Ansichten eines singenden Clowns – „Cavalleria Rusticana/Pagliacci“ an der Oper Bonn

Theater Bonn/ Cavalleria Rusticana: Ivan Krutikov (Alfio)/Foto © Thilo Beu

Der erste Premierenabend des italienischen Fachs an der Oper Bonn in der Spielzeit 2019/2020 fing mit dem Prolog aus Ruggero Leoncavallos Pagliacci an; ein Kniff, der die langjährigen Besucher des Opernhauses an die letzten Inszenierungen dieser Stücke an jenem Haus in den neunziger Jahren unter del Monaco erinnert, und auch die am heutigen Abend gebotene, durchweg hohe Qualität. Er lässt das Publikum an die Zeiten der „Scala am Rhein“ zurückdenken. (Gesehene Aufführung: Premiere am 9.11.2019 und Vorstellung am 15.11.2019

 

Damals (1994) war der aus der Schweiz stammende Regisseur des heutigen Abends, Guy Montavon, auch in Bonn als Oberspielleiter und stellvertretender Direktor beschäftigt, bevor er an das Theater Erfurt als Generalintendant berufen wurde.

Dieser Prolog, hervorragend gesungen mit klugem Ausdruck und viel Charme von Ivan Krutikov, mit seinem Hinterfragen der Beziehung von Theater und Realität setzt sodann auch den Ton für den folgenden Abend. Wir sehen Krutikov in den Rollen von Alfio und Tonio wieder, wo er ebenso überzeugt.

Theater Bonn/ Pagliacci: Ensemble /Foto © Thilo Beu

Das Bühnenbild von Hank Irwin Kittel versetzt uns für Prolog und Cavalleria Rusticana von Pietro Mascagni in eine Aussegnungshalle, mittig stehen die fiktiven Totenmasken von Leoncavallo und Mascagni, beide jeweils gute vier Meter hoch. Zur Ouvertüre fahren sie langsam in die Horizontale, wobei die Lichtregie von Max Karbe den weißen Gips lebendig wirken lässt, als würden die Masken schmunzeln oder gleich die Augen aufschlagen.

Dass auf den Gesichtern während der dramatischen Szenen der Cavalleria Rusticana geklettert wird, stellt die Sängerinnen und Sänger vor eine sportliche Herausforderung und das zum Seilboden offene Bühnenbild ist für den Klang nicht immer förderlich, dieses war aber wegen der Absicherung der Masken mit Drahtseilen während der Ouvertüre sowie den Einsatz einer Schaukel während Pagliacci wohl nicht anders, auch mit Blick auf die Sicherheit auf der Bühne, zu lösen. Der zweite kritische Aspekt der ersten Inszenierung ist die Schlussszene von Cavalleria Rusticana, wo sich der Regisseur eine Abweichung vom Libretto erlaubt mit einen Schockeffekt, der für mich fehl am Platze war.

Theater Bonn/ Cavalleria Rusticana: George Oniani (Turridu), Ava Gesell (Lola), Chor/ Foto
© Thilo Beu

Die schwarze Kleidung des hervorragend von Marco Medved einstudierten Chores, nur am Anfang durch bunte Blumen aufgeheitert, die auf das drehende Podest mit den Masken abgelegt werden, unterstreicht den Eindruck einer Beerdigung, welches den dramatischen Ausgang der Handlung vorausdeutet, aber mich eher an einen Karfreitag als an den Ostermorgen denken lässt.

Umso stärker treten aber die Solopartien hervor, gerade die jungen Frauen in Scharlachrot wie Santuzza und Leinenweiß wie Lola, sodass dieses Zurücktreten des Chores in die Uniformität der Dorfgemeinschaft durchaus auch genau so beabsichtigt sein konnte.

Das Bühnenbild für Pagliacci von Ruggero Leoncavallo ist wieder durch eine weiße Maske dominiert, unter ihr hausen die Gaukler und Zirkusleute. Ein Jongleur, ein Feuerspeier, ein Tanzbär und ein Zauberer heitern die Szene auf und sorgen für einen farbenfroheren Eindruck auf der Bühne, hier gibt es auch in der Personenregie nette Einfälle zu entdecken. Auch der Jugendchor unter Ekaterina Klewitz ist mit vielen Stimmen und noch mehr bunten Ballons vertreten.

Aus den Marmorwänden wurden in der Pause offene Galerien, von wo aus der Chor die Handlung des Stücks im Stück kommentiert. Hierbei findet die Handlung des zweiten Akts dieser kurzen Oper allein im inneren der Maske statt, quasi in einem Kopf, den wir anhand des Schnauzbarts als Leoncavallos Kopf identifizieren können. Diese Erinnerung an die Subjektivität von Kunst, daran, dass jede Erzählung in den Köpfen ihren Ausgang nimmt, ist elegant gemacht. Das Zitat „Il teatro e la vita non son la stessa cosa“ (Das Theater und das Leben sind nicht eins) unterstreicht dieses erneut und ist als Panier des Abends auf die letzte Seite des Programmhefts gedruckt.

Als Lola ist die Studentin Ava Gesell von der Hochschule für Musik und Tanz in Köln engagiert und verzauberte Turridu ebenso wie das Publikum. Hoffentlich wird man in zukünftigen Produktionen von ihr noch mehr hören.

Theater Bonn/ Cavalleria Rusticana: Dshamilja Kaiser (Santuzza)/Foto © Thilo Beu

Santuzza und Turridu sind mit Dshamilja Kaiser und George Oniani hervorragend besetzt und beide präsentieren ihre Rollen mit großem Können und Einsatz.

Der aus Georgien stammende George Oniani, der seit 2008 als Tenor bei der Oper Bonn im Ensemble engagiert ist, zeigt sich an diesem Premierenabend auf der Höhe seiner Kunst. Hier erlebt man einen Tenor, der das italienische Fach wirklich beherrscht, der auch die unterschiedlichen Rollen als Turridu und Canio, als unsteter Lebemann und als von Eifersucht Wahnsinniger, ausspielen kann.

Dshamilja Kaiser, noch als Ortrud im Lohengrin aus der letzten Spielzeit in bester Erinnerung, spielt die Santuzza mit all ihrer Verzweiflung, Wut und mit jener Eindringlichkeit, die Mascagni sicher im Sinn hatte, als er ihre Partie geschrieben hat.

Theater Bonn/ Pagliacci: Anna Princeva (Nedda), Ivan Krutikov (Tonio)/ Foto © Thilo Beu

Als Nedda dürfen die Bonner die großartige Anna Princeva erleben. Sie ist bei Pagliacci ohne Frage der Star auf der Bühne, was von der Personenregie auch sehr gut in Szene gesetzt wird, ihr Gesang und ihr Spiel sind auf internationalem Niveau – zuletzt sang sie die Rolle der Nedda in Sydney und Melbourne Im Frühjahr 2017. Ihr gönnt der Komponist mit Silvio, Luxusbesetzung: Giorgos Kanaris, und Harlekin, dem jungen Tenor Kieran Carrel eine „echte“und eine „gespielte“ Liebesszene.

Mein persönlicher Star des Abends war jedoch vor der Bühne – Will Humburg leitete das Bonner Beethovenorchester durch die Partitur, und es gelingt ihm erneut, dass ein Stück italienische Oper, obgleich man es an einem halben Dutzend Häusern schon gesehen und gehört hat, wieder frisch und interessant klingt. Er gibt den Sängern in den richtigen Momenten Raum, er lässt die feinen Stimmen im Orchester durchscheinen und er verdichtet an den dramatischen Stellen den Klangteppich gerade so, dass man ganz in das Geschehen reingezogen wird. Dieser Künstler, der die Reihe selten gespielter Verdi Stücke angestoßen hat, die mit großem Erfolg beim Publikum seit 2014 läuft, zeigt sich nach dem Abend dankbar lächelnd auf der Bühne und gibt den tosenden Beifall direkt in den Orchestergraben weiter – diese Demut beeindruckt jeden, der schon einmal die Arbeit eines Dirigenten hin zu einer Aufführung genauer begleitet hat.

Nach den Aufführungen in Bonn wird die Inszenierung nach Erfurt und Seattle gehen. Hoffen wir, dass das dortige Publikum ebenso gute Sänger und einen ebenso guten Maestro erleben darf, wie wir am Rhein.

 

  • Gastrezension von Roland Schilling für DAS OPERNMAGAZIN
  • Oper Bonn / Stückeseite
  • Titelfoto: Theater Bonn/ Pagliacci: Mitte: George Oniani (Canio), Ensemble, Statisterie/Foto © Thilo Beu

 

 

 

 

 

 

 

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