
Mit dem 7. Karnevalskonzert unter dem Motto „Kunterbunt“ am Karnevalsfreitag, dem 28. Februar 2025, haben Dirk Kaftan und Fatih Çevikkollu mit dem Beethoven Orchester die Tradition des Karnevalskonzerts in neues Brauchtum in Bonn verwandelt. Kaftan, seit 2017 Generalmusikdirektor der Stadt Bonn, lässt es sich nicht nehmen, mit populärer Musik den Rahmen für den Aufzug des Prinzenpaars mit der Oberbürgermeisterin und populären Gästen in der Bonner Oper zu gestalten. Das Orchester sitzt dabei kostümiert auf der Bühne.
Diesmal wurde das Konzert am Karnevalssamstag wiederholt. Beide Termine in der Bonner Oper waren nach der Bekanntgabe im Handumdrehen ausverkauft. Diesmal hat Kaftan seinen Freund, den Kabarettisten und Schauspieler Fatih Çevikkollu als Co-Moderator eingeladen, der, passend zur Musik, seine Vorstellung vom diesjährigen Bonner Karnevalsmotto „Kunterbunt und tolerant – so sinn mer he im Jeckenland“ konkretisierte. Sein Vorschlag, den Ausdruck: „Menschen mit Migrationshintergrund“, was immer so klinge wie eine Krankheit, zu ersetzen durch „Menschen mit internationaler Biografie“ fand volle Zustimmung des Publikums. Çevikkollu performte zusammen mit der Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner einen Rap über „Traum vom Sein“, ein eigenes Lied, zu dem sie sehr musikalisch: „Putz die Katz“ als Rhythmusstimme beigetragen hat.

Es begann mit der schnellen Polka „Ohne Sorgen“ von Joseph Strauß unter Führung der Konzertmeisterin Jaehyeong Lee – kein Dirigent zu sehen! Ein Bauer mit Arbeitskittel und Gummistiefeln, einen Strohballen auf einer Mistgabel, trat auf die Bühne, und schimpfte, sichtlich aufgebracht, in dem auch für Rheinländer schwer verständlichen Eifeler Dialekt auf die Zustände in Bonn, wie den Dauerstau auf der B9. In der Zeitung habe er gelesen, dass die Beethovenhalle 2025 wieder eröffnet werde, aber gleich drunter: „Sparschock für Bonner Oper und das Beethoven Orchester.“ „Das ist, wie wenn ich heut´einen neuen Stall baue und dann de Küh´ notschlachte!“ Der streitbare Bauer erwies sich als kostümierter GMD Dirk Kaftan, der mit internationalen Allzeit-Hits wie Dvořaks „Sinfonie aus der Neuen Welt“, Freddie Mercurys „Bohemian Rhapsody“ für Viola (Susanne Roehrig) und Orchester, einem Medley aus Nino Rotas Filmmusik zu „Der Pate“ und den mexikanischen Klängen von Arturo Márquez „Danzón Nr: 2 für großes Orchester“ das Publikum in Stimmung brachte. Der 1998 geborene Komponist Justus Berger, Notenwart des Beethoven Orchesters, als Flamingo verkleidet, durfte der Uraufführung seiner schwungvollen Filmmusik „Dash & the Grey Men“ lauschen.
Das Karnevalskonzert ist ein gesellschaftliches Ereignis in Bonn, und die Gäste der Oberbürgermeisterin – die traditionellen Karnevalscorps, die Parteichefs der Ratsfraktionen und allerlei Promis – sind stolz darauf, eingeladen zu sein. Nach der Pause zog die Oberbürgermeisterin mit dem Prinzenpaar der Bundesstadt Bonn, Prinz Oliver I. (Kleine) und Bonna Maike I. (Dr. Derenbach) und deren Entourage zu einem zünftigen Karnevalsmarsch auf und begrüßte das Publikum. Maike I. bedankte sich beim Beethoven Orchester für das tolle Konzert und betonte das diesjährige Bonner Karnevalsmotto: „Kunterbunt und tolerant so sin mer he im Jeckenland.“ „In diesen Zeiten ist es wichtiger denn je, den Respekt zu fördern und die Vielfalt zu stärken, damit wir zeigen können, dass Vielfalt keine Herausforderung, sondern eine Bereicherung ist.“
Dirigent Dirk Kaftan, erfahren in Crossover-Formaten, fokussierte diesmal das Konzert auf die 20 Nationen, aus denen sich die Musizierenden des Beethoven Orchesters rekrutieren. Es erklang eine koreanische Melodie, moderiert von einer jungen Geigerin, die, erst seit eineinhalb Jahren in Bonn, in perfektem Deutsch die Bedeutung des 300 Jahre alten Volkslieds erläuterte, das in einer Instrumentierung für großes Sinfonieorchester gespielt wurde.
Fatih Çevikkollu pries die heutige Gesellschaft, indem er das Schlaglicht auf die Emanzipation der Frau setzte – bis 1970 benötigte die Frau noch die Zustimmung ihres Ehemanns, um einen Beruf auszuüben – und sich selbst als Beispiel eines Kabarettisten mit internationaler Biografie darstellte und eine Lanze für die LGBTQ*-Bewegung brach. „Dankbar war gestern, heute ist Teilhabe!“ Dass er über die AfD und Söder im Abgesang auf den „alten weißen Mann“ witzelte ging einigen zu weit – aber sein „Ich repräsentiere Deutschland“ wurde lebhaft beklatscht. Çevikkollu hat in das Konzert die politische Komponente gebracht, und das ist gut so.

Ein sehr alpenländisch wirkendes Ensemble aus Saxofon, Harfe, Tuba Akkordeon und Schlagzeug, das „Katzenmusik“ intonierte, trug die österreichisch-bairische Komponente bei. Özdemir Erdoğans in Jazz übergehende Komposition „Gurbet“ riss das Publikum zu Mitklatschen hin.
Die Jazz-Version von Ostermanns Klassiker „In Kölle am Rhing bin ich gebore“, bei dem der Solo-Posaunist der Beethoven-Orchesters, Oliver Meißner, mit der Melodie-Stimme glänzte und auch die anderen Blechbläser zu Hochform aufliefen, rührte alle. Dirk Kaftan erklärte, er habe den Karneval und den Umgang mit Vielfalt in Bonn gelernt und bedankte sich bei Fatih Çevikkollu, der das Motto kabarettistisch zugespitzt hat. „Das ist Heimat für mich“, so Çevikkollu über Kombination von „Gurbet“ und Ostermann.
Nach dem schwungvollen Irischen Medley „On to the Green Island“ von Stefan Behrisch, zu dem kostümierte Geiger*innen tanzten, tobte das Publikum und erklatschte sich drei Zugaben, unter anderem den „Säbeltanz“ von Katchaturian und zuletzt die Filmmusik zu „Indiana Jones“.
Dirk Kaftan hat mit dieser wilden Mischung aus populärer Klassik, Filmmusik und üppig arrangierten europäischen und asiatischen Volksmelodien das Publikum von der Magie der Musik überzeugt und der Bonner Oberbürgermeisterin eine ideale Plattform gegeben, ihre Stadt als weltoffen und tolerant darzustellen.
In der Oper ist das Beethoven Orchester mit rund 100 Vorstellungen im Jahr vertreten, dazu kommen verschiedene Konzertformate, die sich mit den verschiedensten Musikstilen auseinandersetzen. Das Karnevalskonzert hat sich jedenfalls als Tradition im Bonner Karnevalsbrauchtum etabliert. Es lockt auch Besucher an, die sonst nicht in Oper und Konzert gehen. Das nächste Karnevalskonzert wird, so Gott will, in der renovierten Beethovenhalle stattfinden.
- Artikel von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Titelfoto: Karnevalskonzert Beethoven Orchester Bonn 28.02.2025/Foto: Tilmann Böttcher