Premiere am Musiktheater im Revier 12.Oktober 2014
(UA-Premiere Aalto Essen am 29. März 2014)
Über das Gewöhnliche und das Außergewöhnliche der Liebe, des Lebens und der Trauer
„Es ist ein Stück über getriebene Emotionen, die mich in eine andere Welt versetzen… im zweiten Teil eine psychologische Reise des Kummers und des Grams“(David Dawson, Choreograf)
Zur Choreografie
Dawson zeigt heutige Menschen mit all ihren Gefühlen und ihrer Lebensfreude, gespiegelt in Liebe, Eifersucht, Tod, Trauer und Wiederauferstehung. Das wirkt diesmal nicht wie altes historisches überkommenes Kostüm-Ballett; nein ganz im Gegenteil, alles erscheint erfrischend überzeugend und ist von ansehnlicher Ästhetik. Er gibt diesem, beim Publikum wahrscheinlich nach Schwanensee beliebtesten, Ballett neue Züge und bleibt doch liebevoll werktreu. Der größte Unterschied vom Original zu seiner Version ist, daß Dawson zwar das klassisch tänzerische Vokabular benutzt, aber zahlreiche Gestaltungsmittel des Modernen Tanzes, vor allem mit vielen abstrakten Akzenten, integriert und so eine moderne neue Erlebniswelt schafft. Alles gelingt grandios.
Zur Umsetzung
Bewegung in der Leichtigkeit des Seins bei einem stark reduzierten Bühnenbild (Arne Walther), welches den Tänzern genug Raum und vor allem – nun auf der kleineren Bühne in Gelsenkirchen spürbar – Dichte und Nähe zum Publikum bietet. Die luftig schönen Kostüme von Yumiko Takeshima engen die Tänzer nicht ein, wie in klassischer Historie oder bei überfrachteten Bühnenbauten. Das ist großes Ballett, wie es Freude macht und sein Publikum begeistert. Auch sorgte die – choreografisch sich nicht in endlose Tanznummern mit dem üblichen unsäglichen Dauerzwischenapplaus zerstückelnde – Präsentation durch einen flüssig getanzten Handlungsfaden für ein angenehm schönes Gesamtkunstwerk.
Zur Musik
Für die Musikfreunde interessant ist die Tatsache, daß man endlich einmal die vielfach umgeschriebene und oft überfrachtend veränderte und mit diversen Apercus und extravaganten Zusätzen belastete Musik Adams überwiegend in seiner Originalität ließ; man spielt also die ursprüngliche, die historische Adam-Partitur, ergänzt mit einigen neueren Kompositionen (Coleman) z.B. beim ersten Giselle-Solo (Blumen-Pas-de-Deux) und ersetzt den klassischen durchaus umstrittenen Hochzeits-Pas-de-Deux Gott-Semi-Dank durch einen neuen Pas-de-Cinq in passender Instrumentierung. Selten klang Adolphe Adam so überzeugend schön.
Zu den Hauptpartien
Mal wieder ein wunderbarer Ballettabend mit traumhaften Solisten und bewegend überzeugenden Ensembles. Die sympathische Gelsenkirchener Ballettdirektorin Bridget Breiner ließ es sich natürlich nicht nehmen an ihrem Haus die Hauptpartie zu tanzen; zusammen mit Gast Raphael Coumes-Marquet ein wahres Dreamteam, krönend in einem geradezu göttlich getanzten Grand-Pas-de Deux im zweiten Akt. Da schlug das Herz aller Ballettfreunde bis zum Hals, die Tanzseele freute sich und es trieb unseren Puls in beträchtliche Höhen.
Fazit
Daß auch die Nebenrollen und die Ensembletänzer grandios überzeugten, macht diesen Ballettabend zu einem puren Tanzgenuß und sollte eigentlich auch demnächst in Gelsenkirchen (wie in Essen) für stets ausverkaufte Häuser sorgen. Solch großes, schönes und zeitloses Tanztheater, welches mit soviel Liebe, Herz und Engagement präsentiert wird, hat Seltenheitswert und belohnt auch die weiteste Anreise.
P.S.
Ein ganz besonderer Reise/Geheimtipp für die Ballettfreunde aus dem Raum der Rheinoper Düsseldorf/Duisburg, wo man ja leider das große Handlungsballett als nicht mehr zeitkonform abgeschafft hat; hier könnt ihr es noch erleben; und in was für einer tollen überzeugenden Qualität!
Peter Bilsing / Der Opernfreund
*Fotos von Bettina Stöß
* Artikelübernahme von www.deropernfreund.de
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