Urban Malmberg (Miracle), Solen Mainguené (Antonia)

Musiktheater im Revier: WA von Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ – wahrlich ein zauberhafter Opernabend

Almuth Herbst (Muse), Joachim Bäckström (Hoffmann)
Almuth Herbst (Muse), Joachim Bäckström (Hoffmann)

*Wiederaufnahme-WA- v. 3.9.2017 / Mit der Neuinszenierung der immer aufs Neue begeisternden Offenbach-Oper „Hoffmanns Erzählungen“ hat das MiR Gelsenkirchen zum Ende der Saison 2016/2017 ein fulminantes, von vielen Kritikern hochgelobtes, Saisonfinale gezaubert. Die Begeisterung für eine Inszenierung die zum besten zählt, das darf ohne Zweifel behauptet werden, was die Opernszene in NRW derzeit zu bieten hat, hat sich über den Sommer in die Wiederaufnahme dieses Meisterwerkes und in den Start der Opernsaison 2017/2018 nahezu nahtlos erhalten. Das Publikum im bestens besuchten Haus war begeistert, minutenlanges rhythmisches Klatschen und unzählige Bravorufe waren der Lohn für alle Mitwirkenden auf, sowohl auch hinter der Bühne. 

Die Wiederaufnahme der französischen Oper „Hoffmanns Erzählungen“ (im Original: „Les contes d’Hoffmann“) von Jacques Offenbach ist verdientermaßen einer der größten „Evergreens“ der Oper überhaupt. Nicht allein die nur allzu berühmte schmachtende Barcarole ((Belle nuit, ô nuit d’amour (Schöne Nacht, du Liebesnacht)) ist es, die die Menschen seit weit über 100 Jahren verzückt, es sind die vielen melodischen Einfälle, die harmonischen Klänge, die dramatischen Höhepunkte und die vielen  Chorszenen die  „Hoffmanns Erzählungen“ immer wieder zu einem ganz besonderen musikalischen Erlebnis werden lassen. Wäre da nicht oftmals eine Regie, die am scheinbar verworrenen Stoff dieser Oper schier verzweifelt und so lang herumdeutelt, bis auch manchmal der letzte Zuschauer nicht mehr so ganz der Handlung folgen kann.

Dongmin Lee (Olympia), Edward Lee (Cochenille), William Saetre (Spalanzani), Opern- und Extrachor
Dongmin Lee (Olympia), Edward Lee (Cochenille), William Saetre (Spalanzani), Opern- und Extrachor

Ganz anders in Gelsenkirchen! Regisseur und Bühnenbildner Michiel Dijkema gelang der große Wurf mit seiner Art diese „phantastische Oper in 5 Akten“ zu erzählen, und das derart schlüssig und nachvollziehbar, dass es einfach nur ein ganz besonderes Opernerlebnis war dabei gewesen zu sein. Ich muss lange zurückdenken, wann ich ähnlich, oder auch nur annähernd ähnlich, von einer Operninszenierung so angetan, begeistert und überzeugt gewesen war.  Zusammen mit den höchst originellen Kostümen der Kostümbildnerin Jula Reindell brachte Dijkema das Märchen des stets unglücklich verliebten Hoffmann, und seinen nicht minder unglücklichen Liebschaften, auf die Bühne des Gelsenkirchener Opernhauses wie es nur einer kann, der mit seiner Inszenierung weiß eine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, die das Publikum emotional mitnimmt, mitreißt und die Zeit vergessen lässt. Mehr kann man nicht erwarten. Nach der gestrigen Wiederaufnahme ( 3. September 2017) wird „Hoffmanns Erzählungen“ noch zwei Mal am Opernhaus am Kennedyplatz zu erleben sein. Es gilt, den 17. und den 24. September 2017 vorzumerken und sich noch rechtzeitig um Karten zu bemühen. Die Nachfrage ist nachvollziehbar groß.

„Hoffmanns Erzählungen“, ein Prolog, drei Akte und ein Epilog, beschreiben Szenen aus dem Leben des Dichters Hoffmann, dessen Herz schnell in Liebe erglüht, dessen Verstand ihm aber offenbar jedes mal einen Streich zu spielen scheint.

Nicht zuletzt auch durch die diabolische „Hilfe“ des ständigen Gegenspielers ( großartig gesungen und düster in der Darstellung der Gelsenkirchener Bariton Urban Malmberg in den anspruchsvollen Partien des Lindorf, Coppelius, Dr. Miracle und Dappertutto) Denn keine seiner Angebeteten, sei es die Puppe Olympia ( glänzende Koloraturen und sichere Höhen von Dongmin Lee ), oder die dem Tode geweihte Sängerin Antonia ( hingebungsvoll und voller Dramatik gesungen und gespielt von der Sopranistin Solen Mainguené ), als auch die Prostituierte Giuletta ( aufreizend in Spiel und Gesang die Sopranistin Petra Schmidt ) vermochten es, Hoffmanns Verlangen nach endgültiger Liebe zu stillen. Im Finale der Oper, es ist sozusagen ein geistiger großer Schritt vom Beginn der Handlung an, ist Hoffmann mit seiner Erzählung am Ende angekommen. Auf Stella, seiner aktuell Angebeteten, die gerade als Sängerin auf der Opernbühne steht, wartend, erzählt er seinen Trinkgenossen seine fast schon albtraumhaften Geschichten verflossener Liebesbeziehungen. Und es wird nicht nur ihm immer klarer, dass sich alle drei Frauen in Stella zu einer einzigen Frau vereinen. Seine Muse ist es am Ende, die ihm Papier und Stift gibt und ihm damit seinen richtigen Weg weist. Nein, Hoffmann ist nicht der ewig Geliebte, vielmehr ist er der Poet, der Erzähler, der Dichter, der doch die Gefühle so wunderbar in seiner Dichtkunst aufleben lassen kann, aber der sie nicht leben darf.

Hoffmann und seine Muse sind am Ende der Oper allein auf der Bühne, wenn sich das mächtige, überwältigende musikalische Füllhorn Offenbachs ein letztes, aber umso eindringlicheres, Mal öffnet. Die sogenannte Apotheose ist akustisch ein Erlebnis und ein musikalischer Höhepunkt dieser Operninszenierung. Aber erleben Sie selbst diesen Gänsehaut erzeugenden Klang aus Solisten, Chor und Orchester am besten live im Musiktheater Gelsenkirchen.

Urban Malmberg (Dapertutto), Petra Schmidt (Giulietta)
Urban Malmberg (Dapertutto), Petra Schmidt (Giulietta)

Der erfahrene Tenor Martin Homrich, am MiR für die Rolle des Hoffmann verpflichtet, ist im Laufe des Abends immer mehr und tiefer in seine wahrlich nicht zu unterschätzende Partie hineingewachsen und gestaltete einen Hoffmann von gesanglich, wie auch darstellerisch, überzeugender Intensität und Glaubwürdigkeit.

Ihm zur Seite die großartige Gelsenkirchener Mezzospranistin Almuth Herbst in der Doppelrolle der Muse und des Nicklausse. Ihr gebührt ein ganz besonderes Lob für eine herausragende sängerische Leistung der Extraklasse. Da war so viel Gefühl durch ihren Gesang spürbar, da bedurfte es oft keiner weiteren erklärenden Übersetzung, da wollte man einfach nur dieser warmen und stellenweise sphärisch klingenden Stimme zuhören. Bravo für diese Gesangsleistung!

In den weiteren und kleineren Rollen setzt sich das insgesamt hohe Niveau natürlich fort und deswegen seien auch alle gebührend erwähnt: Edward Lee in den Partien des Andres, Cochenille, Frantz und Pitichinaccio herrlich überzeichnet gespielt und dabei präzise gesungen. Dong-Won Seo als Lutter und Crespel adäquat besetzt, Michael Dahmen (immer zuverlässig und stets in seinen Rollen glänzend) als Nathanael, Karel Ludwig als Spalanzi und Zhive Kremshovski als Schlemihl waren beide überzeugend. Die Stimme der Mutter wurde gesungen von Noriko Ogawa-Yatake und fügte sich ein in ein schaurig-schönes, bühnenbildnerisches untermaltes, Musikerlebnis der ganz besonderen Art. Tobias Glagau und Jacoub Eisa als Wilhelm und Hermann rundeten das Solistenensemble ab.

Wieder mal eine Stütze des Hauses der Opern- und Extrachor des MiR unter der Leitung von Alexander Eberle, der seine anspruchsvollen und vielfältigen Aufgaben meisterhaft löste.

Urban Malmberg (Miracle), Solen Mainguené (Antonia)
Urban Malmberg (Miracle), Solen Mainguené (Antonia)

Die Neue Philharmonie Westfalen fühlte sich hörbar wohl in der Offenbach’schen Klangwelt und rundete das insgesamt große musikalische Erlebnis vorzüglich ab. Besonders Lob geht an den Dirigenten und musikalischen Leiter des Abends, Giuliano Betta, der die Partitur mit Verve, großem Gespür für die vielen Emotionen und dramatischen Momente der Oper dirigierte.

So macht Oper einfach Spaß! Das Musiktheater im Revier beginnt seine neue Opernsaison so fulminant und mitreißend, wie es seine abgelaufene beendet hat. Es zeigt einfach mal wieder den Stellenwert den dieses Haus zu Recht in NRW besitzt, natürlich begründet durch seine vielen Künstlerinnen und Künstler,  Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und nicht zuletzt auch einer Intendanz, die doch mal wieder die richtige Nase bewiesen hat. Es darf sich gefreut werden auf die neue Saison 2017/18  im „schönsten Opernhaus im Revier„, wie sich das MiR gern selbst, und sicher nicht zu Unrecht, bezeichnet!

 

*Weitere Infos und Kartenvorkauf auf der Homepage des MiR

*alle Fotos: Musiktheater im Revier/Hoffmanns Erzählungen/ © Pedro Malinowski

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