„Dramaturgen geben dem Theater Gestalt, indem sie Spielpläne entwerfen, Projekte initiieren und Produktionen begleiten. Dramaturgen arbeiten in zwei Richtungen: nach innen – im Theater selbst – gestalten sie den Spielplan mit und sind an der Konzeption und Durchführung von Projekten beteiligt. Nach außen – gegenüber der Öffentlichkeit – kümmern sie sich um die Vermittlung des künstlerischen Programms, die Einbindung des Publikums und den Diskurs über theatrale Ereignisse.“ So erklärt auszugsweise der Deutsche Bühnenverein das Berufsbild des Dramaturgen. Eine für das Theater, die Oper und das Konzert unerlässliche Mitarbeit, die viel Kompetenz, Qualifikation und Engagement voraussetzt. Und daher Grund genug für meine Interviewreihe „Menschen hinter der Bühne“ den Dramaturgen Malte Wasem vorzustellen. Den Konzertdramaturgen der Dortmunder Philharmoniker traf ich vor wenigen Tagen an seinem Arbeitsplatz, dem Theater Dortmund.
Seit Dezember 2015 ist der gebürtige Wuppertaler Malte Wasem beim Theater Dortmund beschäftigt und war dort zunächst zuständig als Projektassistent für Musikvermittlung und Öffentlichkeitsarbeit bei den Dortmunder Philharmonikern. Seit dem 01.08.2016 ist Wasem der zuständige Konzertdramaturg der Dortmunder Philharmoniker.
Nach seinem Studium der Musikwissenschaft sowie Deutsche Sprache und Literatur an der Universität zu Köln, inclusive eines Auslandssemesters in Pittsburg/USA, war er zunächst als Dramaturgieassistent für Musiktheater und Konzert am Theater Aachen beschäftigt, bevor er dann im Dezember 2015 den beruflichen und persönlichen Wechsel nach Dortmund vollzog.
„Ich lebe gern in Dortmund. Ich schätze besonders die Herzlichkeit der Menschen in dieser Stadt„, erzählt er mir zu Beginn unseres Gespräches, in dem ich einiges über den Menschen Malte Wasem, aber auch und vor allem über den Konzertdramaturgen Wasem erfahren sollte. Schon früh fiel seine Musikalität anderen auf. Bereits im Kindergarten wurde eine Betreuerin auf die Gesangsstimme des Jungen aufmerksam. Diese Liebe zum Gesang und zur Musik brachte ihn dann auch Jahre später, mit 6, zum Knabenchor Wuppertaler Kurrende, dem er als Knaben-Alt angehörte. Mit 14 dann sein erstes Bühnenerlebnis als Chormitglied in der Oper Tosca am Wuppertaler Theater. „Heute bin ich mehr ein Bariton„, berichtet er mir in diesem Zusammenhang, „Aber singen tue ich nur noch hobbymäßig, nicht beruflich„. Aber über das Singen kam Malte Wasem letztlich dahin, wo er heute ist und was ihn beruflich aus- und erfüllt.
Gern gab ich zu Beginn unseres Treffens zu erkennen, dass mir zwar der Beruf des Dramaturgen an sich ein Begriff ist, aber ich mir unter einem Konzertdramaturgen sicher nicht alles das vorstelle, was diesen Beruf ausmacht. Malte Wasem war auf unser Gespräch bestens vorbereitet und ich sollte im weiteren Verlauf interessante Eindrücke in seine tägliche Arbeit bekommen.
Aus der eingangs zitierten Erklärung über das Berufsbild des Dramaturgen ergeben sich schon deutliche Hinweise auf das spezielle Tätigkeitsfeld. Da heisst es unter anderem, dass sie (=die Dramaturgen) Spielpläne entwerfen und dabei auch das Publikum miteinbeziehen. Daraus ergibt sich dann auch, dass Dramaturgen, oder wie hier im Falle von Malte Wasem dem Konzertdramaturgen, auch die Gestaltung der jeweiligen Programmbegleithefte obliegt. Und da hat Dortmund mit Wasem einen guten Griff getan. Denn ohne Zweifel sind die Begleithefte der letzten Jahre von hoher inhaltlicher und sprachlicher Qualität, ohne dabei außer acht zu lassen, dass die Texte, welche die entsprechenden musikalischen Werke und Stücke erklären und beleuchten sollen, auch von weniger erfahrenen Konzertbesuchern nachvollziehbar gelesen werden können.
Die in der Saison monatlich stattfindenden Konzerte der Dortmunder Philharmoniker stehen seit Jahren unter einem saisonal wechselnden Motto. Das Programm für die Konzerte diskutiert und entwickelt das Orchesterbüro dabei gemeinsam, natürlich unter Federführung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz. Neben dem Motto der jeweiligen Saison müssen dabei noch eine ganze Reihe von weiteren Parametern berücksichtigt werden: der künstlerische Anspruch, eine schlüssige Zusammenstellung der Werke, der Publikumsgeschmack zwischen neuen Entdeckungen und bekannten Klassikern sowie gerade bei großen Besetzungen auch die damit verbundenen Kosten sind nur einige dieser Parameter. Wenn das Programm beschlossen ist, ist die redaktionelle Mitarbeit und die für den Konzertbesucher einführende Erklärung des Werkes dann größtenteils Sache des Konzertdramaturgen.
Um allerdings solche Texte verfassen zu können, bedarf es selbstverständlich entsprechender Fachkenntnis, aber auch Begeisterung und Liebe zur Materie. Und alles das ist bei Malte Wasem vorhanden. Bei ihm ist diese Form von Leidenschaft spürbar, die mir immer wieder bei Menschen begegnet, die mit der Oper und der klassischen Musik auf ihre jeweilige Weise beruflich zu tun haben. Auch, wenn im Falle eines Konzertdramaturgen, der Schreibtisch eines der hauptsächlichsten Arbeitsbereiche ist, so stellt doch die direkte Zusammenarbeit mit den Musikern und dem/den Dirigenten den Hauptbezugspunkt dar.
Während die meisten Theater und Opernhäuser derzeit ihre Sommerpause haben, Dortmund stellt da keine Ausnahme dar, sind die Spielpläne für die kommende Saison, 2019/20, bereits schon längst gedruckt und unters interessierte Publikum gebracht worden. Hierfür ist, wie jedes Jahr, eine Menge an Vorarbeit zu leisten. Eine Unmenge an freien und eigenen Texten, Zitaten, Auszügen und Textquellen müssen zusammengestellt werden und das ganze muss dann auch vor dem kritischsten Auge, nach Möglichkeit, Bestand haben. Auch das beschreibt einer der Tätigkeiten eines Dramaturgen. Oder, wie im Falle des Mitarbeiters eines Philharmonischen Orchesters, eines Konzertdramaturgen. Malte Wasem hatte mir dazu ein Manuskript mitgebracht, was mir anschaulich erklärte, wie viel an Vorarbeit in einem solchen neuen Jahresspielplan steckt. Hier muss jeder Text überarbeitet und nötigenfalls geändert oder korrigiert werden, es erfolgt korrespondierender Austausch im erweiterten Kollegenkreis und selbstverständlich auch mit dem zuständigen GMD, der letztlich federführend ist. In seinem Manuskript, dass er mir zeigte, sah ich eine Menge von ihm gefertigter handschriftlicher Einträge, die darauf hinwiesen, wie anspruchsvoll letzten Endes schon allein die Arbeit an einem einzelnen Programmheft ist, wenn schon der Jahresplan derart aufwendig gestaltet ist.
Die kommende Dortmunder Konzertsaison bietet nicht nur für den Musikwissenschaftler und Musikfreund Wasem einiges. Sie behält auch für die Fans der Dortmunder Philharmoniker einiges parat. Hier sei anlässlich des Beethoven-Jahres auf den Beethoven-Marathon verwiesen. GMD Gabriel Feltz wird dazu an einem Tag alle 9 Sinfonien des Meisters erklingen lassen. Zusammen mit den Belgrader und Dortmunder Philharmonikern wird dabei Beethovens 250. Geburtstag gedacht. Sicher auch für Malte Wasem ein überaus reizvolle und anspruchsvolle Aufgabe. Doch zuvor beginnt am 1. Oktober 2019 die neue Konzertsaison mit dem 1. Philharmonischen Konzert, dass dann unter dem Motto „New York“ stehen wird. Werke von Barber, Franke, Bernstein und Dvorák stehen dann auf dem Programm.
Im Verlauf unseres Gespräches erzählte mir Malte viel über die kommenden Programme, aber auch über die verschiedenen Werke und Komponisten. Und das tat er mit einer spürbaren Leidenschaft für das, was ihn täglich an seinem Arbeitsplatz im Theater Dortmund beschäftigt. Es hat Spaß gemacht, jemanden mit so viel Fachwissen gegenüber zu sitzen, der dazu noch höchst angenehm und eloquent von seinem Leben in Dortmund und als Dramaturg erzählt und mir ganz nebenbei die Möglichkeit gibt, meinen Leser/-Innen mal einen (Konzert-)Dramaturgen ein wenig näher vorzustellen.
Ich danke Malte Wasem sehr herzlich für das informative Gespräch und freue mich auf die kommende Dortmunder Konzertsaison und auf viele weitere gemeinsame Treffen dort.
- Detlef Obens – ©DAS OPERNMAGAZIN-08-2019
- Dortmunder Philharmoniker – Homepage
- Dortmunder Philharmoniker – Programm 2019/20: Phil. Konzerte / Kammerkonzerte / Wiener Klassik
- Titelfoto: Malte Wasem / Foto @ Landa Nachtmann