(Bericht der Premiere vom 15.12.2017/Theater Duisburg) Schillers Drama um die königlichen Cousinen Elisabeth I. und Maria Stuart vertonte Meisterkomponist Gaetano Donizetti (1797–1848) zu einer seiner großartigen Belcanto-Opern, die unter dem Namen MARIA STUARDA ihren festen Platz im Repertoire der Opernhäuser der Welt hat. Veredelt durch die Musik des italienischen Komponisten verdichtet sich hier die Handlung auf die Auseinandersetzung zwischen den beiden verhassten Blutsverwandten, an deren Ende die Hinrichtung der Maria Stuarda (Stuart) auf Anweisung Elisabettas I. steht. Musikalisch ist das Finale der Oper, mit seinem vorhergehenden Gebet der Stuart, ganz sicher eines der emotionalsten und schönsten der Musikgeschichte. Legenden wie Maria Callas oder auch Joan Sutherland haben dieser Partie ihre Stempel aufgedrückt. Nun präsentierte die Deutsche Oper am Rhein in Duisburg am gestrigen Abend (15.12.17) diese Oper mit einer überragenden Olesya Golovneva in der Titelrolle.
Regisseur Guy Joosten richtet seinen Focus vornehmlich auf die beiden Hauptdarstellerinnen dieses Operndramas. Zum einen Elisabeth I. (in der Oper Elisabetta) , die Königin von England, und deren Cousine, Maria Stuarda, die abgesetzte schottische Königin, die seit Jahren im Kerker der englischen Krone gefangen gehalten wird. Elisabetta lebt in einem inneren großen Zwiespalt: einerseits wird sie von falschen Beratern gedrängt, die verhasste Maria Stuarda dem Henker vorzuführen, andererseits will sie für deren Tod nicht verantwortlich sein. Wohl wissend, dass Maria im Falle ihrer Freilassung aus dem Gefängnis umgehend Thronansprüche ihr gegenüber stellen würde. In einer Art familiärem „Showdown“ geraten beide aneinander. Elisabetta provoziert mit überheblichem Machtgehabe ihre Cousine Maria. Dieser kann ab einem Punkt nicht mehr an sich halten und schleudert ihr die Worte „Bastard und englische Hure“ entgegen. Damit hat sie ihr Todesurteil selbst gefällt. Elisabetta verfügt augenblicklich die Hinrichtung und übergibt ihre Verwandte dem Scharfrichter. „Beim dritten Kanonenknall soll sie sterben!„, verfügt die Regentin und so kommt es auch. Musikalisch diesem dramatischen Höhepunkt entgegenstrebend, stirbt Maria Stuarda unter dem donnernden Kanonenknall durch das Beil des Henkers. Die englische Königin bleibt zurück.
Joosten lässt die Handlung in einem mehrgeschossigen Bühnenraum (Bühne: Roel Van Berckelaer) spielen, der einem amerikanischen Knast bekannter Bauart nachempfunden ist. Viel Metall, viele Gitter, indirekte Lichteinfälle und im unteren Bereich ein Mehrzweckbereich, der einerseits als Aufenthaltsraum und der Aussicht nach „draußen“ dient, und andererseits den Mittelpunkt der Inszenierung darstellt. Die Kostüme (Eva Krämer) sind teils neuzeitlich, teils dem Elisabethanischen Zeitalter nachempfunden und sind doch immer schlüssig. Königin Elisabetta trägt zum Zeichen Ihrer Macht stets eine Krone auf dem Haar und macht durch diese, beinahe lächerlich wirkende, Insignie auch die unendliche Fragwürdigkeit menschlich gemachter Königswürden deutlich. Die Krone aber ist es, der als Symbol des großen menschlichen Zerwürfnisses der beiden royalen Gegnerinnen eine zentrale Bedeutung zukommt. In der dramatischen Szene der beiden Kontrahentinnen entreißt Maria Stuarda der verhassten Cousine diese Krone und setzt sie sich selbst auf den Kopf. In solchen Momenten ist die Duisburger Inszenierung am packendsten. Wie Guy Joosten dann seine beiden Protagonistinnen – insbesondere mimisch – wirken lässt, geht unter die Haut. Diese ruhige Personenführung, die dennoch oftmals so spannend ist, zieht sich durch die gesamte Regiearbeit. Auf der einen Seite die von Rache zerfressene Elisabetta und auf der anderen die immer milder werdende und am Ende allen, auch der Verwandten, vergebenden Märtyrerin Maria.
Und es sind eine Reihe von Regieeinfällen, die überzeugen. Als Maria auf der zentralen Bühne in einer Art Untergeschoss von Anhängern (Chor der Jäger) begrüßt wird, die ihr rote Rosen herunter werfen, wirkt das schon wie ein Déjà–vu von Marias Begräbnis. Beinahe wie Trauergäste, die Blumen in ein Grab werfen. Und so ist es auch die Farbe Rot, die am Ende der Oper alles dominiert: Das Gewand der Stuarda, die Kleidung ihrer (Knast-)Anhänger und auch der Himmel, der sich nun im Hintergrund weit öffnet, hat eine blutrote Farbe angenommen. Maria Stuarda, die am Ende ihres Lebens ihrem Vertrauten Talbot versprach, mit ihren Tränen und ihrem Blut sich und alle, die sich mit ihr verbrüderten, von ihren Sünden reinzuwaschen, löst in dieser Inszenierung ihr Versprechen ein.
Im Obergeschoss ist derweil eine Königin Elisabetta zu sehen, die ihre Krone abgenommen hat, in dem Moment, wo ihre königliche Macht eigentlich am größten sein sollte. Als sie ihre Blutsverwandte dem Henker und seinem Beil übergab. Maria Stuarda, die in Guy Joostens Inszenierung die Worte „My End ist my Beginning“ mit Kreide auf die Zellenwände schrieb, hat, zumindest in dieser Lesart des Dramas, am Ende Recht behalten.
Große Gefühle und Dramatik auch durchweg im Gesang auf der Bühne und bei den Duisburger Philharmonikern im Orchestergraben. Unter der bewährten musikalischen Leitung von Dirigent Lukas Beikircher wurde dem Premierenpublikum große Belcanto-Oper geboten. Beikircher gab den Solisten und dem Chor viel Raum für sängerische Gestaltung und dirigierte eine leidenschaftliche „Maria Stuarda“ mit all ihren Feinheiten und Zwischentönen, aber auch dramatischen Ausbrüchen.
Unter der Leitung ihres Chefs Gerhard Michalski konnte der vortrefflich einstudierte Chor der Deutschen Oper am Rhein am gestrigen Abend das Publikum ebenfalls überzeugen. Viel Applaus für den Chorchef und seine Damen und Herren vom Chor.
Giovanni Furlanetto sang einen noblen Giorgio Talbot und war im Duett mit Maria Stuarda im Schlussbild der Oper sehr berührend in Darstellung und Gesang. Laimonas Pautienius als Lord G. Cecil und Maria Boiko als Anna Kennedy (die Vertraute der Stuarda) gaben ihren Rollen Format und Ausdruck.
In der männlichen Hauptpartie des unglücklichen Roberto (Conte di Leicester) konnte der italienische Tenor Gianluca Terranova bei seinem Rollendebüt punkten und das Publikum begeistern. Er sang einen leidenschaftlichen und wohlklingenden Roberto und erhielt vom Publikum verdientermaßen viel Applaus.
Mary Elizabeth Williams, die US-amerikanische Sopranistin, macht die Elisabetta dieser Duisburger „Maria Stuarda“ zu einem Ereignis. Mit viel Einsatz in Spiel und Gesang macht sie deutlich, wie sehr sie diese Partie verinnerlicht und welche Möglichkeiten ihr Donizetti damit gegeben hat. Eine tolle gesangliche Leistung, die sie eigentlich nur noch durch ihre großartige schauspielerische Interpretation der Königin Elisabetta toppen konnte. Bravo Mary Elizabeth Williams!
Donizetti benannte sein Meisterwerk nach der Hauptdarstellerin des Dramas und gab somit der Sängerin der Titelrolle ganz besonderes Gewicht. Eine besonders umfangreiche Opernpartie, gespickt mit technischen Schwierigkeiten und größten Ansprüchen an die jeweilige Sängerin der Maria Stuarda. In Duisburg war dies die russische Sopranistin Olesya Golovneva. Sie sang diese Partie mit ihrer ganzen Erfahrung, ihrem ganzen Können und ihrer großartigen gesanglichen Ausstrahlung. Es ist für mich gar keine Frage, dass sich Frau Golovneva mit dieser Leistung auf Anhieb in die erste Liga der „Maria Stuardas“ dieser Opernwelt katapultiert hat. Das dramatische Duett mit Elisabetta, das hochemotionale Gebet der Maria Stuarda mit dem herrlich lang gehaltenen Ton oder auch das Hinrichtungsfinale, seien nur als ganz besondere gesangliche Höhepunkte von Olesya Golovneva erwähnt. Das Premierenpublikum dankte ihr für diese große künstlerische Leistung mit langanhaltendem und einhelligem Applaus und vielen Bravorufen.
Belcanto-Fans sollten sich dieses Opernereignis in Duisburg nicht entgehen lassen. Bis zum 16.6.2018 wird MARIA STUARDA noch weitere 9 Mal in Duisburg aufgeführt.
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- Titelfoto: Olesya Golovneva (Maria Stuarda), Herrenchor FOTO: Monika Rittershaus
- Rezension der Premiere im Theater Duisburg v. 15.12.2017 v. Detlef Obens /DAS OPERNMAGAZIN