Simon Rattle und das BRSO: „Die Walküre“ – In konzertanter Aufführung spannender als jede Bühnenproduktion!

Rattle©PMeisel(BRSO) /Sir Simon Rattle und Iréne Theorin

Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, kurz BRSO, pflegt eine lange Tradition in der Aufführung der Opern Richard Wagners. Der „Parsifal“ von Rafael Kubelik oder Leonard Bernsteins „Tristan und Isolde“ haben Musikgeschichte geschrieben. Vier Jahre nach seinem „Rheingold“ kehrte Sir Simon Rattle in der Leitung des BRSO mit Richard Wagners „Die Walküre“ zurück in den Münchner Herkulessaal. Rattle wartet auch für den zweiten Teil seines Rings mit exzellenten und Wagner-erfahrenen Solisten auf. Diese „Walküre“ erklang in beeindruckender Musikalität mit einer Perfektion, wie sie außerhalb Bayreuths nur in der benachbarten Staatsoper zu hören ist. (Rezension der Aufführung v. 10.2.2019)

 

Konzerthäuser sind für konzertante Opernaufführungen immer eine Herausforderung, da neben dem Orchester auch die Stimmen durchhörbar sein müssen. Der Herkulessaal der Münchner Residenz offeriert mit seiner neoklassizistischen Schuhkarton-Architektur einen hervorragenden Klang. Die stimmenfördernde Akustik trug die Sänger über das starke Orchester hinweg, so waren die Solisten selbst in den hinteren Reihen deutlich zu vernehmen. Der mit Säulen verzierte Saal fügte sich zudem auch optisch sehr passend in die kriegerische Handlung der Walküre ein.

Allen voran brillierte Stuart Skelton als Siegmund, der durch eine intelligente und eindrückliche Interpretation in seiner Rolle überzeugte. Jedem seiner Worte verlieh er Bedeutung. Sein Wälseruf erklang kraftstrotzend, aber dennoch kontrolliert und sorgsam vorbereitet. Mit fließendem Atem steigerte Skelton sich Silbe für Silbe und gab seiner Rolle so den nötigen Tiefgang.

James Rutherfords Wotan erklang feiner, versierter und differenzierter als je zuvor. Er sang diese Rolle des Göttervaters bereits an einigen großen deutschen Häusern und scheint sie nun vollkommen verinnerlicht und zur Perfektion geführt zu haben. Bewundernswert, wie er an der Rollengestaltung arbeitete und jede Gefühlslage Wotans innerer Zerrissenheit überzeugend darzustellen vermochte. Als wütender, rasender Kriegsgott und gleich darauf als liebender Vater wusste er mimisch und stimmlich jedes Wort in passender Klangfarbe umzusetzen. Rutherford fand mit dem Wotan die Rolle seines Lebens.

Rattle©PMeisel(BRSO)

Mit Skelton und Rutherford traten zwei englischsprachige Sänger in den männlichen Hauptrollen auf, die in Gestaltung und Aussprache differenzierter als mancher Muttersprachler agierten. Eine deutliche Aussprache gehörte jedoch nicht zu den Stärken von Sieglinde und Brünnhilde.

Sieglinde gilt als eine der wichtigsten und bekanntesten Wagnerrollen in Eva Maria Westbroeks Repertoire. Sie verkörperte darstellerisch geradezu beispielhaft die Sieglinde und unterstützte dies gesanglich mit ihrer großen, dramatischen Stimme. Ihr leidenschaftliches Spiel und ihre Ausdruckskraft waren auch in der konzertanten Darstellung omnipräsent. Westbroeks angenehmes, in den Höhen etwas scharfes Vibrato gab dabei den Ton an.

Wien, Leipzig, San Francisco, Budapest, und Berlin: Die skandinavische Sopranistin Iréne Theorin singt die Brünnhilde weltweit im monatlichen Wechsel auf allen Bühnen. Theorins hochdramatische Stimme ist die Idealvorstellung einer Brünnhilde – kraftvoll und selbstsicher sang sie die Rolle mit besonderen Stärken in der Höhe. Mit ihrer voluminösen Stimme und schier unerschöpflichen Reserven gilt sie als Ausnahmesängerin. Theorin als auch Westbroek überzeugten beide in ihrem stimmlichen Klang und ihrer schauspielerischen Darstellung, ganz im Gegensatz zu Rutherford und Skelton fielen sie jedoch leider unangenehm durch ihre undeutliche Aussprache auf. In Wagners Musikdramen nimmt das Wort mindestens den Stellenwert des Gesangs ein, es ist somit umso enttäuschender, dass beide Sopranistinnen mit jahrelanger Rollenerfahrung ständig Konsonanten vertauschten und Wörter verschluckten.

Rattle©PMeisel(BRSO) / Elisabeth Kulman

Die Mezzosopranistin Elisabeth Kulman, die leider nur selten als Opernsängerin auftritt, verlieh Fricka eine einzigartig ausdrucksstarke Interpretation. Sie benutzte ihre Stimme agil wie ein Instrument; frei von jedem Vibrato klang sie im vollendeten Legato ganz wie ein Cello. Hunding, gesungen von Eric Halfvarson, brillierte mit deutlicher, dramatischer Aussprache bei gleichzeitigem rührenden, stimmlichen Wohlklang. Mit einer Stimme, die durch Mark und Bein ging, gab er den brutalen und betrogenen Ehemann dessen Rachsucht und plötzliche Stimmungswechsel ebenso überzeugend wie furchteinflößend waren.

Neben den erlesenen Solisten der Hauptrollen beeindruckten auch die ebenfalls hervorragend besetzten Walküren zu Beginn des dritten Aktes durch präzise Einsätze und große Stimmvolumen.

Die hohe Nachhallzeit des Herkulessaals sorgte für ein wahres Klangerlebnis. Simon Rattle begann den Abend aufbrausend und in schnellem Tempo. Er führte das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BRSO) von Anfang an mit einem determinierten und passionierten Dirigat an, seine Musiker antworteten ihm im präzisen Zusammenspiel mit sauberem und durchsichtigem Streicherklang. Durch seine zahlreichen und plötzlichen Tempiwechsel geriet die konzertante Aufführung spannender als manche Bühnenproduktion. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks stellte erneut seine Vielseitigkeit und enorme Musikalität gerade in der Interaktion der einzelnen Instrumentengruppen unter Beweis. Als eines der weltweit führenden Orchester spielten sie einen Wagner mit Liebe zum Detail, wie es ihn nur selten zu hören gibt. Standing Ovation und ausschweifende Jubelrufe des Publikums, diese exzellente Walküre hat Sir Simon Rattle einen Freifahrtschein nach Bayreuth gesichert.

 

  • Rezension der Aufführung von Alexandra Richter und Phillip Schober
  • Homepage des BRSO
  • Alle Fotos @ PMeisel(BRSO) – Herzlichen Dank für die Freigabe
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