„Marx in London“ – Welt-Uraufführung der Oper von Jonathan Dove in der Oper Bonn

Oper Bonn/Marx in London/Mark Morouse, Marx, mit Chor, British Library/ Foto @ Thilo Beu

Einer der größten Philosophen des 19. Jahrhunderts als Opernheld – geht das überhaupt? Im Jahr des 200. Geburtstags von Karl Marx, der auch einige Semester in Bonn studiert hat, sollte es möglich sein, und es ist am 9. Dezember 2018 gelungen. In der Bonner Oper fand die Welt-Uraufführung der komischen Oper „Marx in London“ von Jonathan Dove nach einem Libretto von Charles Hart, der auch für „The Phantom oft he Opera“ von Andrew Lloyd Webber das Libretto geschrieben hat, als handfeste und ziemlich deftige Komödie statt. Hart ermöglicht es dem Komponisten, viele Versatzstücke erfolgreicher Opern zu persiflieren und zu ironisieren.

 

Die Idee hatte der Regisseur Jürgen R. Weber, der ein ziemlich respektloses Szenario entwickelt hat, die Umsetzung ging vom Bonner Intendanten Dr. Bernhard Helmich aus, der bis 2015 Intendant in Chemnitz, ehemals Karl-Marx-Stadt, war. Helmich holte als Kooperationspartner die Scottish Opera ins Boot, einer der Gründe, warum das Libretto in englischer Sprache verfasst ist, und warb Fördermittel der Kulturstiftung NRW ein.

Oper Bonn/Marx in London/Mark Morouse, Marx, mit Chor, British Library/ Foto @ Thilo Beu

Jonathan Dove, einer der drei wirklich erfolgreichen lebenden Komponisten, hat dazu recht gefällige Musik geschrieben, es ist seine 29. Oper. Der Dirigent David Parry, der in Bonn auch schon Doves häufiger gespielte Familien-Oper „Pinocchio“ dirigiert hat, spielt mit dem Beethoven-Orchester diese Musik zwischen Britten, Glass und Musical-Anklängen sehr griffig und klangschön. Dazu trägt auch der von Marco Medved einstudierte Chor bei, der in den Chorszenen glanzvoll die revolutionären Proletarier verkörpert.

Der Komponist hat die Chance genutzt, die Rollen an seine Darsteller – alles Ensemblemitglieder oder Stammgäste des Bonner Hauses – anzupassen. Vor allem die Partie der Tussy, Tochter von Karl Marx, wurde der jungen Koloratursopranistin Marie Heeschen auf den Leib geschrieben. Sie kann mit einer großen Koloraturarie „My Father“ glänzen.

Ceri Williams als Marx´ Haushälterin Helene, gefeierte Erda in Wagner-Produktionen, bekam profunde Alt-Passagen komponiert, und Yannick Muriel Noah kann als Jenny von Westphalen mit dramatischem Sopran über ihren sozialen Absturz lamentieren, aber sich auch mit Helene ein Duett über die heilsame Kraft eines „Little Glass of Gin“ austauschen.

Der Helden-Bariton Mark Morouse, am Ende der letzten Saison als „Oberst Chabert“ von der Kritik sehr gelobt, gestaltet die Partie des Titelhelden mit Bravour und Selbstironie. Er ist derjenige, um den alles kreist und der fast ständig gefordert ist.

Die Konstruktion der Oper erinnert an Mozarts „Le Nozze di Figaro“ – ein toller Tag im Leben des Karl Marx, genau gesagt soll es der 14. August 1871 sein, wird dargestellt.

Oper Bonn/Marx in London/ Johannes Mertes, Engels, Yannick Muriel Noah, Jenny von Westphalen und Ceri Williams, Helene/Foto @ Thilo Beu

Christian Georg (Tenor) als Freddy, seines Zeichens Waffenschmied und mit Tussy auf einer überlebensgroßen Pistole (große Leistung der Bonner Plastiker-Werkstatt) unterwegs, gibt den jugendlichen Liebhaber, der sich später als naher Verwandter seiner Angebeteten entpuppt und der mit seiner Schießkunst eine kritische Situation entschärft. Ein Geheimagent, der Tenor David Fischer, beobachtet den Haushalt von Marx von einem Kleinflugzeug aus: Marx ist notorisch klamm, seine Avancen an seine Haushälterin werden abgewiesen, seine Möbel werden gepfändet und abtransportiert, ein junger Verehrer macht sich an seine Tochter Tussy heran, in der Bibliothek im British Museum schläft er ein und träumt einen großen Arbeiterchor. Nach der Pause gelingt ihm die Rettung aus seiner Geldklemme: er verpfändet das Tafelsilber seiner Ehefrau, Jenny von Westphalen (Yannick Muriel Noah), die mit furiosem dramatischem Sopran über diese Aktion lamentiert, und übertrumpft im Red Lion Pub in einem Redewettbewerb den italienischen Sozialisten Melanzane mit einer großen Hymne „Capital“, die Marx´ historisch-politische Bedeutung auf den Punkt bringt.

Dazu kommt ein „Freundschaftsduett“ von Heldenbariton Mark Morouse als Marx mit Heldentenor Engels, Johannes Mertes, der letztlich für die Schulden gerade steht und Marx einmal wieder aus der Patsche hilft.

Oper Bonn/Marx in London/ Schlussbild mit Agent (im Flugzeug)/ Foto @ Thilo Beu

Das surreale Bühnenbild (Hank Irwin Kittel) ist ein Paradebeispiel für die sehr guten Bonner Theaterwerkstätten, die auch schon für Monaco („Peter Grimes“), English National Opera („Thebans“) und das Theatro ABAO Bilbao („Jerusalem“)in Kooperationen Bühnenbilder hergestellt haben.

Im Hintergrund sieht man frühkapitalistische Fabrikhallen, halbnackte Arbeitssklaven rangieren die Bühnenelemente, die Marx´ Wohnung darstellen, auf Eisenbahnwaggons über die Bühne.

Für alle Beteiligten ist es ein großer Spaß, vor allem, wenn man als Zuschauer mit der Marxistischen Klassentheorie zu tun hatte, die hier gehörig gegen den Strich gebürstet wird. Ein Opernspaß, der die Versatzstücke großer Oper aufgreift, aber fast als Musical durchgehen könnte, vor allem, was den Unterhaltungswert angeht. Die Aufführungsdauer des Zweiakters (eine Pause) beträgt zweieinhalb Stunden.

Es gibt noch weitere Vorstellungen am 12. und 20. Januar und am 2., 8. und 14. Februar 2019.

 

Rezension von Ursula Hartlapp-Lindemeyer (besuchte Vorstellungen: Premiere und 28.12.2018)

  • Weitere Infos der Oper Bonn unter DIESEM LINK
  • Titelfoto: Oper Bonn/Marx in London/Marie Heeschen(TUSSI), Mark Morouse(MARX), Ensemble – Foto @ Thilo Beu

 

 

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