Staatsoper Hamburg / CAVALLERIA_PAGLIACI / Foto @ Hans Jörg Michel

Staatsoper Hamburg: „CAVALLERIA RUSTICANA / I PAGLIACCI“ am 22. 9. 2017 – „„Es ist eine alte Geschichte, doch bleibt sie immer neu…“

Staatsoper Hamburg / CAVALLERIA_PAGLIACI / Elena Zhidkova / Foto @ Hans Jörg Michel
Staatsoper Hamburg / CAVALLERIA_PAGLIACI / Elena Zhidkova / Foto @ Hans Jörg Michel

… und wem sie just passieret, dem bricht das Herz entzwei.“ Diese Zeilen aus Heinrich Heines Gedicht „Ein Jüngling liebt ein Mädchen“, passen auch auf Pietro Mascagnis „Cavalleria Rusticana“ und Ruggero Leoncavallos „I Pagliacci“, die seit Freitag wieder auf der Staatsoper Hamburg stehen. In beiden, im Italien des ausgehenden 19.Jahrhunderts spielenden Stücken, geht es um tödliche Rache, ausgeübt im Namen verratener Liebe.


So ist in „Cavalleria Rusticana“ die verzweifelte Santuzza, die, von Turiddù für seine alte Liebe Lola verlassen, diesen, an Alfio, deren jetzigen Ehemann verrät. In einem Duell unterliegt der Geliebte dem Gatten und stirbt.


In „I Pagliacci“ wird aus der Geschichte, die eine Wanderbühne allabendlich humoristisch aufführt, bittere Realität: Nedda, die ihren Mann Canio, mit Silvio, einem Dorfbewohner, betrügt, wird von Tonio, einem Mitglied der Truppe, verraten, nachdem sie ihn abgewiesen hat. Der betrogene Ehemann tötet seine Frau, wie auch deren Geliebten. Gian-Carlo del Monaco (Regie) und sein Bühnen-und Kostümbildner Michael Scott setzten im Jahre 1988, als Regietheater, wie wir es heute kennen gerade mal in den Kinderschuhen stand, auf „klassisch-zeitlos“. Und es funktioniert. Weitgehend. Das Bühnenbild entführt den Zuschauer optisch in ein Dorf südeuropäischen Stils, wie man es auch heute noch kennt: sandfarbende Fassaden, umgitterte Balkons, hölzerne Fensterläden. Die Farbe der Kostüme ist in „Cavalleria“ festliches Schwarz und in „Pagliacci“ Straßenkleidung, die vor 50 Jahren zu sehen war und auch heute noch auf den Straßen zu sehen ist. Del Monaco/Scott setzen ganz auf die Wirkung der Geschichten. Und vor allem auch der Musik und der Darsteller. Ein Konzept, das zumindest bei der beschriebenen Vorstellung, voll und ganz aufging, auch wenn einige Abgänge und plötzlich auf der anderen Seite der Bühne stattfindenden Auftritte, oder das etwas unkoordiniert wirkende Hin- und Herlaufen des Chores im “Pagliacci“ für Verwirrung sorgen.


Schon mit den ersten Takten gelingt es dem Philharmonischen Staatsorchester unter der Leitung von Josep Caballé-Domenech die fast bildmalerischen Klänge Mascagnis von Sehnsucht, Liebe und Leidenschaft erfüllten, mit Leben zu erwecken. 
Doch das an diesem Abend nicht Regie und Bühnenbild im Fokus standen, sondern eher alles unterstützendes und schönes „Beiwerk“ im positivsten Sinne waren, sodass der Spruch „prima la Musica“ gelten konnte, ist neben den Damen und Herren im Graben auch jenen auf der Bühne zu verdanken.


Staatsoper Hamburg / CAVALLERIA_PAGLIACI / Elena Zhidkova / Foto @ Hans Jörg Michel
Staatsoper Hamburg / CAVALLERIA_PAGLIACI / Elena Zhidkova / Foto @ Hans Jörg Michel

Elena Zhidkova als omnipräsente, doch nicht wirklich in die Gemeinschaft integrierte Santuzza, begeistert durch ihr warmes Timbre, das im Duett mit Teodor Ilincai als Turiddù, mit dessen strahlendem Tenor zu einer „Gänsehaut-schönen“ Einheit verschmilzt.
Dieses Duett, einer der musikalischen und dramatischen Höhepunkte des Stückes, zeigte entgültig, dass stimmliche, wie auch darstellerische Können der beiden Künstler, mit dem sie das Publikums atemlos machten, ohne selbst außer Atem zu kommen oder in ihrer beider überzeugend guten Stimmführung ins Wanken zu kommen.

Aber auch in ihren Soli oder Szenen mit anderen ließen Ilincai und Zhidkova hören und fühlen, wie beeindruckend schön Oper klingen und sein kann, die zum Verismus gehört, der italienischen Strömung, die das wahre Leben (kritisch) auf die Bühne bringt.
Dorottya Láng als Lola, wusste ihre optischen Reize wie auch ihre gesanglichen Fähigkeiten, der Rolle entsprechend, wundervoll in Szene zu setzen. Wohingegen George Gagnidze, als ihr Gatte Alfio, selbst in dem von Volksmusik inspirierten, schwungvollen Lied „Il Cavallo scalpita“, eher blass blieb.


Ganz anders war dann jedoch der Eindruck den Gagnidze im zweiten Stück des Abends als Tonio/Taddeo machte. Schon sein Prolog sorgte für wahre Begeisterungsstürme. Auch im weiteren Stückverlauf bewies er, dass seine Wandlungsfähigkeit seinem nicht geringem Stimmumfang in nichts nachsteht.
Für die zweite Überraschung an diesem Abend sorgte Ha Young Lee als Nedda, die augenscheinlich in letzter Zeit sehr an Ausstrahlung und Darstellung gearbeitet hat, sodass sie nun nicht mehr allein durch technische Versiertheit und glockenreinen Klang, als auch stimmig berührende Rolleninterpretation überzeugt. Ähnliches gilt auch für Bariton Alexey Bogdanchikov, dem es als Silvio, in der Liebesszene mit Nedda, endlich wirklich gelingt schauspielerische Zurückhaltung abzulegen und aus sich herauszukommen.
Tenor Oleksiy Palchykov als Beppo/Arlecchino schließlich, der in dieser Partie, wenig Möglichkeiten hat, seine Stimme effektvoll zum Einsatz zu bringen, besticht durch humorvolle Tanzeinlagen, wie auch einfühlsames Spiel.

 

Hamburger Staatsoper / Foto @ Westermann
Hamburger Staatsoper / Foto @ Westermann

Zu sagen bleibe noch dies. Der erste Abend in einer neuen Spielzeit gleicht für mich immer irgendwie der Heimkehr nach einer langen Reise. Vielleicht ist es kein perfektes Heim, aber es ist halt ein Heim. Und so ist es auch mit der Staatsoper. Sie mag nicht perfekt sein, aber sie ist das Haus, dem ich mich verbunden fühle, auch wenn ich mich manchmal ärgere. Heute ärgerte ich mich nicht. Im Gegenteil, dass heute Gebotene erinnerte in seiner Qualität an die guten alten Zeiten: Beifall und Tränen. Tränen berührter Begeisterung.

 

*Rezension von Birgit Kleinfeld, Hamburg

*besuchte Vorstellung am 22.9.2017, Wiederaufnahme (WA)

*Titelfoto: Staatsoper Hamburg / CAVALLERIA_PAGLIACI /  Foto @ Hans Jörg Michel

*Homepage der Staatsoper Hamburg

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