Düsseldorf: Uraufführung der Oper „Schade, dass sie eine Hure war“ – Liebe und Intrige sind zeitlos

Oper Düsseldorf/ „Schade, dass…“/ Annabella (Lavinia Dames), Bergetto (Florian Simson). Foto: Hans Jörg Michel

Die Deutsche Oper am Rhein brachte am 16. Februar die Uraufführung der Oper Schade, dass sie eine Hure war als Auftragsarbeit auf die Düsseldorfer Bühne. John Ford, nach dessen Stück das Libretto geschrieben wurde, war ein Zeitgenosse Shakespeares, stammte aus wohlhabenden Haus, studierte Jura, war aber nie als Richter zugelassen. Als sein Vater 1610 starb, hinterließ er dem Sohn lediglich 10 Pfund, was auf ein Zerwürfnis hinwies. John Ford soll einmal von sich gesagt haben: „Ich muss nicht gefallen“. Thema dieser Oper ist auch dieses mal ein Spiel um Liebe, Intrige, Mord, Laster und Tabubrüche, wie es bereits viele Male Inhalt diverser bekannter Opern ist. (Rezension der besuchten Aufführung v. 16.2.2019)

 

Zusammengefasst handelt die Geschichte von dem Zwillingspaar Annabella und Giovanni, das sich der inzestuösen Liebe hingibt. Im ersten Akt erleben wir die Gewissensnöte, die die Geschwister leiden und dennoch nicht voneinander lassen können. Giovanni vertraut sich einem Mönch an, der in Kirchenmanier und Bigotterie versucht, ihm diese schändliche Liebe auszureden, ihn aber schlussendlich doch allein lässt in seiner Seelenqual. Der Vater der Beiden, Florio, favorisiert einen der Bewerber um Annabella. Dieser Bewerber, Soranzo, will im zweiten Akt seine ehemalige Geliebte Hippolita loswerden, die seinetwegen ihren Gatten Richardetto vermeintlich getötet hat. Aus enttäuschter Liebe verbündet sie sich mit seinem Diener Vasquez, der scheinbar darauf eingeht, ihr bei der Rache zu helfen.

Der gehörnte Ehemann Richardetto hat jedoch überlebt und kehrt mit Hilfe seiner Nichte Philotis zurück um seinerseits Rache zu nehmen. Indessen schwören sich Annabella und Giovanni ewige Treue indem sie ihm den Ring ansteckt, den ihre Mutter ihr gegeben hatte, damit sie ihn einmal ihrem Mann anstecken soll. Das alles wird durch die Inszenierung unterstrichen, indem Annabella die obere Lage ihres Kleides wie einen Brautschleicher über sich breitet.

Oper Düsseldorf/ „Schade, dass…“/Florio (Günes Gürle), Annabella (Lavinia Dames), Mönch (Bogdan Taloş), Soranzo (Richard Šveda). Foto: Hans Jörg Michel

Im dritten Akt erfahren wir von der Schwangerschaft Annabellas, die nun einen ihrer Bewerber, Soranzo, heiraten muss um die Schande zu vertuschen. Der Mönch soll sich noch in der selben Nacht mit ihm verloben. Er prophezeit ihr, das Kind wäre eine Ausgeburt des Teufels, schwachsinnig usw… So unter Druck gesetzt von Vater und Kirche willigt sie ein und sagt sich von ihren Bruder los. Vor der Mönchszelle, wo im Morgengrauen die Verlobung stattfinden soll, gibt es nun weitere Verwicklungen. Grimaldi,ein anderer Bewerber um Annabella, erfährt von den Verlobungsplänen und will seinen Rivalen töten. Er erwischt jedoch den Falschen, denn zur gleichen Zeit will Bergetto, auch ein zurückgewiesener Verehrer von Annabella, der sich inzwischen mit Philotis getröstet hat, diese heiraten.

Nach der Pause beginnt der vierte Akt mit einem eingefrorenen Bild der Hochzeitsgesellschaft von Annabella und Soranzo. Nun trägt Annabella das klassische weisse Kleid, welches eine Braut trägt. Hier auch ein Symbol, dass sie sich von ihrem Bruder losgesagt hat. Auf der Feier erscheint Soranzos ehemalige Geliebte Hippolita und will Soranzo vergiften, ihr Scherge, Vasquez reicht jedoch ihr und nicht seinem Herrn Soranzo den Becher mit dem Gift. Soranzo erfährt von Annabellas Schwangerschaft, er beauftragt seinen Diener, den Namen des Kindsvaters heraus zu bekommen. Er entlockt ihn Annabellas Amme Putana um sie anschliessend verschleppen und foltern zu lassen.

Im fünften Akt sehen sich Giovanni und Annabella zum letzten Mal und geraten in einen Blutrausch um zu sterben. Giovanni tötet Annabella und taucht schwerverletzt auf einer Feier von Soranzo auf, um bekannt zu geben, er habe Annabella getötet. Anschliessend tötet er Soranzo und sich selbst. Ob Florio, der Vater der Geschwister, ebenfalls stirbt, oder ob er nur in Ohnmacht fällt, wird nicht ganz klar.

Nachdem in der obigen Zusammenfassung bereits einige kleine Details zu lesen waren, hier nun noch ein paar Eindrücke des Abends: das Bühnenbild hatte verschiedene Ebenen, die optisch genauso kontrovers zueinander standen, wie die Kostüme der unterschiedlichen Charaktere.

So gibt es eine kalte, moderne Ebene, zu dieser gehören Soranzo, ein Edelmann(Richard Šveda, Bariton) hier als erfolgreicher Geschäftsmann im blauem Anzug dargestellt, seinen Diener Vasquez (Sami Luttinen, Bass) mit dunkler Brille und Bluetooth-Headset als Bodyguard und Hippolita (Sarah Ferede, Mezzosopran), die zurückgewiesene Geliebte.

Oper Düsseldorf/“Schade, dass…“/ Florio (Günes Gürle), Annabella (Lavinia Dames), Mönch (Bogdan Taloş), Soranzo (Richard Šveda). Foto: Hans Jörg Michel

Den Mönch (Bogdan Taloş, Bass) in der Kutte und seine Zelle, unterstrichen wird die Wichtigkeit und Allgegenwärtigkeit der Kirche auch durch die Bühnentechniker, die ebenfalls in Kutten auf der Bühne agierten. Der Vater Florio (Günes Gürle, Bassbariton) und sein Haus, nur dargestellt durch eine große Tür, er mit Gehstock, Reitstiefeln und Gehrock. Richardetto (David Jerusalem, Bass), der totgeglaubte Ehemann von Hippolita, der als angeblicher Arzt zurückkehrt um Rache an seiner Frau zu üben, im Reitmantel mit Kutscherkragen und einer Pferdekutsche im Westernstil, die wie von Geisterhand über die Bühne rollt, das Geheimnis wird während der Vorstellung gelöst, ein Radfahrer in kompletter Radkleidung mit Helm zeigt sich.

Putana (Susan Maclean, Mezzosopran) die Amme von Annabelle in einem schrillbunt-schrägen Kostüm, als witzige Figur mit herrlicher Mimik die überall auftaucht. Grimaldi (Sergej Khomov, Tenor), ein Soldat und Bewerber um Annabellas Hand, hitzköpfig, nach Musketiermanier gekleidet und Degen schwingend wie in jedem guten Mantel- und Degenfilm. Von seinem Kontrahenten abwertend als Feldbettschwuchtel tituliert… Philotis (Paula Iancic, Sopran) als junges Mädchen, unbekümmert und spontan, im abgewandelten Rokokokleid.  Bergetto (Florian Simson, Tenor), wie schon erwähnt war auch er ein Bewerber um Annabella, ebenfalls im Stil des Rokoko gekleidet und agierend. Er stellt sich als ein liebenswerter, von sich und seinen körperlichen männlichen Vorzügen überzeugter Casanova dar.

Oper Düsseldorf/“Schade, dass…“/ Giovanni (Jussi Myllys), Annabella (Lavinia Dames). Foto: Hans Jörg Michel

Annabella (Lavinia Dames, Sopran) und Giovanni (Jussi Myllys, Tenor), die beiden agieren überall, jedoch ist der wesentlichste Bestandteil, in dem sie ihre Liebe zueinander entdecken, wo der seelische Kampf zwischen Begehren und Skrupel ausgefochten wird ein überdimensionaler Fliegenpilz mit umlaufenden Balkon. Ebenso tragen beide rote Kleidung mit Fliegenpilzpunkten. Der Fliegenpilz als Symbol steht hier omnipräsent für das Verbotene, für Gift, für Gefahr, für Tod bringendes.

Zusammenfassend kann man nur sagen, diese Inszenierung machte so, wie sie sich zeigt, deutlich, dass Liebe und Intrige zeitlos sind und in allen Schichten vorgekommen sind und immer vorkommen werden.

Anno Schreier und Kerstin Maria Pöhler haben hier ein großartiges Werk geschaffen und es bleibt zu hoffen, dass es in anderen Häusern auch gezeigt wird. Wunderbar unterstrichen die einzelnen Instrumente die Stimmungen die auf der Bühne dargestellt wurden. Musikalisch ist das Werk sehr stimmungsangepasst, aber auch dabei wechselhaft, in dem Sinne, dass die Musik den einzelnen Charakteren angepasst war. Zum Teil leicht und verspielt, zum Teil fast Wagnerisch gewaltig. Von heiter bis dramatisch heftig. Nicht eben „klassisch“ aber dennoch sehr harmonisch.

Die gesangliche Leistung befand sich durchgehend auf hohem Niveau, was ausnahmslos von allen Sängerinnen und Sängern gehalten wurde. Da fällt es schwer, Einzelleistungen hervorzuheben. Dennoch sollen Lavinia Dames, Jussi Myllys, Paula Iancic, Sami Luttinen, Susan Maclean und Florian Simson besonders erwähnt werden. Sowohl die gesanglichen, als auch die darstellerischen Leistungen fielen hier besonders auf.

Fazit: Es hat Spass gemacht. Den Mitwirkenden ist es gelungen, trotz des ernstes Themas eine Oper mit Witz und Pointentreichtum auf die Bühne zu bringen, modern, zeitlos und ohne in die Klamotte abzudriften. Großes Lob und verdienter Applaus.

 

  • Rezension der  besuchten Premiere von Rene Isaak Laube /RED. DAS OPERNMAGAZIN
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  • Titelfoto: Oper Düsseldorf/“Schade, dass…“/ Giovanni (Jussi Myllys), Annabella (Lavinia Dames). Foto: Hans Jörg Michel
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