Staatsoper Hamburg /LUISA MILLER/ Foto @ Monika Rittershaus

Giuseppe Verdis „Luisa Miller“ an der Staatsoper Hamburg – stürmisch gefeierte Aufführung vom 22.9.2018

Staatsoper Hamburg/ LUISA MILLER/ Foto @ Monika Rittershaus
Staatsoper Hamburg/ LUISA MILLER/ Foto @ Monika Rittershaus

Verdis „Luisa Miller“ an der „Staatsoper Hamburg“

Nino Machaidze als „Luisa“ umjubelt! – Joseph Calleja als „Rodolfo“ mit gefeiertem Rollendebüt!

 

Wer kennt sie nicht, und sei es nur aus dem Deutschunterricht: Friedrich von Schillers Tragödie „Kabale und Liebe“, das Drama um Liebe, Väter und Kinder? Und auch Eifersucht, Machthunger, Intrigen und Tod?

Giuseppe Verdi und Librettist Salvadore Cammarano schufen daraus die Oper “Luisa Miller“, ein Werk, dessen Arien und Melodien, vielleicht abgesehen von der Arie des Rodolfos „Quando le sere al placido“, etwas weniger bekannt sind als andere Melodien von Verdi, denen es jedoch keinesfalls an Schönheit, Eingängigkeit und auch Verdi-typischer Dramatik mangelt.

Am 8. Dezember 1849 fand im Teatro San Carlo in Neapel die Uraufführung statt. Erst 1981 feierte „Luisa Miller“ die Hamburger Erstaufführung und wurde 2014 von Andreas Homoki neu inszeniert. Am 22.09.2018 nun kehrte die Luisa der damaligen Premiere, Nino Machaidze, zurück. An ihrer Seite debütierte der maltesische Tenor Joseph Calleja als Rodolfo. Beide, -nein-, das gesamte Ensemble, einschließlich Orchester und Chor bescherten dem begeistertem Publikum einen genussvoll-dramatischen Abend, für die Ohren und auch das Gemüt.
Andreas Homokis Inszenierung beginnt bereits während der Ouvertüre, die nicht aus „Melodienhäppchen“ des Stückes besteht, sondern ein Motiv, das als „Schicksals- oder Intrigenmotiv“ bezeichnet wird. Passend zu diesem Motiv, zeigt Homoki Blitzlicher der Vorgeschichte: Der Sohn verlässt den Hof des Vaters. Seine bürgerliche Geliebte stellt ihn, dessen Herkunft sie nicht kennt ihrem Vater vor, die Liebenden werden von Wurm, der sich selbst Hoffnung auf Luisa machte erwischt und Ähnliches mehr. Dass diese Blitzlichter immer wieder von einem blickdichten Gazevorhang unterbrochen werden befremdet ebenso, wie es die Wirkung der Musik zu intensivieren scheint.
Die Personenführung
Homokis lässt den Chor als eine stereotype Gesellschaft erscheinen. Unterstützt wird dieser Eindruck durch die Kostüme von Gideon Davey. Die Kleider entsprechen der damaligen Mode, doch sind sie in der nicht bunten Farbe Weiß gehalten. Weiß nicht für Unschuld, doch eher als Hinweis auf einen Mangel an Charakterfarbe/-stärke? Ein Eindruck der auch durch die Esels- und Schafs-Handmasken zu Beginn und die weiß gemalten Gesichter am Ende, entsteht.

Die Protagonisten sind eher in erdige Farben gekleidet, oder im Falle von Luisa sonnengelb. Nur Rodolfos Vater Conte di Walter trägt die Signalfarbe Rot. Federica, die Frau, die der Graf als Gattin für seinen Sohn erwählte, sticht durch einen extrem eckigen Reifrock hervor. Wirkt so da gekünstelt und unecht, wo Luisa mit ihrer Natürlichkeit besticht.

Staatsoper Hamburg /LUISA MILLER/ Foto @ Monika Rittershaus
Staatsoper Hamburg /LUISA MILLER/ Foto @ Monika Rittershaus

Paul Zollers Bühnenbild ist schlicht, ohne trist zu sein. Die Darsteller bewegen sich zwischen drei mobilen Bühnenräumen hin und her. Der jeweilige Schauplatz ist durch einen einzelnen Sessel, einen Stuhl mit Schreibtisch oder langer Tafel, gekennzeichnet. In einzelnen Szene lehnen riesige Gemälde in prunkvollen Rahmen im Hintergrund: eine ländliche Szene, ein blauer Himmel voller Schäfchenwolken, ein dunkler Pfad und schließlich ein immer mehr in Wolkenflammen stehender Himmel. Im letzten Bild dann wirkt eine Guillotine anstelle der Bilder, wie das grausame Fallbeil des Schicksals.
In „Luisa Miller“ geht es nicht alleine um unstandesgemäße Liebe, sondern auch um Väter und darum, was diese für ihre Kinder ersehnen: Miller
(Roberto Frontali) möchte nichts dringender, als das seine Tochter glücklich ist, dafür ist er bereit sein Wort gegenüber Wurm (Ramaz Chikviladze) zu geben. Walters (Vitalij Kowaljow) Bestreben ist es, die eigene Macht auf den Sohn zu übertragen, dafür verlangt er von Rodolfo (Joseph Calleja), dass dieser eine Frau heiratet, die seiner Stellung am Hofe entspricht.
Roberto Frontali gelingt es von Anfang an, das Publikum von der Redlichkeit des Millers zu überzeugen: Luisa gegenüber ist er so fürsorglich zärtlich, Wurm und Walter gegenüber zeigt er Rückgrat und Stärke, soweit es möglich ist. Kraftvoll ist auch die Stimme des aus Rom stammenden Baritons, sie ist eher metallern, als warm koloriert, füllt sein Gesang den Saal, hinterlässt nicht allein dass Gefühl, mit zu leiden und zu fühlen, aber auch die Überzeugung, das hier jemand mit Erfolg sein bestes gibt. Nicht nur in seiner Arie samt Cabaletta im ersten Akt, sondern den ganzen Abend über.
Der ukrainische Bass
Vitalij Kowaljow ist jeder Zoll der Herrscher. Seine Bühnenpräsenz beeindruckt ebenso, wie sein warmes Timbre: bitter-zarte Schokolade für die Ohren, sicher und voller Spannungskraft in jeder Tonhöhe. Auch er ist ein Sängerdarsteller, dem es gelingt, darstellerisch in den Bann zu ziehen und Walter zu verachten, während man in seinen schönen Tönen schwelgt.

Der Dritte im Bunde der dunklen Herrenstimmen ist Ramaz Chikviladze als schleimiger, hinterhältiger Intrigant Wurm. Der Georgier Chikviladze kann als kriecherischer Untergebener ebenso überzeugen, wie als brutaler, verschmähter Liebhaber.

Die Szene zwischen Wurm und von Walter, zeigt, mit diesen beiden Protagonisten, welch wunderschöne Melodien Giuseppe Verdi auch für Bässe schrieb.

Staatsoper Hamburg /LUISA MILLER/ Foto @ Monika Rittershaus
Staatsoper Hamburg /LUISA MILLER/ Foto @ Monika Rittershaus

Ein weiterer Meisterwurf des Komponisten ist das a-capella Quartett zwischen Walter, Wurm, Federica (Nadezhda Karyazina) und Luisa (Nino Machaidze), bei dem es darum geht, Federica mithilfe, der ihre Liebe verleugnenden Luisa zu einer Hochzeit mit Rodolfo (Joseph Calleja) zu überreden. Nadezhda Karyazina verfügt über eine Stimme, deren Größe und Fülle immer wieder aufs Neue überrascht und verzaubert und der es gelingt selbst Rollen mit eher kurzer Auftrittsdauer, Kontur zu geben. So fällt es fast nicht auf, dass Verdi die Rolle der Federica, sehr sparsam gestaltete, denn Karyazina, verleiht ihr Profil.

Die größte Aufmerksamkeit verdienen natürlich Machaidze und Calleja als leidendes Liebespaar. Die lange und gesanglich, wie auch schauspielerisch anspruchsvolle Schlussszene der beiden, würde von der Spannung her und der Energie die zwischen den Künstlern selbst, aber auch ihnen und den Zuschauern fließt, einem Hitchcock-Thrille r alle Ehre machen. Die Chemie stimmt und macht dadurch einen Abend in der Oper zu einem Erlebnis, das aus den Alltag entführt und- ach wie wunderbar- zwingt, einfach zu genießen.

Doch auch für sich gesehen erfüllen Calleja und Machaidze ihre Rollen mit selbstverständlich wirkender Bravour. Rollendebütant Calleja begeistert mit jedem Ton, jeder Geste. Mag es auch hoch gegriffen sein, so ist der Vergleich mit Luciano Pavarotti verständlich. Calleja besitzt einen ähnlich lyrisch-dramatischen Schmelz. Er schmettert die hohen Töne heraus wo sie geschmettert werden müssen, wechselt aber eben so sicher in die Mittellage, wie es ihm gelingt von Mezzoforte, in das Piano von Liebesschwüren und Trauer überzugehen. Möge er noch oft an die Staatsoper Hamburg zurückkehren, gern an der Seite von Nino Machaidze, mit der er auf ganzer „Bühnenlinie“ harmonisiert.

Nino Machaidze / Foto @ privat
Nino Machaidze / Foto @ privat

Nino Machaidze eroberte Hamburg bereits vor vier Jahren als Luisa Miller, einer Partie, die die Georgierin, laut eigener Aussage sehr liebt. Sie scheint ihr auch wirklich wie auf den Leib geschrieben. Auf den ersten Blick, oder besser Ton, scheinen die Koloraturen, die teilweise fast fröhliche Leichtigkeit, die Verdi der „Luisa“ verordnen musste, nicht zu der tiefen Tragik der Rolle zu passen. Doch nahezu mühelos bewältigt sie diese Töne im Zusammenhang mit ihrer intensiven und authentischen Darstellung. Ihr Sopran erinnert an jene tibetanischen Klangschalen, von denen man glaubt, sie seinen eher dunkeltönend, die jedoch über ein breites Register verfügen, abhängig davon, wo man sie anschlägt. Für ihre Ausdruckskraft gilt dies ebenso.

Die Bandbreite von Gefühlen, die Machaidze darzustellen vermag, reicht von liebevoll bis aufbrausend,bis hin zu voller ungezähmter Wut. 

Diese Intensität der Darstellung und die stimmliche Strahlkraft aller Beteiligten, eingeschlossen Ida Aldrian als Laura, sind es, die wunderbares Musiktheater ausmachen. Betonung auf „Musik“ und „Theater“.
Aber wie stets sind es erst der
Chor der Hamburgischen Staatsoper unter Leitung von Eberhard Friedrich und das Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, dieses Mal unter Dirigent Alexander Joeldie den Abend komplett machen. Abschließend sei jedoch noch gesagt, das gerade diese Produktion deutlich macht, dass es in noch eine Gruppe gibt, die für den reibungslosen Ablauf unentbehrlich ist, aber oft unbeachtet bleibt: Die Technik der Staatsoper Hamburg, von der hier, verdeckt und unbemerkt, viel Handarbeit verlangt wird.

Musiker und Darsteller wurden stürmisch gefeiert und umjubelt, doch an dieser Stelle beziehe ich die Damen und Herren der Technik in mein „Bravo tutti“, endlich einmal mit ein!

 

  • Weitere Infos, Termine und Kartenvorverkauf unter DIESEM LINK
  • Rezension der besuchten Vorstellung v. 22.9.2018 in der Staatsoper Hamburg von Birgit Kleinfeld

 

  • Titelfoto: Staatsoper Hamburg /LUISA MILLER/ Foto @ Monika Rittershaus
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