Oper Chemnitz: ISOLATION | CLUB – Kammeroper als Stream/Rezension

Theater Chemnitz/ISOLATION CLUB/Marlen Bieber, Felix Rohleder/ Foto: Nasser Hashemi

Marlen Bieber und Felix Rohleder, beide Mitglieder im Opernstudio der Oper Chemnitz, sind die  höchst überzeugenden Protagonisten dieses einstündigen Werkes mit dem Namen ISOLATION CLUB. Es wurde als Kammeroper veröffentlicht und ist im Streamprogramm der Oper Chemnitz zu sehen. Das Libretto dazu stammt von dem Wiener Autor und Schauspieler Florian Stanek, die Musik komponierte der Musiker Sebastian Brandmeir, die Beats stammen vom Musiker und Multimedia-Künstler Olaf Bender, einem gebürtigen Chemnitzer. Das Stück zeigt die Geschichte zweier via Social-media verbundener junger Leute, die unter der verordneten Einsamkeit des Coronalockdowns virtuell aufeinandertreffen. Die zusammen der inneren Isolation entfliehen und sich im gleißenden Licht und den wummernden Beats eines Clubs vom wirklichen Leben, vom tatsächlich körperlichen Miteinander, mitreißen und ablenken lassen. „Wenn der Beat übernimmt, schaltet das Hirn aus. Dann ist man Herz. Nur pochendes, weinendes Herz. Und die Luft ist dick. Und das Leben surrt im Ohr.

 

Zum Inhalt der Kammeroper:  Die Welt im Lockdown. Hannah ist Youtuberin und gibt fröhliche Durchhalteparolen an ihre Follower aus. Bis Paul dazwischenfunkt. Paul glaubt an Verschwörungstheorien und ist Pandemieskeptiker. Was sie vereint? Die Suche nach dem Echten, dem Leben, dem wahren Kontakt trotz Social Media und Social Distancing. Und wo könnte man das Leben eher finden als in einem Club? Mit wummernden Beats, verschwitzten Körpern und Alkohol. Hannah und Paul begeben sich auf eine Reise. Die Grenzen zwischen analoger und digitaler Welt verschwimmen, auch musikalisch. Aber welche Isolation ist real, welche findet nur im Kopf statt? Ein Appell an wahren Mut in Zeiten großer Verunsicherung.

Die Kammeroper mit Beats ISOLATION CLUB wurde für Mezzosopran und Bassbariton geschrieben. Jeweils tiefere Gesangsstimmlagen, die aber im Wechselklang ihre ganz besondere Wirkung haben. Florian Stanek und Sebastian Brandmeier haben mit der Besetzung dieser beiden Rollen, die einzigen des Werkes, absolut überzeugt. Hier stehen sich zwei ebenbürtige Sängerdarsteller/In gegenüber und als Rezensent dieses Videos kann ich hier nur konstatieren, dass ich vom ersten Moment an von der Darstellung und dem Gesang dieser beiden jungen Opernsänger überzeugt war. Eigentlich restlos. Zumal beide Partien den Wechsel von Gesang und Sprache beinhalten. Aber auch den körperlichen Ausdruck.

Theater Chemnitz/ISOLATION CLUB/Marlen Bieber/ Foto: Nasser Hashemi

Die Mezzosopranistin Marlen Bieber ist in diesem Stück die Youtuberin Hannah. Sie ist das, was heutzutage landläufig als Influenzerin bezeichnet wird. Eine zumeist junge Person, – sehr oft sind es Frauen und Mädchen -, mit enormer Useranbindung und Internetreichweite. Hannah selbst erwähnt in der Kammeroper diese tausenden User, die ihr folgen bei ihrem scheinbar fröhlichen (Durchhalte-)Leben während des Lockdowns. Marlen Bieber macht dies auf sehr glaubhafte Weise. Ihr Verhalten, auch in Ausdruck und Spiel, veränderte sich ab dem Moment, wo Paul in ihr virtuelles Leben tritt und Fragen stellt. Fragen, die sie, die vielbeachtete Youtuberin, auf einmal beantworten muss. Starke Leistung der jungen Mezzosopranistin!

Theater Chemnitz/ISOLATION CLUB/Felix Rohleder (Paul) Foto: Nasser Hashemi

In Felix Rohleder als Paul hat sie ihren kongenialen Gegenpart. Der Bassbariton Rohleder spielt und singt den zweifelnden und an der Isolation verzweifelnden Paul mit größter Intensität. Diese Partie fordert einem Opernsänger eine Menge ab. Die musikalischen Wechsel der Stilrichtungen sind das eine, die Darstellung und Verkörperung eines jungen, an den Umständen hadernden Mannes, das andere. Felix Rohleder hat das großartig gemeistert. Das Opernstudio darf sich glücklich schätzen mit Marlen Bieber und Felix Rohleder gleich zwei Mitglieder zu haben, die so zu begeistern und zu überzeugen wissen!

Die Regie führte Veit-Jacob Walter, für die Bühne war Claudia Weinhart zuständig. Walter inszenierte dieses 2-Personen-Stück wie ein Kammerspiel. Zwei Menschen, unterschiedlich, auseinander in ihren Weltanschauungen und Ansichten, aber dennoch auf eine noch zu erkennende Weise miteinander verbunden. Walter liess seine Darsteller ihre Rollen spielen, gab jedem von ihnen den Freiraum der Darstellung und sorgte dafür, dass die Geschichte von Hannah und Paul so erlebbar für den Zuseher wurde.

Sebastian Brandmeir (li.) & Florian Stanek (re.) Foto @ Konstantin Zander

Florian Stanek hat das Libretto zu der Kammeroper ISOLATION CLUB geschrieben. Ein Stück, dass aktueller kaum sein kann und dessen thematische Behandlung ganz sicher immer eine Art von Balanceakt ist, nicht in die eine oder andere Meinungsrichtung abzugleiten. Das ist Stanek in keiner Szene passiert. Vielmehr hat er eine Geschichte zweier junger Menschen verfasst, die für so viele andere Menschen so nachfühlbar ist. Diese Einsamkeit, diese Isolation der vergangenen Lockdowns kann jeder von uns nachempfinden. Diese Machtlosigkeit, dieses Gefühl des nicht Entrinnenkönnens, haben die meisten Menschen dieser Welt miterleben müssen. Und diese ganz spezielle Form der Isolation von jungen Menschen, die ja gerade in „ihrer“ Zeit alles andere als isoliert und „gelockdownd“ sein wollen, transportiert Florian Stanek mit seinem Stück ungemein nachvollziehbar für die Zuschauer seines Stückes. Dazu hat Stanek eine Sprache genutzt, die dem Lebensgefühl der jungen Generation nah, aber der von den Älteren kaum fern ist.

Sebastian Brandmeir hat sich für seine Komposition zu dieser Kammeroper verschiedener musikalischer Stilrichtungen bedient und sie in interessanter und anspruchsvoller Weise miteinander verwoben. Klassische Klänge, Arien-und Duetthafte Sequenzen, aber auch Anklänge an Operette und Musical verbinden sich mit rhythmischen neuzeitlichen Beats und ergeben einen musikalischen Cocktail, der absolut anspricht. Und der das Potential dazu hat, junge Menschen für die Oper zu interessieren, sie an Oper heranzuführen. An diese doch so wundervolle Kunstform, die Gesang und Schauspiel auf so ganz besondere Weise zusammenfügt. Das Duett Hanna und Paul„…in einem Club, in einem Club ist alles möglich….“, und danach weiter in bester operettenhafter Manier, – oder besser Musicallike- So ein Ort..so ein Ort“… dazu die vielen weiteren musikalischen Variationen von Beat bis Klassik sollen hier als Kompositionsbeispiel genannt werden. Nicht nur, weil sie augenblicklich ins Ohr gehen! Für die Beats der Kammeroper zeichnete sich der Chemnitzer Olaf Bender verantwortlich, ein ausgewiesener Fachmann seines musikalischen Metiers.

Die Kammeroper ISOLATON CLUB ist als Videostream veröffentlicht. Vorausschickend, dass ich sicher nicht ein Experte auf dem Gebiet der Videofilmtechnik bin, nur so viel: Das Video ist optisch und akustisch hervorragend gestaltet. Keine zu schnellen Schnitte, keine zu grellen Lichteffekte (bis auf die wenigen im „Club“) haben entscheidend dazu beigetragen, dass ich mich eine Stunde bestens unterhalten fühlte.

Musik verbindet. Gleich, welcher Art, gleich welcher Kultur. Sie verbindet auch dann, wenn uns manches trennt. Oder gerade erst dann. ISOLATION CLUB habe ich sehr gern gesehen und ebenso gern rezensiert.

Trailer (mit frdl. Genehmigung v. Die Theater Chemnitz)

 

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