Premiere 25. Januar 2015
besuchte 2. Aufführung: 30. Januar 2015
Mit der Komödie für Musik „Der Rosenkavalier“ von Hugo von Hofmannsthal, Musik von Richard Strauss, wurde vor fast 50 Jahren das Dortmunder Opernhaus eröffnet. Unter der musikalischen Leitung von Wilhelm Schüchter sangen als Gäste u.a. Elisabeth Grümmer die Marschallin, Kurt Böhme den Ochs und Theresa Zyslis-Gara den Octavian. Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme (Ita Maximowna) entsprachen den damaligen Erwartungen an eine prächtige Ausstattung. Später sangen 1994 als Ensemblemitglieder Petra Lang den Octavian und Elisabeth Lachmann die Marschallin.(ML Hans Wallat)
Dieses hohe gesangliche Niveau erreichte auch die Aufführung in der Inszenierung von Jens-Daniel Herzog unter der musikalischen Leitung von GMD Gabriel Feltz, aber ohne Gäste – alle Gesangspartien – teils doppelt – können aus dem hauseigenen Ensemble besetzt werden.
Die Titelpartie gestaltete Ileana Mateescu mit ihrem klangvollen Mezzo sowohl mit grossen Legato-Bögen als auch punktgenau getroffenem Parlandi, sang jeweils passend den burschikosen kecken Liebhaber, die komödiantisch verkleidete Mariandl, aber auch den ratlosen Jüngling, der zwischen alter und neuer Liebe schwankt. Dabei unterschied sich ihr Timbre gut von den beiden Sopranen. Erstaunlich, wie passend sie den „jungen Mann aus grossem Hause“ spielen und dies dann als Mädchen verbergen konnte. Christiane Kohl als Marschallin beherrschte die Partie musikalisch vollständig mit dem grossen Tonumfang, p gesungenen Legato-Bögen und schnellen Parlandi. Gleichzeitig machte sie alle Gefühlsregungen zwischen sich noch jung fühlen, drohendes Älterwerden akzeptieren und der Enttäuschung als verlassene Liebhaberin durch Änderung der Stimmfärbung hörbar. Aus ihrer Erfahrung mit hochdramatischen Partien gelang es ihr auch, weitgehendst textverständlich zu singen, was für diese Rolle in der meisterhaften Dichtung Hofmannsthals entscheidend ist.
Eine Entdeckung des Abends war Ashley Thouret als Sophie. Das aufgeregte schnelle Parlando gelang ihr ebenso wie die grossen Oktav-Sprünge, die leuchtenden Legato-Bögen bis zu den Spitzentönen, die die Ensembles krönten .Rank und schlank aussehend schaffte sie es, die Wandlung von „frisch aus dem Kloster“ zur selbstbewußten jungen Frau nachvollziehbar zu machen So wurde das Terzett der Damen im dritten Akt – vor geschlossenem Vorhang gesungen – ein musikalischer Höhepunkt.
Den Baron Ochs sang Christian Sist äusserst textverständlich mit passendem, nicht übertriebenen, Wiener Akzent. Mit den ganz tiefen Baßtönen, so dem langen tiefen e zum Schluß des II. Aufzuges hatte er leichte Schwierigkeiten, das lag vielleicht noch an der gerade überstandenen Erkältung, wegen der er sich fünf Tage zuvor krank gemeldet hatte.
Gemäß den Vorgaben der Regie spielte er den fast immer besoffenen, gegenüber Frauen, ob Mariandl oder seiner Braut, brutalen selbstverliebten Macho, ob ihn so die Marschallin da noch als „quasi eine Standsperson“ bezeichnen konnte, bleibt fraglich. Den Faninal sang Sangmin Lee mit grosser Stimme, sodaß man mehr Text verstand, als den lauten Ausruf „Blamage“, der manchmal das einzige ist, was der Zuhörer von dieser Partie mitbekommt. Mit komödiantischem Gesang und Spiel erfreuten Fritz Steinbacher und Maria Hiefinger als Intrigantenpaar. Alle anderen so zahlreichen kleineren Partien, auch der Opernchor, waren rollengerecht und gut besetzt. Besonderes Lob gebührte den Mitgliedern des Kinderchors in der Einstudierung von Bianca Kloda, schöner kann man nicht „Papa Papa“ singen.
Die Dortmunder Philharmoniker unter Leitung von Gabriel Feltz liessen das Geflecht der Themen hörbar nachvollziehen, ihnen lag auch das Rauschhafte der Musik und die Walzerseligkeit. Gabriel Feltz wählte besonders im I. Aufzug teils sehr schnelles Tempo, wurde dann extrem langsam, was den Sängern im ersteren Fall beim schnellen Parlando zum anderen bei langen Legato-Phrasen Schwierigkeiten bereitete. Die grossen Ensembles, besonders das im III. Aufzug, klappten exakt. Wie gut die vielen solistischen Anforderungen an einzelne Instrumente erfüllt wurden, hörte man vor allem bei Einleitung und Pantomime zum III. Aufzug, immerhin „so schnell als möglich“ zu spielen.
Rahmen für diese großartigen Sängerleistungen gab die Regie von Jens-Daniel Herzog, der neben vielen Handlungsdetails vor allem erotische Momente betonte. Dafür seien zwei Bespiele genannt: Im stürmischen Liebesakt zwischen Marschallin und Octavian verrät die Musik, daß Octavian etwas eher am Ziel ankommt, als die Marschallin – „ich bin kein Geübter in solchen Sachen“ sagt er ja von sich – das wurde hier auf der Bühne auch im Spiel der beiden angedeutet. Wenn im III. Aufzug eigentlich die auftretenden Masken den Ochs erschrecken sollen, macht Mariandl stattdessen ein kleines SM-Spielchen mit ihm. Das Knallen der Peitsche passte sich der Musik ganz gut an, „um die Ecke gedacht“, wie manchmal bei Herzog. Wenig gut ihm gelang der Regie der II. Aufzug. Ist die Überreichung der silbernen Rose doch eigentlich der Höhepunkt, so fand sie hier auf dem höchsten Punkt der Bühne auf einem Metallsteg über Faninals Zimmer statt, den Sophie und Octavian mühsam erklettern mußten. Beim erwartungsvollen Dialog vor Ankunft des Rosenkavaliers zwischen Sophie und der Jungfer Leitmetzerin – dargestellt von Emily Newton der anderen Besetzung der Marschallin – wurde der Zuschauer durch das mühsame Hereintragen eines Klaviers abgelenkt- vielleicht Anspielung an Loriot? Ähnlich mußte beim ersten noch braven Gespräch zwischen Octavian und Sophie über die „Stammbäumer“ eine Steckdose für die Leitung der Stehlampe gesucht werden – Blödsinn! Das Liebesduett sangen die beiden dann vor einem mit bunten Glühbirnen beleuchteten Fenster – wohl bewußt kitschig aber nicht passend zur Musik!
Ausser der auch in jede frühere Inszenierung passenden festlichen Robe der Marschallin wechselten die Kostüme von Sybille Gädeke zwischen gestern und heute, Ochs etwa in bayrischer Lederhose, Sophie im II. Aufzug im Brautkleid, ganz schrille Outfits für die Beteiligten am Lever der Marschallin, etwa der Sänger in pink – mit etwas übertriebenen italienischen Belcanto Kyungho Kim – oder der Friseur übertrieben tuntig etc.
Eine ganz eigene Geschichte erzählten die drei Bühnenbilder von Mathis Neidhardt. Das Schlafzimmer der Marschallin erschien edel wie gewohnt, Ein wenig gekippt hatte im II. Aufzug darin das Zimmer von Faninal Platz, nicht neureich sondern nur geschmacklos. Für das Extrazimmer im Gasthaus war der Raum dann völlig gekippt und teils zerstört. Hier sollte wohl thematisiert werden, daß die das Ende der Donaumonarchie bei Entstehung der Oper bereits absehbar war.
Die Inszenierung endete wie sie begann. Vor einem Sternenhimmel war nur das grosse goldene Bett zu sehen, zu Beginn mit Marschallin und Octavian darin, zum Schluß mit Octavian und Sophie.. Dasselbe Bett, derselbe Mann, aber eine jüngere Frau, fast erinnernd an den einige Jahre vorher entstandenen „Reigen“ von Schnitzler.
Das Publikum im nicht ausverkauften Haus spendete längeren Beifall, auch mit Bravos für die Solisten. Die Angst vor drohendem Schneefall ließ wohl manche das Opernhaus schneller verlassen als sonst üblich
Termine und Karten unter DIESEM Link (Oper Dortmund)
Rezension: Sigi Brockmann / Der Opernfreund