Einer meiner Bekannten, freiberuflicher Chorleiter und Bassbariton, berichtet, dass ihm durch die Kontaktsperre wegen Corona in der Zeit um Ostern 10.000 € Bruttoeinnahmen wegbrechen, von denen er auch im Sommer, wenn wenig los ist, leben wollte. Darunter sind drei Johannespassionen, Bass-Solo, und natürlich bezahlen die Chöre, mit denen er arbeitet, nur für die Proben und Auftritte, die tatsächlich stattfinden. Für größere Rücklagen hat es nie gereicht, wie das bei freiberuflich tätigen Musikern ohne feste Anstellung häufig der Fall ist. Anspruch auf Arbeitslosengeld I hat er natürlich nicht, und das Kurzarbeitergeld gibt es auch nur für Arbeitnehmer in einem festen Anstellungsverhältnis.
Allein in Bonn rechnet man mit etwa 6.000 zusätzlichen Bedarfsgemeinschaften mit Selbständigen und Freiberuflern, die durch die Absage aller Kulturveranstaltungen und Schließung von Geschäften und Gaststätten in existenzielle Not geraten sind und die keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld I haben.
Viele rufen verzweifelt im Jobcenter an – eine persönliche Vorstellung ist wegen Corona abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen zurzeit nicht erlaubt – und klagen, dass ihnen jetzt das Geld fehlt, ihre Krankenversicherung und ihre Miete zu bezahlen.
Die Hilfe ist schnell und unbürokratisch. Aufgrund der im Eilverfahren durchgewinkten Gesetzesänderung wird das Vermögen neuerdings nicht mehr überprüft, es reicht eine formlose Erklärung, dass man keine Rücklagen mehr hat, um die Einbußen aufzufangen. Trotzdem ist der Erstantrag ziemlich umfangreich.
Wenn alles komplett ist werden die Krankenversicherungsbeiträge und die Miete und Nebenkosten vom Jobcenter übernommen, auch wenn die Wohnung vielleicht nach strengen Maßstäben zu groß ist. Erstes Ziel ist es, den Absturz zu vermeiden, aber mehr als Krankenversicherung, Miete und 432 € Regelsatz für einen Alleinstehenden gibt es nicht.
Wer in einer Bedarfsgemeinschaft, zum Beispiel mit einem Ehepartner und eventuell mit Kindern lebt, muss alle Einkommen der Familie angeben. Das Einkommen des Partners und das erwachsener Kinder werden auf den Bedarf weitgehend angerechnet. Der Bedarf ist dann aber auch entsprechend höher.
Im Fall eines Alleinstehenden, der eine Warmmiete von 550 € bezahlen muss ergibt sich folgende Rechnung:
Das Jobcenter übernimmt die Beiträge der Kranken- und Pflegeversicherung und bezahlt die Miete einschließlich Nebenkosten. Dazu überweist es den Regelsatz von 423 € pro Monat an den Antragsteller. Damit kann er die Durststrecke überbrücken, er muss nur alles angeben, was er während des Leistungsbezugs verdient. Die ersten 100 € pro Monat sind frei, sie gelten die Werbungskosten ab, von Einkommen von 100 € bis 1.000 € bleiben 20 % anrechnungsfrei, darüber hinaus 10%.
Mit den Leistungen des Jobcenters kann man die Zeit bis zu den nächsten Aufträgen überbrücken.
- Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
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