Opernhaus Zürich: Gefeierte Premiere des Ballettabends „Walkways“

Ballett Zürich/WALKWAYS/Snowblind/Foto ©️Carlos Quezada

Mit diesem ersten Ballettabend der Saison im Opernhaus Zürich begann eine neue Aera des renommierten Ballett Zürich. Cathy Marston hat als neue Ballettdirektorin einige neue Tänzer/innen engagiert. Über 3000 Bewerbungen sind eingetroffen, von denen 300 zum Vortanzen eingeladen wurden. Das zeigt die Bedeutung und Qualität dieses Ensembles und die Beliebtheit von Cathy Marston, welche vor vielen Jahren selbst Tänzerin im Ballett Zürich war.  (Rezension der Premiere v. 06.10.2023)

 

Für den ersten Ballettabend hat sie drei Choreografien ausgewählt, aber bewusst keine Neukreationen. Damit verbunden ist die Absicht, dem neu zusammengestellten Ensemble erst einmal die Gelegenheit zu bieten, sich zusammenzufinden, ohne gleich mit einer Uraufführung beginnen zu müssen.  Die beiden Stücke „Infra“ von Wayne McGregor und „Glass Pieces“ von Jerome Robbins sind abstrakte Werke und mit „Snowblind“, einer Kurzgeschichte, choreographiert von Cathy Marston, sehr gut kombiniert.

Ballett Zürich/WALKWAYS/Infra/Foto ©️Carlos Quezada

Den Anfang machte das für das Royal Ballet Covent Garden choreographierte und 2008 uraufgeführte Stück „Infra“, (lateinisch: darunter, unter, unterhalb), ein Auftragswerk an Wayne McGregor zur Musik von Max Richter. Der Titel indiziert Menschen, welche sich auf zwei Ebenen begegnen. Das Bühnenbild entstand in Zusammenarbeit mit dem britischen Künstler Julian Opie. Es dominiert eine im Hintergrund die ganze Bühnenbreite einnehmende riesige LED-Wand, auf der ununterbrochen vorbeigehende Figuren zu sehen sind und einen verblüffenden Effekt ergeben. Unterhalb dieser Leinwand finden sich die 12 Tänzer/innen zu Soli, Duetten und Ensembles zusammen, oder schreiten als anonyme Menschenmenge umher, ohne den Kummer einer einsamen Frau zu beachten, welche mittendrin um Aufmerksamkeit ringt. So wird man als Zuschauer in den Sog dieser Geschichte hineinversetzt. Dank der Lichtgestaltung von Lucy Carter und den Kostümen von Moritz Junge entsteht ein faszinierendes Gesamterlebnis. Schon da zeigte sich, wie gut sich das neue Ensemble auf diesen Abend vorbereitet hat.

Ein besonderer Effekt wird durch die Begleitung mit Livemusik erzielt, welche der Aufführung einen ganz spezielle Stimmung verleiht. Hier darf man Yulia Luisi-Levin, Klavier,  Ada Pesch und Maya Kadosh, Violine, Karen Forster, Viola sowie Lev Sivkov und Seiji Yokota, Violoncello zu einer hervorragenden Leistung gratulieren. Die Soundeffekte wurden von Chris Ekers bearbeitet.

Ballett Zürich/WALKWAYS/Snowblind/Foto ©️Carlos Quezada

Das zweite Stück, welches Cathy Marston aus Ihrem Repertoire ausgewählt hat, wurde 2018 für das San Francisco Ballet geschaffen und ist nun zum ersten Mal in der Schweiz zu sehen. „Snowblind“ basiert auf dem Roman „Ethan Frome“, der amerikanischen Schriftstellerin Edith Wharton. Es führt uns in ein abgelegenes Dorf in New England, wo Ethan Frome mit seiner stets kränkelnden Frau Zeena zusammenlebt. Mattie, die Cousine seiner Frau, arbeitet im Haushalt mit und so entsteht zwischen Ethan und Mattie eine innige Beziehung. Doch als Ethans Frau die beiden zusammen beobachtet, wirft sie die Cousine aus dem Haus in die Winterkälte. Einsam und umgeben von Schnee. Doch Ethan folgt ihr und die beiden werden sich Ihrer Ausweglosigkeit bewusst. Sie beschliessen, zusammen zu sterben. Doch die Absicht, sich in einem Schneesturm umzubringen, gelingt nicht. Ausgerechnet Zeena findet die beiden Verletzten. Hin und her gerissen von ihren Gefühlen, entscheidet sich Zeena schließlich, die beiden zu retten und zu pflegen und so entsteht eine Schicksalshafte Verbindung dieser drei Menschen.

Cathy Marston, welche für die Choreographie und Patrick Kinmonth für die szenische Gestaltung zuständig waren, haben ein Rahmen geschaffen, in welchem diese rührende Geschichte sehr emotional geschildert wird. Jede feinste Regung dieser traurigen Geschichte ist präzise herausgearbeitet und ergreift die Zuschauer. Mit Charles-Louis Yoshiyama als Ethan, Dores André als Zeena und Shelby Williams als Mattie, erlebt man drei Solisten, welche die Emotionen und die Zerrissenheit hervorragend ausdrücken und mit präzisesten tänzerischen Leistungen überzeugen. Die immer wieder die Kälte des Schnees, aber auch Landarbeiter und Figuren aus der Nachbarschaft darstellenden Tänzer/innen warten ebenfalls mit beeindruckenden Szenen auf. Die Musik von Philip Feeney, Amy Beach, Arthur Foote und Arvo Pärt berührt einen besonders.

Ballett Zürich/WALKWAYS/Glass Pieces/Foto ©️Carlos Quezada

Das dritte Werk des Abends, das 1983 für das New York City Ballet erschaffene und erstmals in der Schweiz zu sehende Werk „Glass Pieces“ von Jerome Robbins auf die Musik von Philip Glass kann als ein Meisterwerk der 80-er Jahre bezeichnet werden.

Der aus drei Teilen bestehenden Choreographie gelingt es sofort, einen mitzureißen. Man wähnt sich im Treiben einer Grostadt, wo sich die Menschen endlos bewegen, tanzen und ihre Körper zu schau stellen. Da tauchen immer wieder drei Paare, getanzt von Aurore Aleman Lissitzky, Estaban Berlanga, Guilia Tonelli, Max Cauthorn, Giorgia Giani und Wei Chen, auf und unterbrechen kurz das rhythmische Hin und Her der Menschenmenge.

Ballett Zürich/WALKWAYS/Glass Pieces/Foto ©️Carlos Quezada

Im zweiten Teil erscheinen im Hintergrund die Tänzerinnen, erst nur als Silhouetten erkennbar. Unglaublich präzise einstudiert, erzielt diese Szene einen beeindruckenden ästhetischen Effekt. Davor tanzt das Solistenpaar Elena Vostrotina und Brandon Lawrence mit grösster Eleganz einen Pas de Deux. Ein wunderbares Bild.

Im dritten Teil kann man sich der magischen Musik von Philip Glass nicht mehr entziehen.

Ballett Zürich/WALKWAYS/Glass Pieces/Foto ©️Carlos Quezada

Die Choreographie von Jerome Robbins wird hier zu einem elektrisierenden, exakte Formationen bildenden, einem Ritual gleich, faszinierenden Erlebnis. Hier bietet das Ballett Zürich eine unglaublich präzise Leistung und man darf sagen: Der Star in diesem Ballett ist das ganze Corps de Ballet, welches mit den Tänzer/innen des Junior Balletts ergänzt wurde.

Die Philharmonia Zürich unter der Leitung von Daniel Capps bot an diesem Abend einen weiteren Beweis Ihrer Flexibilität und spielte die Musik von Philip Glass großartig.

Das Publikum bedankte sich mit stürmischem Applaus und man darf diesen Abend als absolut gelungenen Einstieg in eine neue Aera des Zürcher Balletts feiern.

 

  • Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
  • Ballett Zürich / Stückeseite
  • Titelfoto: Ballett Zürich/WALKWAYS/Infra/Foto ©️Carlos Quezada
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