Oper Bonn: „Die lustige Witwe“ – Premierenbericht

Theater Bonn/Die lustige Witwe/Ensemble/Foto: © Thilo Beu

Deftige Buffa über die Liebe: „Die lustige Witwe“ bezaubert das Publikum in der Oper Bonn

Der Oper Bonn ist mit der „lustigen Witwe“ eine phantastische Ensembleleistung gelungen, bei der der Chor, das Beethovenorchester unter Hermes Helfricht und Sänger*Innen der Bonner Oper mit einer kleinen Tänzer*innen-Gruppe für Operettenglück sorgten. Regisseur Aron Stiehl erteilte dem so genannten Regietheater eine Absage und hielt sich ziemlich treu an das Libretto. Den besonderen Pfiff bekam die Produktion durch Christoph Wagner-Trenkwitz als Njegus, der sich mit seinen Kommentaren immer wieder an das Publikum wandte.(Rezension der Premiere vom 23.04.2023)

 

In der „lustigen Witwe“ geht es um Liebe, (diplomatische) Affären und um Geld. Franz Lehár hat nach dem Libretto von Victor Léon und Leo Stein mit seiner am 30. Dezember 1905 im Theater an der Wien uraufgeführten Komödie eine der erfolgreichsten Operetten aller Zeiten geschrieben, in der sich Walzerseligkeit, Romantik und frivole Affären mit der Parodie diplomatischer Gepflogenheiten verbinden. Thema ist: „A. Liebe als Zeitvertreib (‚Da geh´ ich zu Maxim‘) B. Liebe als Abenteuer (‚Komm in den kleinen Pavillon‘) und C. Liebe als Schicksal (Lippen schweigen, ´s flüstern Geigen‘)“ wie Bernhard Grün im Programmheft zitiert wird. Die Inszenierung von Aron Stiehl, die bereits 2019 im Saarländischen Staatstheater mit großem Erfolg aufgelegt wurde, ist jetzt in der Oper Bonn zu sehen.

Es ist der Prototyp einer erotisch aufgeladenen Operette, und man hält den Besuchern und Besucherinnen den Spiegel vor; jeder kann sich mit einer der Personen identifizieren, und sei es als Mann: „Ja, das Studium der Weiber ist schwer“ oder als Frau: „Ja, das Studium der Männer ist schwer,“ mit dem die Handlung nach dem zweiten Akt wieder aufgenommen wird. Musikalisch reiht sich ein Hit an den anderen, beschwingt und gut gelaunt verlässt man die Oper. Die Inszenierung von Aron Stiehl knüpft an seinen Erfolg mit der „Fledermaus“ an, bei dem Christoph Wagner-Trenkwitz den Frosch gespielt hat. Es war klar, er musste in Bonn den Njegus übernehmen.

Theater Bonn/Die lustige Witwe/Christoph Wagner-Trenkwitz (Njegus), Ensemble/Foto:
© Thilo Beu

Es ist eine Satire über Kleinstaaten aller Art, für deren Bürger Paris den Gipfel der Frivolität darstellt. Pontevedro ist das kleine Balkanland, in dessen Pariser Botschaft die Handlung spielt. Der Staatsbankrott droht, und Botschafter Baron Mirko Zeta fordert im Auftrag seiner Regierung die pontevedrischen Männer auf, dafür zu sorgen, dass die millionenschwere Witwe Hanna Glawari keinen Franzosen heiratet, sondern einen Bürger Pontevedros. Graf Danilo, sein Attaché, will die reiche Witwe nicht heiraten, weil er sich eben nicht verkaufen möchte. Erst als er hört, dass sie arm ist, drückt er seine Liebe aus. Es ist der Sieg der Liebe über den Materialismus im Gewand der Operette. Daneben steht die deftige Buffo-Handlung des Seitensprungs hinter den verschlossenen Türen des Pavillons (Figaros Hochzeit lässt grüßen!), bei der Hanna Glawari verhindert, dass Valencienne kompromittiert wird, indem sie behauptet, sie selbst sei mit Graf Camille de Rosillon im Pavillon gewesen. Nebennutzen: sie macht Danilo eifersüchtig.

Die Kostüme von Franziska Jacobsen sind zeitlos-elegant, das Bühnenbild von Nicola Reichert eher schlicht in Art-Deco-Optik mit einer paradiesischen Landschaft als Schlusstableau, die das Operettenglück auch optisch andeutet, aber auch etwas in Frage stellt. Von zentraler Bedeutung ist die Choreografie von Sabine Arthold, die sämtliche Szenen durchchoreografiert hat. Die synchronen Bewegungen des Chors, die Körpersprache, die Walzer, die vom Chor getanzt werden, und vor allem der Tanz der Grisetten, für den man extra ein sechsköpfiges Tanzensemble engagiert hat, sind hinreißend.

Die mit Spannung erwartete reiche Witwe schwebt in einer Schaukel von der Decke – eine tolle Umsetzung der Auftrittsmusik Lehárs – und wird umgehend von heiratswilligen Junggesellen umringt. Sie hat ausnahmsweise als Frau das Heft in der Hand, weil sie von ihrem nach acht Tagen Ehe verstorbenen Gatten 20 Millionen geerbt hat, und schafft es mit großem Geschick, ihren Traum von der Ehe mit Graf Danilo, der sie früher aus Standesgründen nicht heiraten konnte, zu realisieren. Gast Barbara Senator in der Titelrolle ist zwar keine klassische Diva, aber sie singt das romantische Vilja-Lied so ergreifend, dass der im Rollstuhl hereingefahrene Geistliche sich erhebt und tanzt. Sie erreicht mit großem diplomatischem Geschick ihr Ziel: dass ihre Jugendliebe Danilo seinem Motto: „Verliebe dich oft, verlobe dich selten, heirate nie,“ untreu wird.

Mit dem Hit „Dann geh ich zum Maxim“ führt sich Graf Danilo als Womanizer par excellence ein und bedient nebenbei das Klischee eines faulen Beamten. Er kommt nach einer durchzechten Nacht verkatert und derangiert auf die Bühne und singt: „die Akten häufen sich bei mir, ich find´ es gibt zu viel Papier.“ Johannes Mertes gibt diesen Danilo mit großer Spielfreude und viel Herzblut.

Theater Bonn/Die lustige Witwe/Santiago Sánchez (Camille de Rosillon), Marie Heeschen (Valencienne)/Foto: © Thilo Beu

Marie Heeschen als Valencienne und Santiago Sánchez als Graf Camille de Rosillon sind das jugendliche Traumpaar, dessen Körpersprache verrät, dass sie ihre Rolle als „anständige Frau“ sehr frei interpretiert. Dass sie es faustdick hinter den Ohren hat, zeigt sie im dritten Akt als tanzende Anführerin der Grisetten. Der lyrische Tenor Santiago Sánchez gibt mit den berückendsten Kantilenen den verliebten Jüngling.

Für dieses Paar geht die Sache ebenfalls gut aus, denn Valenciennes Ehemann, der Botschafter Baron Mirko Zeta, merkt bis zum Schluss nicht, dass er der betrogene Ehemann ist. Die Affäre kann also ungebremst so weiter gehen, denn Rosillon muss die Witwe nicht heiraten, obwohl es zwischendurch so aussieht, als müsse er das tun, um sie nicht zu kompromittieren. Erzkomödiant Martin Tzonev als Baron Zeta hat die Lacher auf seiner Seite, wenn er die Tugend seiner viel jüngeren Frau preist.

Dampfplauderer Christoph Wagner-Trenkwitz als Njegus gibt dem Ganzen Pfiff, denn mit einem Fingerschnipsen friert er nicht aktive Personengruppen ein und führt als Kanzlist mit schwarzen Ärmelschonern mit großem diplomatischem Geschick die Geschäfte der Botschaft. Die Umbaupause vor dem zweiten Akt nutzte er zu einem kurzweiligen Extempore, bei dem er einen Hammelsprung des Publikums (Happy End rechts raus, trauriger Schluss links raus) vorschlug und über das Genre Operette witzelte.

Das Maxim´s in der Rue Royale 7 in Paris in der Nähe der Place de la Concorde gibt es tatsächlich. Man kann auch heute noch dort in einem erlesenen Jugendstilambiente dinieren. Es wurde 1893 eröffnet und war bis 1977 ein Restaurant mit Sterneküche, in dessen Separees sich früher Männer der kosmopolitischen Aristokratie diskret mit Damen treffen konnten. Da die Herrenclubs nur Männer zuließen, fanden die Herren bei Maxim´s dort auch Escortdamen mit Niveau, die Grisetten, die selbstverständlich angemessen bezahlt werden mussten.

Im dritten Akt veranstaltet Hanna Glawari eine Party mit den Grisetten des Maxim´s, deren Anführerin und Vortänzerin von Valencienne gespielt wird. Christoph Wagner-Trenkwitz trat mit vollem Körpereinsatz im rotem Bustier und weißer Unterhose mit kecker Pagenkappe auf – eine Persiflage auf den 15-jährigen Pagen (Chasseur) Charles. Für Bonner Verhältnisse sehr gewagt!

Aron Stiehl und sein Team fokussieren die Handlung auf die Liebeswirren und auf den frivolen Buffo-Aspekt. Sie kreieren mit dem wunderbar tanzenden und von Marco Medved bestens einstudierten Bonner Opernchor, dem spritzigen Beethovenorchester unter Kapellmeister Hermes Helfricht und dem typgerechten Ensemble einen kurzweiligen Abend mit zahlreichen musikalischen Evergreens. Ein Muss für Liebhaber der Operette!

 

  • Rezension von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Oper Bonn / Stückeseite
  • Titelfoto: Theater Bonn/Die lustige Witwe/Barbara Senator (Hanna Glawari), Ensemble, Chor/Foto: © Thilo Beu
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