„Das ewige Licht leuchtet ihm“ – Teodor Currentzis im Théâtre du Châtelet, Paris

Teodor Currentzis © Anton Zavjyalov

Kaum ein Dirigent macht so viel Reden um sich und inszeniert seine Auftritte so sehr, wie Teodor Currentzis. Und kaum ein Porträt oder Interview über den griechischen Dirigenten kommt ohne Beschreibungen wie „enfant terrible“ oder „Rebell“ aus. Auch Begriffe wie „Messias“ oder „Heilsbringer“ fallen im Zusammenhang mit seinen Konzerten nur allzu oft. Bekannt für seine intensiven und exzentrischen Auftritte, sein ungewöhnliches Dirigat und stets einzigartige Vorstellungen, trat er nun erstmals im kürzlich wiedereröffneten Théâtre du Châtelet in Paris auf. (Besuchte Vorstellung: 27. Oktober 2019

 

Nachdem das Théâtre du Châtelet für fast drei Jahre geschlossen blieb, um sich intensiven Renovierungsarbeiten unterziehen zu lassen, öffnete es im September 2019 an seinem derzeitigen Standort am Place du Châtelet, im Herzen von Paris, wieder seine Pforten.

Als Théâtre impérial du Châtelet in den 1860er Jahren erbaut, und als Teil des Ufers der Seine als UNESCO Weltkulturerbe gelistet, bietet es Platz für über 2000 Zuschauer und bietet seinen Besuchern ein vielfältiges Angebot an Konzerten mit klassischer Musik, Tanz, Musicals und diversen Gastspielen.

Das im italienischen Stil erbaute Theater blickt auf eine reichhaltige Geschichte zurück. Erbaut vom Architekten Gabriel Davioud auf dem Gelände der ehemaligen Festung Grand Châtelet und von kriegsbedingten Schließungen betroffen, wurde das Theater zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein wichtiger Aufführungsort für Operette, Ballett und klassische, als auch populäre Konzerte. Zeitweise wurde es sogar für Filmvorführungen genutzt.

Seit dem Ende der 1970er Jahre wurden neben einer grundlegenden Renovierung mehrmals die Akustik des Hauses verbessert, und die Sichtbedingungen optimiert. Die vor drei Jahren begonnene Sanierung kostete etwa 30 Mio. Euro und beinhaltete auch einen Wechsel in der Führungsetage. Letztere ist nun mit Ruth Mackenzie und Thomas Lauriot dit Prévost besetzt, die ihr Theater möglichst vielen Menschen zugänglich machen wollen – sei es durch Inklusion oder eine vielfältige Programmgestaltung.

Das Théâtre du Châtelet atmet Geschichte. Es empfing international bekannte Ballettkompanien wie Diaghilews „Ballets Russes“ und brachte Igor Strawinskys „Petruschka“ zur Uraufführung. Es ist ein Ort an dem Josephine Baker, Cole Porter and Juliette Gréco auftraten und wo große Komponisten wie Tschaikowski, Mahler und Richard Strauss dirigierten.

In diese Fußstapfen tritt nun Teodor Currentzis, der mit der Auswahl des Programms auf größtenteils Altbekanntes setzt, denn Mozarts Requiem veröffentlichte er bereits 2011 auf CD. Er wäre jedoch nicht Currentzis, wenn er dem Abend nicht noch ein unerwartetes Element zuzufügen hätte.

Dem Requiem vorangestellt wurden gregorianische Gesänge – „Requiem aeternam“, gefolgt von „Exedysan Me Ta Imatia Mou“ des 1892 in Konstantinopel geborenen Kantors Konstantinos Pringos, interpretiert vom „musicAeterna Byzantina Chor“ und Adrian Sîrbu als Solist, dessen ätherisch, zeitlose Stimme die gregorianischen Gesänge zum Leben erweckte.

Ganz im Sinne einer immersiven Erfahrung sind die Musiker und der Chor in lange schwarze Roben gekleidet – geradezu wie Mönche. Wie üblich musizierten die Musiker stehend und der Chor wurde inmitten der Musiker gestellt – am vorderen Bühnenrand standen die Streicher, gefolgt vom Chor und dahinter die restlichen Musiker.

Trotz Ergänzungen und inhaltliche „Auflockerung“ durch gregorianische Gesänge dauert das Konzert lediglich eine Stunde und so stellt sich die Frage: Besteht wirklich Notwendigkeit für so viel Inszenierung, Pathos und Optimierung des Werks? Lenkt es nicht vielmehr von der Zeitlosigkeit und transzendentalen Wirkung Mozarts Musik ab?

Unvollendet, aber nicht weniger kraftvoll und berührend ist es auch über 200 Jahre später noch ein wichtiger Bestandteil der Konzertpläne weltweit. Als Mozart mit 35 Jahren an einem Requiem arbeitete, wusste er nicht, dass es durch seinen Tod am 5. Dezember 1791 zu seinem eigenen werden würde. Diese Totenmesse birgt alle menschlichen Emotionen in sich – von Trauer, Verzweiflung, Wut bis hin zu Trost und vor allem Hoffnung. Besonders hoffnungsvoll war auch Currentzis’ Interpretation, die mit hohen Tempi und einer leichtfüßigen Manier aufwartete.

Jede Bewegung antizipierend folgte das musicAeterna Orchester seinem spannungsreichen Dirigat. Currentzis wusste die einzelnen Stücke interpretativ voneinander abzugrenzen, ohne jedoch den Spannungsbogen zu vernachlässigen. Spielerisch und dramatisch wirkungsvoll wechselte das Orchester zwischen enormen dynamischen Schwankungen. Der musicAeterna Chor schloss sich dem an und sang äußerst homogen und mit stimmlicher Exzellenz.

Die Sopranistin Sandrine Piau sang mit eleganter, irisierender Sopranstimme und zarten Piani, ausdrucksstark, aber dennoch zurückhaltend. Die regelmäßig mit Currentzis auftretende Mezzosopranistin Paula Murrihy ergänzte sie stimmlich hervorragend. Zeitlos schön und strahlend war ihre Interpretation. Gemeinsam klangen die Stimmen beider fast zu schön, nicht wie eine Totenmesse, sondern ein Duett aus „Così fan Tutte“ – in schwärmerischer Noblesse kaum zu übertreffen. Der russische Bass Evgeny Stavinsky – ebenso Currentzis-erfahren – beeindruckte mit seinem virilen, raumeinnehmenden Bass. Sebastian Kohlhepp trat mit heller charismatischer Tenorstimme auf und sang überaus lyrisch.

An diesem Nachmittag wartete man vergeblich auf eines der Höhepunkte des Requiems. Das „Dies Irae“ – der Tag des Zorns – bleibt aus. Currentzis lässt diesen Part weg und will damit neben seiner positivistischen Interpretation wohl auch inhaltlich ein Zeichen setzen und im Zusammenhang mit der Neueröffnung des Théâtre du Châtelet hoffnungsvolle Töne anstimmen.

 

  • Rezension von Alexandra Richter / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Homepage Théâtre du Châtelet
  • Titelfoto: Salle du théatre du Chatelet – panoramio/by 4net/CC BY 3.0
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