Oper Köln: Tödliche Liebschaft mit der Nixe

Oper Köln/RUSALKA/ OLESYA GOLOVNEVA (RUSALKA)/ Foto © Paul Leclaire

Nadja Loschky inszeniert Antonín Dvoráks Märchenoper „Rusalka“ in der Oper Köln, besuchte Vorstellung am 13.3.2019

Mit märchenhaften Bildern und völliger Mythisierung des Märchens von „Rusalka“, der Nixe, gelingt der Oper Köln ein bildstarker und musikalisch anspruchsvoller von der Presse gefeierter und vom Publikum bejubelter Opernabend.

 

Antonín Dvoráks „Rusalka“ hat die Bedeutung einer tschechischen Nationaloper, sie gehört in Osteuropa, vor allem in Tschechien, seit 1901 zum Standardrepertoire. In Köln ist es 118 Jahre nach der Uraufführung in Prag die erste Aufführung dieses Werks, das in seiner hochromantischen Klangwelt an den frühen Wagner und auch an Smetana erinnert.

Rusalka ist eine Nixe, die ein Mensch sein möchte. Dvorák nennt seine Oper ein ‚lyrisches Märchen‘. In diesem Zusammenhang sind die Figuren in den Märchen dann archetypische Statthalter der Menschen“, so die Regisseurin Nadja Loschky im Gespräch mit dem Dramaturgen Georg Kehren. Die Welt Rusalkas, das Wasser, verkörpert hier die unberührte Natur. Der Charakter des Märchens wird durch die Inszenierung noch unterstrichen. Niemand hat einen Eigennamen, denn „Rusalka“ bedeutet auf Tschechisch Nixe, „Jézibaba“ Hexe. Die Wellenbewegung des Sees, in dem Rusalka mit dem Wassermann, ihrem Vater, wohnt, prägt die Musik, das Wasser ist aber auch in der Bühnengestaltung als Welle, die sich über die Sänger wölbt und einer sich überschlagenden Welle gleicht, gegenwärtig. Gleichzeitig bildet diese Welle eine Art Konzertmuschel für die Bühne, die frei im Übergangsquartier Staatenhaus, einer Messehalle steht. Das Orchester sitzt links von der Bühne.

Die Geschichte der „kleinen Meerjungfrau“, Kunstmärchen von Hans-Christian Andersen, oder „Undine“ von La Motte-Fouquet, standen Pate beim Libretto von Jaroslav Kvapil. „Arielle, die Meerjungfrau“ ist die verkitschte Disney-Version für Kinder.

Die Welt der Wasserbewohner – Wassermann, Rusalka und Nixen – wird eher mit volksliedhaften Gesängen charakterisiert, die Menschen dagegen singen Arien. Die hochromantische Musik von Antonín Dvorák wird vom Gürzenich-Orchester unter der Leitung von Christoph Gedschold klangschön und suggestiv gespielt, das Orchester verleiht im zweiten Akt der stummen Rusalka den Ausdruck ihrer Gefühle. Musikalisch ist diese Oper ganz große Kunst, denn Dvorák, berühmt für sein melodienseliges Cellokonzert, sein Requiem und seine „Sinfonie aus der neuen Welt“ findet für die Wasserwelt anrührende volksliedhafte Melodien und für die Menschenwelt große Arien und höfische Tanzmusik.

Oper Köln/RUSALKA/ OLESYA GOLOVNEVA (RUSALKA), MIRKO ROSCHKOWSKI (DER PRINZ)/ Foto © Paul Leclaire

Rusalka, die Nixe, hat sich in einen Menschenprinz verliebt, der hin und wieder an ihrem See badet, und leidet darunter, dass sie mit ihrem Fischschwanz an den Teich gefesselt ist. Ihre Sehnsucht nach der Menschenwelt wird ausgedrückt durch das populäre „Lied an den Mond“. Olesya Golovneva macht aus der Partie die Geschichte der Emanzipation einer Frau, die sich aus romantischer Liebe vom Vater abwendet und bis zur Selbstaufgabe verändert. Sie opfert ihren Fischschwanz und ihre Sprache um Beine zu bekommen. In einem schmerzhaften Verwandlungsprozess wird sie zunächst mit Beinschienen dargestellt und muss erst noch gehen lernen. Weil sie sich nicht sprachlich mitteilen kann – im Orchester werden ihre Gefühle während der 1430 Takte im 2. Akt, in denen sie nicht singt, immer transportiert- wendet sich der Prinz, der sich sofort in sie verliebt hat und sie heiraten möchte, von ihr ab der fremden Fürstin, Adriana Bastidas-Gamboa, zu, die Wärme und Erotik ausstrahlt, während die Nixe immer noch kalt wie ein Fisch wirkt. Golovneva ist ein Glücksfall für Rolle der Rusalka, denn sie ist eine begnadete Schauspielerin, die auch ohne Einsatz ihrer Stimme ihre Zerrissenheit verdeutlicht, die aber auch als Sängerin das „Lied an den Mond“ zu einem Höhepunkt der Oper macht.

Rusalka verlässt frustriert den Hof, darf aber erst in ihren Teich zurück, wenn sie den Prinzen getötet hat, der sie jetzt wieder liebt, weil er festgestellt hat, dass die fremde Fürstin es nur auf seinen sozialen Status abgesehen hat. Im Original weigert Rusalka sich, für ihr eigenes Glück den Prinzen zu opfern bleibt als Irrlicht in der schrecklichen Zwischenwelt.

Sicherheitshalber noch ein Messer in den Bauch“, schreibt Stefan Rütter vom Kölner Stadtanzeiger. Rusalka gibt dem todkranken Prinzen nicht nur den Todeskuss. Loschky deutet hier die Handlung um und macht daraus die Emanzipationsgeschichte einer enttäuschten Frau. Zum Zeichen ihres Erwachsenwerdens schneidet Rusalka ihre langen Zöpfe ab. In Menschenkleidern verlässt sie nach dem Tod des Prinzen resigniert die Bühne.

Oper Köln/RUSALKA/ SAMUEL YOUN (DER WASSERMANN),  OLESYA GOLOVNEVA (RUSALKA), STATISTERIE DER OPER KÖLN/Foto © Paul Leclaire

Samuel Youn verkörpert den Wassermann, Rusalkas Vater, der sie, auch aus religiösen Gründen, vor dem Schritt in die Menschenwelt warnt. Sein volltönender Bassbariton – er hat in Bayreuth den „Holländer“ gesungen – verleiht ihm große Bühnenpräsenz.

Dalia Schaechter stellt mit dämonischen Mezzosopran die Hexe Jézibaba dar, die den Preis für die äußerliche Verwandlung in eine Menschenfrau festsetzt: Die Nixe bekommt Beine, aber um den Preis, dass sie sich den Menschen sprachlich nicht mitteilen kann und dass sie, um in ihre eigene Welt zurück zu kehren, den Prinzen töten muss. Es ist eine Art umgekehrter „Lohengrin“, die Hexe spricht den Fluch aus, die Nixe ist das Wesen aus einer anderen Welt, das aus Liebe in die Menschenwelt tritt, dort aber scheitert und den Geliebten nicht retten kann.

Mirko Roschkowski, der Prinz, verkörpert den spontan verliebten, später enttäuschten und zum Schluss vom Tod gezeichneten romantischen Prinzen mit seinem wunderschön strömenden lyrischen Tenor zu Herzen gehend. Seine Arien sind ganz große Oper. Vor allem die Schlussarie ist ein Liebestod mit berückenden Spitzentönen, man ist zu Tränen gerührt.

Die weiteren Rollen sind mit Mitgliedern des Ensembles hochkarätig besetzt. Die Anfangsszene, in der drei Elfen (Emily Hindrichs, Regina Richter und Judith Thielsen) den schimpfenden Wassermann ärgern, erinnert an Wagners „Rheingold“. Heger (Insik Choi) und Küchenjunge (Vero Miller) sowie der Jäger (Hoeup Choi) liefern subtile Charakterstudien. Der perfekt einstudierte Chor wird geleitet von Rustam Samedov, seit 2018/19 Chordirektor.

Das einheitliche Bühnenbild von Ulrich Leitner stellt eine große Welle dar, aus deren Hintergrund ein alter Mann in geheimnisvollen Nebelschwaden ein großes Bett zieht. Diese Welt zerfällt immer mehr, im dritten Akt steht dort nur noch ein klappriges Bettgestell, der Boden ist aufgebrochen. Die Atmosphäre erinnert an Fantasy-Filme, dazu trägt die Lichtregie von Nicol Hungsberg einiges bei.

Die Kostüme von Irina Spreckelmeyer unterstreichen den märchenhaften Charakter mit Reifröcken für die Menschenfrauen und nackten Beinen für die verwandelte Nixe. Hexe und fremde Fürstin tragen das gleiche Kostüm mit üppigen Volants, nur in verschiedenen Farben.

Die Regisseurin Nadja Loschky findet beklemmende Bilder für die Geschichte, die ganz aus der Sicht Rusalkas erzählt ist. Deshalb wird der zweite Akt, der im Schloss spielt, auch nur mit Requisiten wie dem Brautbett und Kostümen wie Prinzendoubles im imaginierten Schloss angedeutet. Sie verdeutlicht, dass die Selbstentäußerung der Nixe vergeblich war, sie kann den Prinzen, der ihr immer noch verfallen ist, nicht retten und gibt ihm den Tod. Die Intendantin Dr. Birgit Meyer hat Loschky, die in der kommenden Spielzeit 2019/20 die Direktion der Oper am Theater Bielefeld übernehmen wird und an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ und an der Universität der Künste in Berlin als Dozentin tätig ist, vermutlich bewusst ausgewählt, um eine emanzipiertere weiblichere Sicht darstellen zu lassen.

Rusalka gibt ihre Identität auf, um dem Prinzen zu gefallen, kann ihm dann aber trotzdem nicht genügen. Sie kann nicht mehr in ihre alte Welt zurück, scheitert also auf der ganzen Linie, und der Prinz bezahlt seine entflammte Liebe zur Nixe mit dem Leben.

 

  • Rezension von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
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  • Titelfoto: Oper Köln/RUSALKA/ DALIA SCHAECHTER (JEZIBABA, DIE HEXE), EMILY HINDRICHS (1. WALDELFE), OLESYA GOLOVNEVA (RUSALKA), JUDITH THIELSEN (3. WALDELFE), REGINA RICHTER (2. WALDELFE)/ Foto © Paul Leclaire 

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