„Wagner, Bayreuth und der Rest der Welt“ – Dokumentarfilm von Axel Brüggemann über die Fans eines genialen Egozentrikers

Axel Brüggemann / Foto © Katharina Schiffl

Axel Brüggemann hält den Wagnerianern einen Spiegel vor und enthält sich jeden Kommentars zu den gezeigten Statements. Durch die geschickte Auswahl der Szenen erreicht er einen ungeheuer authentischen Eindruck vom Phänomen „Richard Wagner“ mit den Mitteln des Dokumentarfilms. Als Wagner-Liebhaber kennt man natürlich die Werke und die „Szene“ und benötigt keine Erklärung. Trailer zum Film: Wagner | Offizielle Webseite (wagner-derfilm.de)

 

 

Brüggemann baut den Film auf wie ein Drama: ausgehend von Richard Wagners Tod am 13.2.1883 in Venedig beginnt er mit Bildern vom Internationalen Richard-Wagner-Kongress vom 28.11. bis 2.12. 2019 in Venedig, bei dem sich die Vorsitzenden der lokalen Richard-Wagner-Verbände zum jährlichen Gedankenaustausch trafen. Der nächste Kongress wird übrigens vom 22.-24. Februar 2022 in Madrid stattfinden.

Der Internationale Richard-Wagner-Verband ist einer der ältesten Fanclubs überhaupt und wurde noch zu Wagners Lebenszeit gegründet. Er hat weltweit 125 Mitgliedsverbände, die sich alle das Ziel gesetzt haben, das Werk Richard Wagners zu pflegen und zu fördern und sich lokal für Kunst und Kultur zu engagieren. Hier seine Website: https://www.richard-wagner.org/rwvi/de/.

Das Festspielhaus in Bayreuth ist sichtbares Zeichen von Richard Wagners Bedeutung. Es ist das einzige Opernhaus der Welt, das ausschließlich der Aufführung der zehn Wagner-Opern gewidmet ist, die dem Komponisten würdig erschienen, dort aufgeführt zu werden. Nur in Leipzig, Wagners Geburtsstadt, stehen alle 13 Opern, auch die Frühwerke, im Repertoire der Oper, allerdings werden dort auch andere Stücke aufgeführt.

Christian Thielemann bei Proben im Festspielhaus Bayreuth / Foto @ FILMWELT Verleihagentur

Der Mythos Bayreuth wurde erfahrbar gemacht mit Auszügen aus „Lohengrin“, und den „Meistersingern“ und mit Einblicken in den „magischen Abgrund“, den gedeckelten Orchestergraben, den Christian Thielemann erklärte. Auch ein Blick in das Gästebuch des Traditions-Hotels „Goldener Anker,“, in dem sich neben Thomas Mann auch Prominente des 3. Reichs verewigt hatten, warf ein Schlaglicht auf das Phänomen Richard Wagner.

Wagner-Urenkelin Katharina Wagner stand Rede und Antwort und repräsentierte die Familie, die seit Bestehen des Festspielhauses für die künstlerische Qualität der Festspiele verantwortlich ist. „Das Vergnügen, eine Wagner zu sein, hält sich manchmal tatsächlich in Grenzen“, so die als angestellte Intendantin und Geschäftsführerin der Bayreuther Festspiele arbeitende Regisseurin und Theaterwissenschaftlerin. Das von Richard Wagner erbaute Festspielhaus ist längst in eine Stiftung übergegangen.

Das Buffo-Paar dieser Produktion ist das Bayreuther Metzger-Ehepaar Rauch, das immer in die Generalproben geht und mit dem Wagner-Zirkus in der Kleinstadt Bayreuth bestens vertraut ist. Es sei jetzt auch nicht mehr ganz so schwer, an Karten zu kommen. Nicht alle Mitarbeiter der Festspiele wohnen so feudal wie Startenor Piotr Beczala, „Lohengrin“ der Bayreuther Produktion, der während der Probenzeit und der Festspiele, die immer vom 25. Juli bis 28. August dauern, ein lauschiges Waldhaus bewohnt.

Barrie Koskys Inszenierung der „Meistersinger“, die sich auch mit der Rezeptionsgeschichte von Wagners Werk auseinandersetzt, bot Anlass, sich intensiv mit dem Antisemitismus Richard Wagners zu beschäftigen. Hier war der Vorsitzende des israelischen Richard-Wagner-Verbands, der  israelische Rechtsanwalt und Wagner-Fan Jonathan Livny, der bis heute gegen die Widerstände gegen Wagners Musik in seiner Heimat kämpft, ein faszinierender Gesprächspartner, der von seinem Vater berichtete, dass dieser 1933 rechtzeitig nach Israel emigriert sei mit 78 Schallplatten mit Musik von Richard Wagner im Gepäck.

Musikkritiker Alex Ross / Foto @ FILMWELT Verleihagentur

Als wissenschaftlicher Wagner-Experte stand der amerikanische Kulturwissenschaftler Alex Ross, Autor des Standardwerks „Wagnerism“ („Die Welt nach Wagner“, erschienen 2020) zur Verfügung, der die Einschätzung des Phänomens Richard Wagner aus wissenschaftlicher Sicht darstellte.

Dass Wagners Gesamtwerk weltweit geschätzt und gespielt wird wurde klar bei Berichten von Aktivitäten weltweit, unter anderem in Kentucky, Abu Dhabi, Lettland und Japan.

Das Bonner REX-Kino ist gut besucht. Das Publikum, überwiegend ältere Damen und Herren, darunter etliche emeritierte Professor*innen und Dozent*innen der Uni Bonn, kenne ich von Veranstaltungen der Bonner Opernfreunde und des Bonner Richard-Wagner-Verbands. Sie kennen den Weg ins REX, weil dort die Kino-Version der Premiere der Bayreuther Festspiele am 25.7. eines jeden Jahres gezeigt wird. Sowohl der Richard-Wagner-Verband als auch die Opernfreunde hatten in ihren Newslettern an ihre Mitglieder diesen Film angekündigt, auch der Bonner Generalanzeiger hat in einem Einspalter darauf hingewiesen.

„Für uns ist Film ein der Literatur vergleichbares und ebenbürtiges Reflexionsmedium mit dem sich kulturelle und gesellschaftliche Zusammenhänge in persönlicher Auseinandersetzung befragen lassen. Wir bemühten uns verstärkt deutsche und europäische Produktionen als Erstaufführungen zu zeigen, um damit dem Bonner Publikum eine Chance zu geben, diese oft auch kleineren Produktionen überhaupt sehen zu können. Von den rund 160 Filmen, die wir normalerweise im Jahr zeigen handelte es sich in den letzten Jahren um 20 % deutsche Produktionen, weitere 50 % waren europäische Produktionen“ schreibt das REX-Kino auf seiner Website.

REX- Geschäftsführer Dieter Hertel begrüßte das Publikum und entschuldigte sich vielmals, dass er 2021 die Bayreuther Premiere des „Fliegenden Holländer“ nicht zeigen konnte, aber an einem Sonntagnachmittag sei es wegen anderer Verpflichtungen nicht gegangen.

Katharina Wagner / Foto @ FILMWELT Verleihagentur

Dann beginnt der Film, dem die hervorragende Tonanlage, ein 6-Kanal-Dolby-Surround-System, die das REX auch für Opernfilme und Ballettfilme qualifiziert, sehr gut bekommt.

Axel Brüggemann stellte sich im Anschluss an die Vorstellung den Fragen und Anmerkungen des Publikums, das im Wesentlichen mit dem Film einverstanden war, nach den Geldgebern fragte, und ob es eine Fortsetzung gebe. Der Anmerkung einer Besucherin, sie habe den „Parsifal“ in der Regie Christoph Schlingensiefs nicht verstanden, mochte er nicht widersprechen. Brüggemann ist bekannt für seine Moderation der Bayreuther Festspiele in Film und Fernsehen.

Brüggemann berichtete, wie ihm die Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht hat: er musste an jedem Drehort außer Bayreuth ein eigenes Team engagieren und sich selbst als Interviewer per Skype oder Zoom dazuschalten, weil das Reisen wegen Corona, erst recht von einem Kontinent zum anderen, verboten war. Zoom-Schaltungen um 4.00 Uhr morgens seien keine Seltenheit gewesen.

Ich fand den Film kurzweilig und durchdacht, spreche damit aber vor allem für Wagner-Kenner, denen ich diesen Film sehr empfehle. Im Bonner REX kommt er am Mittwochnachmittag 4.11.2021 um 15.45 Uhr noch einmal. Hier der offizielle Filmtrailer. Und HIER die Besprechung des Films von Titel, Thesen, Temperamente (ARD) am 31.10.2021

 

  • Artikel von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Titelfoto: Festspielhaus Bayreuth/ Foto @ FILMWELT Verleihagentur

 

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