Narropera: Großer Spaß – Wie verführt man 2065 Frauen?

Beethovenhaus/Kammermusiksaal/ Foto @ Vdv-Architektur (Wikipedia free use)

Don Giovanni“ als „Narropera“ im Kammermusiksaal des Beethovenhauses am 19.1.2019

Haydn Rawstron, Klavier und Erzähler, Dorothee Jansen, Gesang, und Floriane Peycelon, Violine bereiteten dem zahlreich erschienen Publikum im Kammermusiksaal des Beethovenhauses einen äußerst vergnüglichen Abend. Erzählt wurde Mozarts „Don Giovanni“, die „Oper aller Opern“, wie E. T. A. Hoffmann sie nannte. In keiner Oper liegen deftige Buffo, Pikanterie und Drama so nah beieinander, daher nannte Mozart sie „Dramma giocoso“.

 

Wie bringt man dieses Werk mit drei Künstlern in 75 Minuten auf die Bühne?

Haydn Rawstron gelingt dieses Kunstwerk souverän. Er stellt die Abfolge der Szenen um und beginnt mit Donna Elviras Ankunft in Sevilla. Mit seinem charmanten englischen Akzent ist er der Reporter, der die Geschichte des Verführers von Sevilla dem staunenden Publikum zu Gehör bringt.

In zehn Episoden, von denen jede in einer Gesangsnummer endet, wird jeweils eine Szene erzählt, so dass am Ende der deutsch gesprochene Text der Arie vom Erzähler vorgetragen wird, dann folgt der italienische Anfang der Arie, und dann ist Frau Dorothee Jansen, begleitet von Geige und Klavier dran.

Der Schwerpunkt der zehn Gesangsnummern liegt bei Donna Elvira, die alle Gefühle der betrogenen Ehefrau durchlebt und letzten Endes doch die Untaten verzeihen möchte, wenn sich der Wüstling ändert, und auf der jungen, naiven und unschuldigen Zerlina, die den Verführungskünsten des jungen Edelmanns schutzlos erliegt.

Diese beiden Rollen liegen Dorothee Jansen, die in Bonn aufgewachsen ist und die Mitglied des Kölner Opernstudios und des Kölner Ensembles war, sehr, da kann sie mit ihrem lyrisch-dramatischen Sopran glänzen.

Die Ermordung des Commendatore durch Don Giovanni wird nur in der Rückblende erzählt, dagegen die Episode der Verführung Zerlinas und der anschließenden Versöhnung mit Masetto einschließlich des Duetts „La ci darem la mano“, bei dem die Violine den Part des Verführers übernimmt, voll ausgekostet.

Don Giovannis Ständchen „Deh vieni alla finestra“ wird von Floriane Peycelon pizzicato auf der Geige begleitet, sie ist überhaupt eine wunderbar stilsichere Geigerin, die zusammen mit Haydn Rawstron am Klavier die Sängerin kongenial begleitet.

Leporellos Registerarie ist als gesprochener Text mindestens so aussagekräftig wie als Arie in italienischer Sprache, die Lacher sind sicher, wenn Rawstron in die Rolle Leporellos schlüpft und die Liste der Eroberungen seines Herrn ausbreitet.

Haydn Rawstron, Klavier und Erzähler, Dorothee Jansen, Gesang, und Floriane Peycelon, Violine / Foto @ Haydn Rawstron

Die so genannte Champagner-Arie wird von Dorothee Jansen übernommen, da lässt Prinz Orlovsky grüßen, sie singt auch „Il mio tesoro …“ des Don Ottavio. Das Schluss-Sextett konnte nur in Ansätzen abgebildet werden, aber dafür hat man endlich mal alle Handlungsstränge begriffen. Gerade bei den Da-Ponte-Opern mit ihren Verkleidungen verliert man als Zuschauer leicht den Überblick. Es ist ein veritabler Spaß, der die bekanntesten Arien und Ensemblestücke in Erinnerung ruft und auch ein paar Hintergrundinformationen liefert. Das Publikum spendete großen Beifall.

Das Format „Narropera“ – von lateinisch „narrare“-erzählen, die erzählte Oper also, wurde 2013 von Haydn Rawstron entwickelt und hat mittlerweile sogar ein Festival in Neuseeland, wo Rawstron geboren wurde. Sie ist eine echte Ergänzung zum Besuch der „richtigen“ Oper. Rawstron ist Musikwissenschaftler und hatte von 1977 bis 2009 in Großbritannien eine Künstleragentur.

Dieser Abend hat Appetit gemacht auf die Wiederaufnahme des „Don Giovanni“ am 14. Juni 2019 in der Bonner Oper, denn natürlich kann man mit drei Musikern kein Ensemble mit Chor und Orchester ersetzen.

„Narroperas“ gibt es schon von „Cosí fan tutte“, „La clemenza di Tito“, „Don Giovanni“ und „Der Freischütz“, geplant sind „Figaros Hochzeit“ und „Leonore in Fidelio“. Die nächste Aufführung der Narropera „Don Giovanni“ ist im Herrenhaus Gut Neverstaven in 23843 Travenbrück am 27. Juli 2019 im Rahmen der „Neverstavener Narropera-Woche“ geplant.

Die nächste Narropera-Vorstellung im Kammermusiksaal des Beethovenhauses steht auch bereits fest: „Figaros Hochzeit“ parallel zum letzten Wochenende des Beethovenfests am 28. September 2019.

Auch als Einführung für Menschen, die noch nie von „Don Giovanni“ gehört haben, eignet sich „Narropera“ vorzüglich, denn der Geist des Werks wird äußerst kurzweilig wiedergegeben.

Giacomo Casanova, der in seinen Memoiren zahlreiche erotische Abenteuer beschreibt, soll tatsächlich Gast der Premiere von Mozarts „Don Giovanni“ am 29. Oktober 1787 in Prag gewesen sein. Der Mythos des Don Juan ist ein klassisches Sujet des 17. und 18. Jahrhunderts, und es soll sogar ein historisches Vorbild gegeben haben, das Tirso da Molina in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zur Vorlage für sein Drama „El burlador di Sevglia y convidado di piedra“ – „Der Verführer von Sevilla und der steinerne Gast“ zum Vorbild nahm. Die Vertonung Mozarts nach dem Libretto des Venezianers Lorenzo da Ponte hat den Stoff unsterblich gemacht.

In der Gegenwart fallen mir zum Beispiel Dominique Strauss-Kahn und Donald Trump ein, die durch ihre Sexaffären für ständiges Futter der Boulevardpresse sorgen, das Thema ist also zeitlos. Nur die Bewältigung hat sich geändert: Während Don Giovanni zur Hölle fährt und sich der irdischen Gerechtigkeit entzieht, werden seine Nacheiferer mit Prozessen überzogen und sozial geächtet.

 

  • Rezension von Ursula Hartlapp-Lindemeyer
  • Titelfoto: Haydn Rawstron, Klavier und Erzähler, Dorothee Jansen, Gesang, und Floriane Peycelon, Violine / Foto @ Haydn Rawstron

 

 

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