
Als Georg Friedrich Händel’s “Agrippina” 1709 in Venedig uraufgeführt wurde, war der Komponist gerade einmal 24 Jahre alt und konnte mit diesem Werk bereits seinen ersten großen Erfolg feiern. Bei diesem Drama per musica geht es um Macht, Intrige und Politik, Themen die sich durch die ganze Menschheitsgeschichte hindurch wiederholt und gerade in der heutigen Zeit erneut an Brisanz gewonnen haben. Das Publikum war schon damals von der Handlung fasziniert, weil es die Aktualität dieser Geschichte erkennen konnte. (Rezension der Premiere v. 2. März 2025)
Im Mittelpunkt steht die machtsüchtige Agrippina, welche nach dem vermeintlichen Tod ihres Gatten Kaiser Claudio, ihren Sohn Nerone auf den Thron heben will. Kurze Zeit später erfährt sie aber, dass Claudio noch lebt.
Als der Gatte mit seinem Retter Ottone wieder zurückkommt, will er diesen zu seinem Nachfolger ernennen. Mit den beiden Agrippina hörigen Dienern Pallante und Narciso beginnt ein intrigenreiches Spiel. Ottone hat sich in die schöne Poppea verliebt, aber auch Claudio und Nerone zeigen Interesse an dieser Frau und es beginnt ein Reigen voll von Neid, Eifersucht und Hinterhältigkeiten. Agrippina, einer Spinne gleich, lässt nichts aus, ihren Plan durchzusetzen.

Bei der Inszenierung von Jetske Mijnssen wird diese Handlung in die heutige Zeit versetzt, sodass man die Geschichte bestens nachvollziehen kann. Es ist ein Wurf, mit welcher Ästhetik es der Regisseurin und dem Bühnenbildner Ben Bauer gelungen ist, einem Kammerspiel gleich, die einzelnen Charaktere zu gestalten und mit kleinsten Details auszustatten. Die Videos von Kevin Graber, welche zwischen den Teilen gezeigt werden, sind ebenfalls von höchster Qualität, genauso wie die Lichtgestaltung von Bernd Purkrabek und die Kostüme von Hannah Clark. Man muss diese Inszenierung gesehen haben. Hier stimmt einfach alles!
Wenn es obendrein noch gelingt, ein Ensemble zusammenzustellen, welches sich als hervorragend erweist, dann ist der Musikgenuss perfekt.
Als Agrippina kann Anna Bonitatibus in jeder Hinsicht überzeugen. Sie meistert diese große Partie mit in jeder Lage sicherster Stimme und passt auch im Spiel perfekt in dieses Konzept.
Nahuel Di Pierro, ein gern gesehener Gast im Opernhaus, singt die Partie des Kaisers Claudio mit seiner flexiblen Bassstimme und kann mit feinsten Nuancen bezaubern. Auch sein Spiel ist superb.

Mit Jakub Józef Orliński hat man einen der gefragtesten Countertenöre gewonnen, der die Partie des Ottone fulminant präsentiert und mit unglaublichen Feinheiten bei der Interpretation seiner Arien aufwartet. Verbunden mit seiner Bühnenpräsenz kann man auch hier von einer Idealbesetzung berichten.
Mit gleich vier Rollendebüts konnte man aufwarten.
Lea Desandre als Poppea verkörpert diese verführerische Frau, welche genau weiss, wie man die Männer für sich einspannen kann. Mit ihrem Temperament und ihrer glockenreinen Sopranstimme ist sie schlicht großartig! Mit großer Präsenz ist Christophe Dumaux als Nerone zu erleben. Seine Countertenor-Stimme lässt vom ersten Moment seines Auftritts an aufhorchen und begeistert.

Bass José Coca Loza als Pallante und Countertenor Alois Mühlbacher sind als Agrippinas hörige Diener stimmlich und schauspielerisch perfekt besetzt und komplettieren zusammen mit Yannick Debus als Lesbo, dieses fantastische Ensemble.
Mit Harry Bicket als Musikalischer Leiter konnte man einen Spezialisten erster Güte gewinnen. Wenn dann das einzigartige, hauseigene Orchestra La Scintilla mit großer Spielfreude mitreißend musiziert, bleiben keine Wünsche offen.
Das Publikum zeigte sich sehr begeistert. Ein Wurf. Diese Inszenierung darf man nicht verpassen. Im März bieten sich nochmals einige Gelegenheiten, diesen Genuss erleben zu können.
- Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Opernhaus Zürich / Stückeseite
- Titelfoto: Opernhaus Zürich/AGRIPPINA/Ensemble/Foto: Monika Rittershaus