„BELSHAZZAR“ am Opernhaus Zürich – «GRENZEN DER MACHT»

Opernhaus Zürich/ Belshazzar/Jakub Józef Orliński, Chor, Statistenverein/Foto @ Herwig Prammer

BELSHAZZAR / Oratorium von Georg Friedrich Händel /Text von Charles Jennens

Besuchte Vorstellung 9. November 2019

Georg Friedrich Händel war lange einer der führenden Opernkomponisten und erfreute sich großer Beliebtheit beim Publikum. Doch bereits 1732 komponierte er sein erstes Oratorium «Esther». Damals konnte noch niemand ahnen, dass er sich einmal von den Opern abwenden und sich ganz dem Oratorium zuwenden würde. «Belshazzar» wurde 1745 uraufgeführt und war damals noch kein großer Erfolg. Händel gelang es, mit neuen musikalischen Mitteln, großen Chorszenen und viel Kreativität ein ganz neues Hörerlebnis zu schaffen und sich auch vom Zwang eines Bühnenbildes zu befreien. Oratorien waren immer konzertant und somit war alles ganz auf die Musik konzentriert.

 

Doch die Oratorien sollten nicht im sakralen Rahmen aufgeführt werden, sondern Ihre Wirkung durch die Kraft der Musik erzielen. Große Chorpartien sorgten für die eindrücklichen Effekte. Die Handlung von «Belshazzar» ist ein biblischer Stoff und gründet sich auf dem fünften Kapitel des Propheten Daniel, wo erzählt wird, wie Belshazzar mit großem Aufwand das Sesach-Fest feiert und dabei die heiligen Gefäße, welche sein Vater Nebukadnezar in Jerusalem geraubt hatte, für das Gelage missbraucht. Dabei «lobten sie die goldenen, silbernen, ehernen, eisernen, hölzernen und steinernen Götter». In diesem Moment «gingen hervor Finger wie von einer Menschenhand» welche eine unverständliche

Schrift an die Wand im königlichen Saal schrieben. Keiner der Weisen und Magier konnte die Schrift deuten. Erst Daniel, einer der gefangenen Juden, deutet die Worte «mene mene tekel upharsin»: Gott hat dein Königtum gezählt und beendet. Dein Reich wird zerteilt und den Medern und Persern gegeben. «Aber in derselben Nacht wurde Belshazzar, der König der Chaldäer, getötet.» Der Librettist, Charles Jennens, hat ein äußerst dramatisches Libretto geschrieben, welches mit Berichten aus historischen Quellen ergänzt wurde.

Opernhaus Zürich/ Belshazzar/ Layla Clair/Foto @ Herwig Prammer

Wie bringt man ein Oratorium auf die Opernbühne? Sebastian Baumgarten, bekannt für seine opulenten Inszenierungen, lässt uns dieses Werk wie ein Film erleben. Große Videoprojektionen, filmende Kameras mit direkter Übertragung des laufenden Geschehens auf die Leinwand, große Chorauftritte und effektvolle und teilweise bedrückende Clips, lassen das Auge nicht zur Ruhe kommen. Die Bühnenbilder von Barbara Steiner und die aufwändigen Kostüme von Christina Schmitt tragen das ihre zum üppigen Geschehen bei. Elfried Roller, Lichtgestaltung und Hannah Dörr, Video-Design, ergänzten das Produktionsteam.

Sebastian Baumgarten gelingen einige eindrückliche Umsetzungen der Handlung, sei es beim Auftritt von Cyrus mit dem großen Panther, welcher bei einer Drehung offenlegt, wie diese Bewegungen durch zwei Menschen zustande kommen und damit wieder den Bezug zum Filmstudio herstellt. Ganz gelungen ist die Szene mit dem Zurückweichen des Flusses Euphrat und der Kissenregen, welcher das Gelage der Babylonier noch aufwändiger bebildert. Die bedrückenden Videos am Ende der Vorstellung ermahnen uns, dass es eine höhere Macht gibt, welche wir nicht beeinflussen können. All diese vielen Eindrücke fordern dem Zuschauer einiges ab und man kann sich fragen, ob nicht weniger mehr gewesen wäre.

Auf der musikalischen Seite gibt es ebenfalls einiges zu berichten.

Das Orchestra La Scintilla unter der Leitung von Laurence Cummings, welcher als Spezialist für Händel-Werke berühmt ist, ist ein großartiger Klangkörper und man erlebt die Musik in schönster Form. Das Orchester ist voll konzentriert und spielt die anspruchsvolle Musik wunderbar. Besonders erwähnen muss man auch die Leistung des Chor der Oper Zürich, welcher verstärkt mit Zuzügern unter der Leitung von Janko Kastelic die verschiedenen Völker hervorragend darstellten und mit einer großartigen Gesamtleistung überzeugten. Die Choreographie lag in den Händen von Thomas Wilhelm.

Sämtliche Sänger der Hauptpartien, debütierten in Ihren Rollen.

Mauro Peter, ein Mitglied des Ensembles, spielte den wilden, trinkenden und herrischen, jedoch auch verletzlichen Belshazzar. Er konnte mit dem vollen Einsatz seiner Stimme und einer nuancenreichen Interpretation überzeugen. Seine Mutter Nitocris sang die Sopranistin Layla Claire. Über was für eine herrliche Stimme diese Sängerin verfügt konnte man in den sehr anspruchsvollen Arien und Duetten miterleben.

Opernhaus Zürich/ Belshazzar/ Jakub Józef Orliński/Foto @ Herwig Prammer

Bei seinem Haus- und Rollendebut als Cyrus konnte man den polnischen Countertenor Jakub Józef Orliński bewundern. Was für eine Bühnenpräsenz gleich vom ersten Erscheinen an. Seine Stimme erlaubt dem jungen Shootingstar der Countertenöre die mühelose Bewältigung sämtlicher Nuancen dieser Partie. Man konnte seine Begeisterung für die Musik und das Spiel eindrücklich mitfühlen. Eine tolle Leistung.

Die Rolle des Daniel war mit Tuva Semmingsen besetzt, welche an diesem Abend als Indisponiert angesagt wurde und trotzdem diese Partie gut meisterte. Auch schauspielerisch war sie überzeugend. Ebenfalls das erste Mal in Zürich zu hören war der kalifornische Bass-Bariton Evan Hughes in der Partie des Gobrias. Mit seiner dunklen und noblen Stimme konnte auch er sehr für sich einnehmen.

Thomas Erlank, Oleg Davydof, Katia Ledoux, Lina Dambrauskaité, Eleanor Paunovic, Justyna Bluj, alle Mitglieder des Internationalen Opernstudios, waren als Solisten und die drei Weisen zu hören und ergänzten das Ensemble aufs Beste.

Man kann den Besuch dieser Aufführung nur jedem Freund der Musik Händels empfehlen und auch für Neuentdecker ist dieses Werk ein guter Start. Es war erfreulich, die vielen jungen Besucher zu sehen.

 

  • Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
  • Opernhaus Zürich / Stückeseite
  • Titelfoto: Opernhaus Zürich/ Belshazzar/ Mauro Peter, Statistenverein/Foto @ Herwig Prammer
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2 Gedanken zu „„BELSHAZZAR“ am Opernhaus Zürich – «GRENZEN DER MACHT»&8220;

  1. „Um sind Belshazzar’s Tage,
    Sein Reich, sein Glück entweicht;
    Gewogen in der Wage
    Ward er erkannt zu leicht.
    Sein Kleid ist Bahrtuch worden,
    Sein Pfühl der Leichenstein,
    Der Meder nimmt die Pforten,
    Den Thron der Perser ein…“

  2. Ich stimme dieser überschwenglichen Kritik nur sehr bedingt zu. Ich empfand die Inszenierung als völlig überfrachtet und eher langatmig. Stimmlich gut bis sehr gut (Mauro Peter)-aber nicht mehr. Lesen Sie mal die NZZ oder alle anderen Kritikmagazine. Ihr Herr Stücklin immer begeistert wenn er ins Opernhaus Zürich geht. Aber mittlerweile lese ich die Opernmagazinkritiken aus Zürich immer seltener. Tut mir leid.

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