Kaum eine andere Premiere der letzten Jahre im Dortmunder Opernhaus hat die Gemüter so erhitzt, wie die der Norma. Bejubelt die Darstellerin der Norma, Miriam Clark, umstritten und teils heftig abgelehnt, die Inszenierung und die Kostüme der Aufführung. Am 18. März wird Norma ein letztes Mal in Dortmund aufgeführt.
Was war geschehen?
Norma, ein Meisterwerk des italienischen Komponisten Vincenzo Bellini, ist eine Priesterin der Gallier. Ihr Volk wird vom römischen Reich unterdrückt und sie soll ihm die Unabhängigkeit wiederbringen. Aber Norma ist auch eine Gefangene zwischen den Welten. Gleichzeitig die Hohepriesterin ihres Volkes, ist sie auch die Geliebte eines römischen Okkupators, mit dem sie zwei Kinder im Geheimen hat. Die Zerrissenheit im Seelenleben dieser vermeintlich starken Frau dem Publikum darzustellen, ist immer eine besondere Aufgabe für ein Regieteam.
Dortmund wartet mit einer phänomenalen Norma auf. Miriam Clark verleiht dieser Rolle Glaubwürdigkeit, große musikalische Momente und lebt ihr Norma-Debüt auf beeindruckende Weise auf der Dortmunder Bühne aus. Dafür wurde sie völlig zu Recht vom Publikum gefeiert.
Ganz anders das Regieteam. Es wurde in der Premiere gnadenlos ausgebuht. Viele Opernbesucher verliessen die Premiere frustriert und unzufrieden. Die Oper Dortmund hatte aber die Signale verstanden und suchte direkt nach den ersten beiden Aufführungen das Gespräch mit dem Publikum.
Meine persönliche Meinung und Kritik der Aufführung war eine der wenigen lobenden, insbesondere auch für die szenische Umsetzung der Oper. Dazu stehe ich natürlich auch noch heute. Zum einen lebt gerade diese Belkanto-Oper in vorderster Linie von der genialen Musik des Komponisten und der sängerischen Umsetzung seiner Vorgaben. Zum anderen heisst es aber auch die Psychologie einer Frau, eben dieser Norma, dem Publikum auf verständliche Art nahe zu bringen. Und dies haben Enrico Lübbe als Regisseur und Bianca Deigner, die Kostümbildnerin, für mich auf den Punkt inszeniert. Gerade die scheinbare Sparsamkeit, die sich auf der Bühne in den Kostümen und im Bühnenbild, abspielte, richtet zwingend das Augenmerk auf die Geschichte der dort agierenden Protagonisten.
Wer Callas– oder Sutherland-Norma’s vor Augen hat, sollte sich auch bewusst sein, dass gerade diese beiden weiblichen Opernlegenden nicht gerade dafür bekannt waren, Experimente in der szenischen Umsetzung einer Opernaufführung zuzulassen. Vielmehr wurden Aufführungen mit diesen beiden Sopranistinnen regelrecht auf die Primadonna zugeschnitten. Und wer heute eine Norma im Bademantel kritisiert, möge sich doch Fotos aus damaligen Norma-Aufführungen ansehen, wo die Hauptdarstellerin mitunter durch ihre Perücke oder ihre opulenten Gewänder fast wie erdrückt wirkte. Die Zeiten ändern sich – und das auch in der Kunst.
Am 18. März wird die Norma das letzte Mal gegeben. Ein Juwel der Operngeschichte, dass sich wahre Opernfans nicht entgehen lassen sollten. In einer bemerkenswerten Inszenierung und mit einer fulminanten Miriam Clark als Titelheldin. Beginn dieser letzten Aufführung ist bereits um 15 Uhr. Vorher wird es eine Matinee der kommenden Premiere von Puccinis „La Boheme“ geben.
Ich empfehle die Dortmunder Norma. Sie gehört für mich als jemand, der seit über 30 Jahren dieses Haus regelmäßig besucht, zum Besten, was ich dort erlebt habe. Nicht nur sängerisch und musikalisch, auch und vor allem wegen der szenisch intelligenten und subtilen Umsetzung des literarischen Stoffes.
Die letzte Aufführung werde ich mir ansehen.