Männerfreundschaft: 0 Inquisition: 1 – Verdi‘s „Don Carlo“ am Theater Trier

Theater Trier / Foto @ Theater Trier

Es scheint fast wie ein kleines Wunder: Trotz Corona-Auflagen und hoher Inzidenzen konnte sich am Theater Trier am 22.01. der Vorhang zur Premiere von Verdis Don Carlo heben. Zunächst trat Intendant Manfred Langner mit ein paar kurzen Erläuterungen zur aktuellen Situation vor das Publikum: Die Aufführung mit Solisten, Chor, Extrachor und dem, wie bei Verdi unabdingbar, voll besetzten Orchestergraben wird durch konstantes PCR-Monitoring aller Mitwirkenden möglich. Langner dankte der Stadt und insbesondere dem anwesenden OB Dr. Wolfram Leibe für die Möglichkeit, so den Spielbetrieb immerhin soweit wie möglich aufrecht zu erhalten. Trotzdem mussten einige Beteiligte der Vorstellung vorsichtshalber quarantänebedingt fernbleiben, so auch der Regisseur des Abends, der Trierer Operndirektor Jean-Claude Berutti. (Gesehene Vorstellung: Premiere am 21.01.2022)

 

Zu den berühmten Hornklängen der ersten Takte hebt sich der Vorhang und offenbart ein originelles Raumkonzept: Bühnenbildner Rudy Sabounghi zitiert an den Seiten der Bühne die markante Wandverkleidung des Trierer Zuschauerraums und verlängert diesen somit gleichsam ins szenische Geschehen hinein. So wird das ständige Beobachtetsein der Figuren zum bestimmenden Element der Inszenierung, der Zuschauer fast zum Mittäter der spanischen Inquisition, deren unsichtbare Hand immer über den Personen der Handlung droht.

In einer trüben Herbstlandschaft mit gefallenem Laub kehrt ein einsamer Mönch die Stufen zur Krypta Karls V. Don Carlo (Thorsten Büttner) betritt die Bühne in Trauer über den Verlust seiner Geliebten, der französischen Prinzessin Elisabeth von Valois, die grausamerweise mit seinem Vater, König Philipp II. vermählt wurde.

Aus der Krypta erscheint ihm der Geist seines königlichen Ahnen: Der junge rumänische Bass Andrei Nicoara singt diesen geisterhaften Carlo Quinto mit mächtiger, wunderbar gefärbter Stimme und lässt den Abend so auf sängerisch hohem Niveau starten.

Theater Trier/DON CARLO/Thorsten Büttner  und Carl Rumstadt /Foto © Martin Kaufhold

Die Erscheinung Karls V. tritt als einzige Figur im historischen Kostüm auf. Der Rest der Ausstattung (Jeannie Kratochwil) ist im Stil der späten Sechziger, bzw. der frühen Siebziger gestaltet. Don Carlo, in hellem Nadelstreifenanzug und Mantel, klagt dem Geist seines Großvaters sein Leid. Als dieser wieder in seiner Gruft verschwindet, betritt Carlos Jugendfreund Rodrigo von Posa (Carl Rumstadt) die Szene. Schon optisch stellt der verwegene Malteserritter sein konträres Wesen zum Titelhelden deutlich dar: Finster, bärtig, in schwarzes Leder und Wolfspelz gehüllt wirkt er wie der Mann, der der leidende Don Carlo nie sein konnte. Posa versucht, Carlo aus seiner Melancholie zu reissen, indem er ihn für den Kampf für die von der spanischen Krone unterdrückten Flandern begeistert. Das Freundschaftsduett der beiden stellt einen frühen musikalischen Höhepunkt dieser Aufführung dar.

Die Szene wandelt sich: Die Gemächer der Königin sind wiederum Spiegelbild des Zuschauerraums, die Hofdamen sind mit der Protokollierung des Palastgeschehens beschäftigt, das auf einer Reihe von Monitoren überwacht wird. Weiterhin bestimmt das Verschmelzen von Theater, Überwachungsstaat und Inquisition die Inszenierung. Die Prinzessin Eboli (Janja Vuletić) singt das folkloristisch anmutende  Schleierlied. Begleitet wird sie dabei von dem Pagen Tebaldo. Auch hier zeigt sich, dass die Trierer Theaterleitung bei der Auswahl junger Stimmen zur Besetzung der kleineren Rollen das richtige Händchen besitzt: Nayun Lea Kim stellt diese Hosenrolle überzeugend dar und lässt mit ihrem silbrig klaren, sehr sauber geführten Sopran auch gesanglich keine Wünsche offen.

Zu der munteren Runde stösst Elisabeth (Arminia Friebe), die Königin in Begleitung ihrer Amme, der Gräfin von Aremberg (Iskra Bakalova). Mit blonder Hochsteckfrisur und weißem Mantel wirkt Elisabeth wie eine reine Lichtgestalt im politischen Sumpf dieses Hofstaats. Trüb gestimmt und einsam unter all diesen Begleiterinnen hält sie sich im Hintergrund des Geschehens. In die Damenrunde platzt nun der Marquis von Posa. In einer augenzwinkernden Wendung der Inszenierung versucht jede der sichtlich entzückten Hofdamen, ein Selfie mit dem schneidigen Kriegshelden zu ergattern. Heimlich übergibt er der Königin einen Brief von Carlo und bittet sie um eine Audienz für seinen unglücklichen Freund. Die Romanze Posas zeigt das famose Zusammenspiel zwischen dem Orchester unter GMD Jochem Hochstenbach und den Solisten. Phrasierung und Balance stimmen da auf den Punkt. Den Singstimmen hilft das Bühnenbild mit den großen Holzoberflächen durchgängig, sich auch bei der potenten Orchestrierung Verdis durchzusetzen.

Elisabeth stimmt zu, Carlo zu empfangen, woraufhin Eboli und Posa den Damenchor von der Bühne geleiten.

Theater Trier/DON CARLO/Zsuzsanna Ádám  und Thorsten Büttner /Foto © Martin Kaufhold

In dem großen Duett der unglücklich Liebenden ergibt sich Carlo der Wildheit seiner Emotionen, wirft sich zu Elisabeths Füßen und wird beinahe handgreiflich, als sie seine Annäherung nicht zulassen will. Doch die Königin bleibt hart: Auch wenn sie Philipp nicht liebt und über ihre Trennung von Carlo verzweifelt ist will sie ihre Pflicht als Regentin nicht verraten. Carlo stürzt verzweifelt aus dem Raum, gerade rechtzeitig, um nicht von seinem Vater, dem König (Roman Ialcic) erwischt zu werden, der nun in Begleitung seiner Gefolgschaft die Bühne betritt. Die hünenhafte, in einen strengen Zweireiher gehüllte Gestalt des Königs lässt keinen Zweifel an seinem Autoritätsanspruch. Die Inszenierung kann sich hier auf den Effekt der beachtlichen Körpergröße und der kühlen Ausstrahlung Ialcics verlassen.

Dass die Königin allein, ohne Begleitung anzutreffen ist, stellt einen Fauxpas gegen die höfische Etiquette dar. Erzürnt verbannt König Philipp die Gräfin von Aremberg, die als Anstandsdame nicht von der Seite ihrer Herrin hätte weichen dürfen. Voller Trauer und impliziter Vorwürfe an ihren Gatten verabschiedet Elisabeth sich von ihrer Vertrauten. Betreten verlässt der gesamte Hofstaat die Szene. Einzig Posa wird vom König zurückgehalten. Als einziger hat er Philipp noch nie um eine Gunst als Lohn für seine Dienste an der Krone gebeten. Dieser will endlich wissen, was sein Anliegen am Königshof ist. Posa antwortet, er selbst brauche nichts von seinem König, sein einziges Anliegen sei die Befreiung Flanderns. Kühn und in grellen Farben hält er dem Herrscher seine Grausamkeit gegen das flämische Volk vor. Philipp weist zwar Posas Anliegen zurück, ist aber derart beeindruckt von dessen Ehrlichkeit und Mut, dass er ihn zu seinem engsten Vertrauten macht. Hier gelingt der Produktion ein weiterer rührender Moment der Männerfreundschaft, die versucht, sich gegen die Unmenschlichkeit der Macht zu stemmen.

Der König verlässt die Gemächer seiner Frau und Posa bleibt zurück, berauscht von der Möglichkeit, seinen neugewonnenen Einfluss auf den König für seine politische Agenda zu nutzen. Ein wölfisch verschlagenes Grinsen erhellt seine Züge. Die Regie und der Darsteller bringen es fertig, die Ambivalenz dieses widersprüchlichen Antihelden packend darzustellen.

Das Bühnenbild verändert sich erneut. Nebel und die Projektion nächtlicher Waldlandschaften transportieren das Geschehen in die königlichen Gärten. Die Prinzessin Eboli, nun in Mantel und Hut der Königin verfänglich ähnlich gekleidet, hat Carlos Besuch bei Elisabeth als Annäherungsversuch ihr selbst gegenüber missgedeutet und Carlo eine Einladung zum mitternächtlichen Rendezvous geschickt, als deren Absenderin Carlo wiederum fälschlicherweise Elisabeth annimmt. Zu spät erkennt er seinen Irrtum und verrät so seine Liebe zur Stiefmutter. Die gekränkte Eboli droht, ihn an den König zu verraten. Der Marquis von Posa, der über Carlos Schritte wacht und einschreitet befiehlt der Prinzessin mit vorgehaltener Pistole, ihr Wissen geheimzuhalten. Nachdem sie wütend abgegangen ist, lässt Posa sich von Carlo alle Dokumente geben, die auf seine Verwicklung in die flämische Freiheitsbewegung schließen lassen. Carlo, verunsichert durch die neue Nähe zwischen Posa und seinem Vater, ringt sich schlussendlich durch, seinem alten Freund zu vertrauen. Heimlich gefilmt und beobachtet wird alles von Tebaldo, der als königlicher Spion immer wieder über die Bühne schleicht.

Theater Trier/DON CARLO/Roman Ialcic , Karsten Schröter und Janja Vuletic/ Foto© Martin Kaufhold

Das nun folgende Autodafé ist in der Trierer Inszenierung keine Hinrichtungszeremonie sondern Machtdemonstration des autoritären Staatsapparates: König Philipp erscheint in Uniform und erinnert so an die militaristische Selbstinzenierung der Diktatoren des späteren 20. Jahrhunderts. Das versammelte Volk und die Würdenträger sind in festliche Abendgarderobe gekleidet. Einen ersten stummen Auftritt hat hier der Großinquisitor (Karsten Schröter). Umgeben von unheimlichen Mönchen verbreitet seine Anwesenheit furchtsamen Respekt unter den Feiernden. Beruttis Inszenierung gelingt es eindrücklich, die bedrückende Übermacht dieses fanatischen Kirchenfürsten spürbar zu machen. Die ganze Zeremonie wird von Fernsehkameras festgehalten, deren Bilder im Hintergrund auf einer Leinwand gezeigt werden. Wiederum ist alles und jeder in jedem Augenblick für Staat, Öffentlichkeit und Inquisition sichtbar.

Don Carlo stört die Feier, indem er vor aller Augen Deputierte aus Flandern (Andrei Nicoara, Christophe Bornet, Tim-Lukas Reuter) vor den König führt und diese ihre Bitte um Gnade vorbringen lässt. Erzürnt weist der König ihre Bitten und Carlos Ersuchen, ihn als Regenten nach Flandern und Brabant zu entsenden zurück. Die Situation eskaliert und Carlo zieht den Säbel um seinen Vater zu töten. Um noch Schlimmeres zu verhindern stellt sich Posa zwischen Vater und Sohn. Er entwaffnet Carlo, der erschüttert über den vermeintlichen Verrat seines Freundes von der Inquisition abgeführt wird. Die Zeremonie nimmt weiter ihren Lauf.

In dieser alle musikalischen Kräfte des Abends vereinenden Szene gelingt es Hochstenbach wiederum beeindruckend, den Überblick und die Kontrolle über Orchester, Chöre und Ensemble zu behalten. Das vielschichtige Geflecht der Stimmen gelingt in beispielhafter Präzision und Balance.

Nach der Pause zeigt sich Philipp dem Publikum nicht mehr als Monarch sondern als Mann: In seinen Privatgemächern, müde, derangiert in aufgeknöpfter Anzugweste und umgeben von einigen fast leeren Whiskyflaschen kontempliert er die lieblose Beziehung zu seiner Frau und sein rastloses Dasein als Herrscher. Die Prinzessin Eboli spielt ihm Elisabeths Schmuckkasten zu, in dem sich auch ein Bildnis Carlos befindet. Dies sieht der König als Beweis einer Affäre zwischen seiner Gattin und seinem Sohn.

Der Großinquisitor, vom König um eine Audienz gebeten betritt den Raum. Trotz Blindenstock und Tonsur strahlt er bedrohliche Autorität aus. Sein Auftrittsmotiv, diese unbeschreibliche musikalische Manifestation der Angst in den tiefen Streichern und Holzbläsern verleiht ihm eine beklemmende Aura der Finsternis.

Philipp lässt sich von ihm im Voraus Absolution für die Hinrichtung seines Sohnes erteilen. Der Inquisitor fordert im Gegenzug von ihm die Hinrichtung des Marquis von Posa, der mit seinen liberalen Idealen ein Dorn im Auge der Inquisition ist. Verzweifelt muss Philipp erkennen, wer die wahre Macht in Händen hält.

Dieses fantastische Duett, fast könnte man sagen: Duell der Bassstimmen ist ein einzigartiges Highlight in Verdis Partitur und verfehlt auch hier seine Wirkung nicht.

Die Königin, erzürnt über den Diebstahl ihres Schmuckkastens, stürmt in den Raum und fordert den König auf, ihr Recht zu verschaffen. Dieser konfrontiert sie mit dem Bildnis Carlos. Sie gesteht, immer noch Gefühle für den Thronfolger zu empfinden, weist jedoch den Vorwurf des Ehebruchs zurück. Philipp erhebt die Hand gegen sie, woraufhin sie in Ohnmacht fällt. Der König ruft um Hilfe für Elisabeth, woraufhin Eboli und Posa herbeieilen. Eboli bereut ihren Verrat, Posa tadelt den König für seine Unbeherrschtheit und erkennt, dass er nun handeln muss, wenn er Carlos Leben retten will.

Theater Trier/DON CARLO/Thorsten Büttner  und Carl Rumstadt /Foto © Martin Kaufhold

Nach einem weiteren Szenenwechsel sieht man Carlo im Kerker. Tief hängende Spots werfen gnadenloses Licht auf den  Prinzen, der in erschütternder Resignation am Boden seiner Zelle sitzt. Als Posa das Gefängnis betritt und ihm eröffnet, er müsse in die Freiheit gelangen und Flandern retten, versteht er nicht, wie er nach allem Vorgefallenen noch auf Freispruch hoffen kann. Da eröffnet ihm Posa, was er für ihn getan hat: Alle verschwörerischen Briefschaften hat er unter seinem Namen der Inquisition in die Hände fallen lassen. Er steht somit als alleiniger Urheber der Rebellion da und Carlo muss freigelassen werden. Als Carlo protestiert und alles aufklären will betritt bereits ein Scherge des Inquisitors den Kerker und erschießt den Marquis. Der sterbende Posa gemahnt Carlo zum letzten Mal seiner Pflicht als Retter der Flandern und bricht in den Armen seines Freundes zusammen. Obwohl oft gesehen, kann man sich auch hier der Wirkung des herzzerreißenden Opfers des treuen Rodrigo nicht erwehren. Die zwei letzten Arien Posas stellen einen weiteren künstlerischen Höhenflug dar, Hochstenbach begleitet mit großem Können und unbeschreiblichem Feingefühl.

Der König betritt die Zelle, um Carlo die Freiheit zurückzugeben. Dieser jedoch stößt, außer sich über den Tod Posas, den Vater von sich. Der König, nicht weniger bestürzt über die gnadenlose Hinrichtung, kniet neben den Toten nieder, nimmt seinen Leichnam in die Arme und ruft die markerschütternden Worte: „Wer gibt mir diesen Menschen zurück?“.

Unvermittelt verlangt eine aufgebrachte Volksmenge, angeführt von der Prinzessin Eboli die sofortige Freilassung des Prinzen. Die Lage droht dem König zu entgleiten, doch in diesem Moment betritt der Inquisitor, durch Rodrigos Tod zufriedengestellt, die Szene und befiehlt der Masse, vor ihrem König niederzuknien. Das Volk gehorcht sofort der Übermacht des Großinquisitors.

Interessant der Einfall der Trierer Inszenierung, dass die Inquisition am Ende des Aktes auch die Prinzessin Eboli als Anführerin des Pöbels erschießen lässt. So wird der Rolle dieser ohnehin starken Frau im Stück zusätzlich Bedeutung verliehen, ein bemerkenswerter Kunstgriff.

Zurück vor der Gruft des verstorbenen Karl V. treffen sich Elisabeth und Carlo um endgültig Abschied zu nehmen. Sie wollen Posas Andenken ehren und alles für die Befreiung Flanderns tun. Ein rührendes Detail ist hier, dass Carlo Posas Seesack über der Schulter trägt. Vielleicht ist er nun schon mehr der Mensch, der er zur Erfüllung seiner Pflichten sein müsste und immer sein wollte.

Der König überrascht die beiden, wie er meint bei einem geheimen Stelldichein. Als er eben die Wachen seinen Sohn ergreifen lassen will, erhebt sich erneut der Geist des alten Kaisers aus der Krypta und entrückt seinen Enkel außerhalb der Reichweite der weltlichen Mächte.

Wenn ein kleineres Theater wie Trier sich an ein so großformatiges und in der Hörerwartung des Publikums durch berühmte Aufnahmen vorbelastetes Stück wie Verdis Don Carlo wagt, geht es immer ein hohes Risiko ein. In Trier zahlt sich dieses Risiko (zumal unter den zusätzlichen Belastungen durch die Pandemie) auf beeindruckende Weise aus.

Jochem Hochstenbach /Foto @ Marco Piecu

Das Philharmonische Orchester der Stadt Trier läuft im Angesicht der Herausforderung zu beachtlicher Form auf. Man hört den Eifer und die Begeisterung, genau dieses Stück in genau diesen Zeiten spielen zu dürfen. Der GMD Jochem Hochstenbach zeigt sich als Meister der musikalischen Dramatik und fördert verblüffend vielfältige, packende Farbigkeit zu Tage. Die dem Stück innewohnende Klanggewalt wird physisch spürbar, trotzdem bleiben die Sänger stets hörbar. So dirigiert man Verdi!

Eine weitere Schwierigkeit bei der Aufführung des Don Carlo ist, dass ein Opernhaus in diesem Stück sechs große Solopartien zu besetzen hat. Dass Trier dies allein mit Ensemblemitgliedern und ausschließlich mit Rollendebuts tut, verdient an sich schon Beachtung.

Zuerst muss hier der junge Bariton Carl Rumstadt genannt werden, der mit seinem Verdi-Debut als Posa auf ganzer Linie überzeugt. Er bringt es fertig, alle Qualitäten, die man in dieser schwierigen Partie hören will zu bedienen: Echter italienischer Klang, schier unendliche Atembögen, virtuoses Piano und ausgefeilte Linienführung – das ganze mit einer markanten, edel virilen Stimmfarbe.

Thorsten Büttner singt einen tadellosen Don Carlo, so wie man ihn in Trier nicht zu hören erwarten würde. Er hält die mörderische Partie ohne Probleme durch und liefert in der Rolle des bemitleidenswerten Infanten ein ungemein anrührendes Porträt. Sein lyrischer, von emotionalem Schmelz geprägter Tenor ist in der Mittellage erstaunlich tragfähig und wird der wunderbaren Charakterisierung in Verdis Partitur absolut gerecht.

In der Rolle des Königs hat das Theater mit Roman Ialcic einen Sänger der stimmlich und körperlich ausgezeichnete Anlagen für die Interpretation dieser legendären Partie besitzt. Seine volle, dunkle Stimme und seine beachtliche Statur sind gute Voraussetzungen für einen eindrücklichen Philipp. Seine italienische Diktion lässt immer wieder slawische Anklänge durchhören. Stimmlich eigentlich gut disponiert, klingen die hohen Passagen gelegentlich diffus.

Der zweite Bass des Stücks, Karsten Schröter in der Rolle des Inquisitors beeindruckt mit fokussierter, gewaltiger Stimme. Im Duett mit König Philipp trumpft er mit durchgängig tadellos geführtem Stimmsitz, echter Klanggewalt und bemerkenswertem Stimmumfang. Er überzeugt sowohl mit seriöser Tiefe, als auch mit strahlkräftiger Höhe. Man darf freudig gespannt sein auf den Trierer Rosenkavalier, wo man in der Rolle des Ochs von Lerchenau mehr von diesem Sänger hören darf.

Arminia Friebe als Elisabeth hat es mit ihrer Partie von allen Solisten am schwersten, die Rolle liegt sehr tief für ihren eher hellen, klangschönen Sopran. Für teilweise unsichere Intonation entschädigt sie die Zuhörer allerdings mit sehr schön geführten Piani. Als Prinzessin Eboli ist Janja Vuletić mit dunkel gefärbter, reifer Mezzostimme eine sehr gelungene Besetzung. Besonders in der Arie „O Don fatale“ läuft sie zu großer Form auf. Ihre durchsetzungsfähige, gekonnte Interpretation wird vom Publikum gefeiert.

Obwohl keine der wirklichen Choropern Verdis, darf man die Rolle des Chores bei Don Carlo nicht unterschätzen. Der Chor des Theaters Trier und der Extrachor liefern unter Chordirektor Martin Folz eine sympathisch engagierte und erstaunlich effektive Leistung ab.

Die Inszenierung von Jean-Claude Berutti bleibt dem Quellenmaterial treu und erzählt unaufgeregt und subtil eine anrührende Geschichte. Besonders in den Fokus gerückt erscheint dabei eher das „Freundschaftsdreieck“ zwischen den drei männlichen Hauptfiguren als das bekannte Liebesdreieck Carlo-Elisabetta-Filippo.

Abschließend ist zu sagen, dass dem Theater Trier hier ein wirklich überzeugender Opernabend gelungen ist. Die Produktion bricht eine Lanze für kleinere Theater die sich, mit geeigneten Interpreten, an das große Repertoire wagen. Ein Besuch dieser Inszenierung lohnt die teilweise beschwerliche Fahrt nach Trier, auch über regionale Grenzen hinweg.

 

  • Gastrezension von Tristan Gusdorfer für Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Theater Trier / Stückeseite
  • Titelfoto: Theater Trier/DON CARLO/Thorsten Büttner als Don Carlos und Carl Rumstadt als Rodrigo/Foto © Martin Kaufhold

 

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