr streng.
Dem in Puerto Rico geborenen und in New York aufgewachsenen Choreographen Bryan Arias ist mit dieser Uraufführung seiner Choreographie „Colorful darkness“ dieses Kunststück gelungen. Er hat den in Puerto Rico farbenfrohen Karneval als Inspiration genommen und die dort als „Vejigantes“ bekannten Figuren, in seine Arbeit einfließen lassen. Diese teilweise riesigen Figuren lassen zusammen mit den farbenfrohen Kostümen von Bregje van Balen, der genialen Lichtgestaltung und dem Bühnenbild von Lukas Marian, eine rasante und hinreißende Tanzaufführung auf höchstem Niveau mit einem die Tänzer/innen sehr fordernden Tempo entstehen. Und genau hier wird einmal mehr klar, in was für einer Liga das Ballett Zürich tanzt.

Die Philharmonia Zürich dirigiert von Robert Houssart spielte diese großartige Musik mit großer Schlagkraft und ließ den Zuschauerraum beben.
Man kann jedem Tanzfreund diesen außergewöhnlichen Ballettabend nur empfehlen.
- Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
- Ballett Zürich / Stückeseite
- Titelfoto: Ballett Zürich/COUNTERTIME/Colourful darkness/Corps de Ballett/Foto: Carlos Quezada