Münster: DIE PIRATEN VON PENZANCE – Operette von Gilbert & Sullivan

DIE PIRATEN VON PENZANCE / Foto@Oliver Berg-Theater Münster
DIE PIRATEN VON PENZANCE / Foto@Oliver Berg-Theater Münster

Besuchte Aufführung am 09.04.14 (Premiere am 29.03.14) Glückliches, altes England ! Nicht die Piraten der Karibik, sondern, die der englischen Küste suchen gerade das Theater Münster heim, und geben dem Publikum die seltene Gelegenheit einer der Meisterwerke der englischen Operette „Die Piraten von Penzance“ zu erleben. Natürlich ein Werk des Autorenduos Gilbert& Sullivan, nicht dem Popduo, sondern William Schwenck Gilbert, der in seinem Libretto (Untertitel „Der Sklave der Pflicht“) quasi ein Nebenwerk zu Jaques Offenbachs „Die Banditen“ liefert, wo die Banditen/Piraten ehrlichere Häute sind als die vermeintliche „Creme“ der Gesellschaft, das ganze in diesem Fall natürlich gewürzt mit einer guten Prise kauzigen, englischen Humors. Arthur Sullivan komponierte dazu eine sehr melodiös inspirierte Partitur, die die ganze Bandbreite ihrer Zeit abdeckt, neben englischen Seemannsliedern stehen lyrisch beseelte Sequenzen, die Koloraturarie mit Chor (Walzer!) folgt auf ein textlastig geschnattertes Couplet, die beliebte Form des Oratoriums wird gestreift, die große Oper parodiert. Unterhaltungstheater der Spitzenklasse !

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DIE PIRATEN VON PENZANCE / Foto@Oliver Berg-Theater Münster

Holger Seitz` Inszenierung wechselte vom Gärtnerplatz in München ans Theater Hof, um nun am Theater Münster anzukommen. Die Regie versucht gar nicht erst etwas anderes aus dem Stück zu machen, als es bedeutet, sondern inszeniert eine muntere Operette mit vielen witzigen Einfällen, die sich ganz auf das enorme Spielpotential der Sänger verlässt. Herbert Buckmüllers Bühne zeigt die pittoreske Steilküste mit Piratenschiff, wie die spukige Ruine einer zerfallenen Kathedrale mitsamt Friedhof; Götz Lanzelot Fischers Kostüme sind blitzblank anzusehen: romantische Piraten treffen auf blaustrumpfige Backfische, very English. Dazu ein bisschen spritzige Choreographie von Fiona Copley und, voila, der Abend läuft bestens. Hauptfigur ist Frederic, bis zu seinem einundzwanzigsten Geburtstag als Piratenlehrling fatalerweise eingeschrieben, denn sein Geburtstag fällt auf einen 29.Februar ! Philippe Clark Hall hat einen soliden Tenor ohne groß stimmlich aufzufallen, doch schöpft er aus seiner Physis großes Kapital als „Beau“, gewinnt durch seine sympathische Ausstrahlung und tänzerische Bewegtheit. Schuld daran hat seine schwerhörige Amme Ruth, eine Paraderolle für Suzanne McLeod, die ihr enormes, komisches Potential entfaltet, ohne groß zu outrieren. Gregor Dalal bringt als Piratenkönig eine imposante Statur und ebensolchen Bassbariton zur Geltung; Plamen Hidjov als Samuel ist eine echte Type und assistiert trefflich. Die Gegenseite besteht aus dem Generalmajor Stanley und seinen Töchtern, übrige Damensoli und der gesamte weibliche Chor. John Pickering beweist enorme Parlandofähigkeiten, geschmackvollen Tenorgesang und souveräne Bühnenroutine. Mabel wird Frederics Geliebte in allen englischen Ehren, Henrike Jacob machte das mit viel Charme, in der Mittellage besitzt ihr Sopran einen reizvollen, leicht herben Klang, stupend gelingen vor allem die Höhenausflüge in die geforderten Koloraturen. Eva Bauchmüller, Lisa Wedekind und Christina Holzinger assistieren als stets eigene Charakterstudien der Schwestern Edith, Kate und Isabel. Lukas Schmied ragt als Seargeant der Polizei, allesamt natürlich im „Bobby-Style“, in jeglicher Beziehung heraus.

DIE PIRATEN VON PENZANCE / Foto@Oliver Berg-Theater Münster
DIE PIRATEN VON PENZANCE / Foto@Oliver Berg-Theater Münster

Eine der Hauptsachen des Abends sind jedoch auch die Mitglieder von Chor und Extrachor des Theaters Münster, da findet sich jeder auf der Bühne mit einem liebevoll gezeichneten Charakter, die Spielfreude schwappt schier über die Rampe, gesanglich unter der Leitung von Inna Batyuk ebenfalls tadellos. Stefan Veselka am Pult der ausgezeichneten Sinfonieorchesters Münster findet stets den rechten Ton; weiß wann er das Tempo schwungvoll anziehen kann, wann er die Geschwindigkeit drosseln muss, um Textverständlichkeit zu gewähren. Ein Publikum, das sich mit einem unvertrauten Werk schnell in gute Laune versetzen ließ, feierte den flotten Abend oft mit Szenenapplaus und herzlichem Schlussbeifall. Ein wundervoller Abend, an dem man sich einfach nur gut amüsieren konnte, eine Fahrt nach Münster lohnt durchaus. Von mir aus gerne mehr von Gilbert&Sullivans Operetten, da gibt es noch viel Tolles, Lustiges und Skurriles zu entdecken. Martin Freitag / Der Opernfreund 17.4.14

* weitere Infos und Kartenvorverkauf HIER

*Foto 1: Eva Bauchmüller, Christina Holzinger, Lisa Wedekind, Chor , Foto 2: Suzanne McLeod, Philippe Clark Hall, Foto 3: Philippe Clark Hall, Henrike Jacob – alle Fotos: © Oliver Berg

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