Landestheater Detmold/Faust/Emily Dorn (Marguerite)/ Foto @ A.T. Schaefer

Landestheater Detmold: Premiere der Oper „Faust“ in beklemmend-eindrucksvollen Bildern

Jan Eßinger (Regie) / Foto @ Landestheater Detmold
Jan Eßinger (Regie) / Foto @ Landestheater Detmold

Für Jan Eßinger, den Regisseur der Detmolder „FAUST“-Inszenierung,  ist Méphisto das Böse im Menschen, das zweite Gesicht oder auch einfach der Erfüllungsgehilfe bei der Umsetzung von tief verwurzelten, insgeheimen Lastern und Begierden. Fernab von Normen und Konventionen. Als wenn der Mensch, in diesem Fall der alte, mit seiner Gebrechlichkeit hadernde und seine einstige Manneskraft wieder herbei sehnende Doktor Faust, in einen Zauberspiegel schaut. Und was er dort erblickt, ist die Erfüllung seiner Wünsche. Und um das zu erreichen, ist kein Preis zu hoch. Eßinger gelingt eine packende, eine sich zum Finale hin immer mehr an Dramatik steigernde, Inszenierung dieser französischen Oper mit teilweise beklemmenden Bildern und visuellen Deutungen – Landestheater Detmold/Premierenbericht der Oper Faust (Margarethe) von Charles Gounod/Premiere 7.9.18 –

 

Im Vorfeld der Premiere beschreibt Jan Eßinger seine Sicht auf Méphistophélès (im weiteren Méphisto)  u.a. wie folgt: „Méphisto ist für uns nicht das „reine Böse“, kein abstraktes Prinzip. … Er ist auch nicht der allgegenwärtige Spielleiter, der die Geschicke der Menschen lenkt und gegen den niemand etwas tun kann. Das hieße ja, dass alle Figuren an sich „schuldlos“ wären – denn man könnte entschuldigend sagen: Méphisto hat uns ja gelenkt… Méphisto ist seine andere Seite, eben die dunkle Seite. Aus dieser Spiegelsituation der Figuren heraus hat sich dann auch die entsprechende Raumlösung für das Bühnenbild ergeben. Wir schauen in unserer Inszenierung gemeinsam auf die Welt hinter dem Spiegel.“ (Zitat Ende)

 

Eindrucksvolle Regie!

Aufgrund dieser Auslegung sind die Personen in der Oper FAUST zwar autonom in ihrer Handlungsweise, aber auch nur so lang und so weitgehend, wie es das Böse in ihnen zulässt. Kommen ihnen Zweifel, keimt das sogenannte „Gute“ in ihnen auf, so ist es dann doch wieder Méphisto, das „Böse“, der die Strippen zieht und sie wieder auf Kurs, seinen Kurs, bringt. Aber auch, wenn das „Böse“ den Menschen lockt und manchmal auch einfangen und prägen kann, so ist es doch immer dann machtlos, wenn der Mensch erkennt, dass sein Handeln anderen moralisch-ethischen Grundsätzen und Prinzipien unterliegt als allein nur der Erfüllung und Befriedigung der eigenen Wünsche, Ziele und Begierden. Als einen steten inneren Kampf des Menschen, ausgefochten oftmals mit sich allein und doch in seiner Wirkung weit über das Individuum hinausgehend, mag das Kreisen zwischen „Gut und Böse“ vielleicht auch betrachtet werden. Nie leicht, oft mühevoll und schmerzhaft, ist es doch stets die eigene, selbst verantwortbare, Entscheidung.  – Ergo, DEN einen Teufel gibt es nicht. 

Landestheater Detmold/Faust/Ji-Woon Kim (Faust), Seungweon Lee (Mephisto)/ Foto @ A.T. Schaefer
Landestheater Detmold/Faust/Ji-Woon Kim (Faust), Seungweon Lee (Mephisto)/ Foto @ A.T. Schaefer

Auch bei Regisseur Jan Eßinger ist der Teufel, der Mephisto, der allgegenwärtige Dreh-und Angelpunkt der Inszenierung, wie dies bei vielen FAUST-Aufführungen der Fall ist. Immer ist er zu entdecken, mal im Vordergrund und dann wieder im scheinbaren Hintergrund, aber stets doch derjenige der alles regelt und souffliert.

Besonders beeindruckend gelingt dies Eßinger im 4. Akt der Oper, wenn Marguerite sich, als gesellschaftlich geächtete Mutter eines unehelichen Kindes, in die Kirche zum Gebet begibt. Da werden Reminiszenzen an den Hollywood-Klassiker „Der Exorzist“ erzeugt, wenn er Marguerite (höchst expressiv dargestellt von Emily Dorn) beim Klang der „himmlischen Chöre“ wie in einem Krampfanfall dazu leiden lässt. Ich gebe zu, dass diese Szene schon jetzt zum eindrucksvollsten gehört, was ich in den letzten Jahren auf deutschen Opernbühnen gesehen habe. Aber auch andere Regieeinfälle, wie etwa im 5. Akt, bleiben haften: Das goldene Gewand, welches Marguerite in der vor ihrer Tür stehenden Schmuckschatulle entdeckt und sich dann schüchtern überstreift, wird von Méphisto in geradezu ordinärer Manier getragen und genutzt, während Marguerite vor ihm im Staub liegt. Stark, was Eßinger da in Detmold abliefert!

Zusammen mit Bühnenbildnerin Sonja Füsti und in Kostümen von Nora Johanna Gromer gelang Regisseur Eßinger eine höchst beklemmende Bühnenatmosphäre in eindrucksvollen Bildern, Aufbauten und Bewegungen. 

 

Musikalisch überzeugend

Und in alledem wussten Detmolds Gesangssolisten zu punkten und das Premierenpublikum zu begeistern. 

Landestheater Detmold/Faust/Andreas Jören (Wagner), Brigitte Bauma (Marthe Schwerdtlein), Benjamin Lewis (Valentin), Opernchor, Extrachor/ Foto @ A.T. Schaefer
Landestheater Detmold/Faust/Andreas Jören (Wagner), Brigitte Bauma (Marthe Schwerdtlein), Benjamin Lewis (Valentin), Opernchor, Extrachor/ Foto @ A.T. Schaefer

Der Opernchor und Extrachor des Landestheater Detmold, in dieser Inszenierung viel und sinnvoll-originell eingesetzt, war von seinem Leiter Francesco Damiani hervorragend auf seine Aufgaben vorbereitet worden und erhielt zu Recht sehr viel Applaus.  

Die lebenslustige Nachbarin Marthe Schwerdtlein wurde von  Brigitte Bauma überzeugend dargestellt. Dies gelang auch Andreas Jören in der Partie des Wagner.

Benjamin Lewis sang und spielte den Bruder Maguerites, Valentin. Er legte viel Gefühl in seine bekannte Arie „Avant de quitter ces lieux“ und konnte auch in seiner Sterbeszene, in der er seine Schwester verflucht, noch einmal überzeugen.

Dem Siébel, den heimlich in Marguerite verliebten „Beinahe-Nebenbuhler“ des Faust, gab Lotte Kortenhaus viel stimmliches Profil und Ausdruckskraft.

Die Hauptpartien waren ebenfalls hervorragend besetzt.

Landestheater Detmold/Faust/Emily Dorn (Marguerite)/ Foto @ A.T. Schaefer
Landestheater Detmold/Faust/Emily Dorn (Marguerite)/ Foto @ A.T. Schaefer

Emily Dorn, die sichtlich in ihrer Rolle aufzugehen schien, ersang sich am gestrigen Premierenabend einen beachtlichen Erfolg. Das Publikum belohnte ihre Leistung, womit auch hier besonders die darstellerische Interpretation dieser Partie erwähnt werden muss, mit langanhaltendem Applaus und Bravorufen. Die glänzend gesungene Juwelenarie „Ah! Je ris de me voir„, als auch und besonders, ihre Darstellung im vierten Akt, sollen hier explizit genannt werden. 

Den Faust sang und spielte mit viel Elan und Einsatz der junge Tenor Ji-Woon Kim und begeisterte ebenfalls die Premierengäste mit seiner höhensicheren und dabei kraftvollen Stimme. Beeindruckend das Duett zwischen ihm und Marguerite und seine Leistung im Finale der Oper. Ein tolles Debüt.

Seungweon Lee war ein überzeugender Méphisto, der diese Partie verinnerlicht zu haben scheint. Der südkoreanische Bass war besonders großartig in Gesang und Darstellung, wenn er das Böse, das Dämonische, seiner Rolle auf der Bühne ausleben konnte. Hier sei auch besonders seine beklemmend gespielte Leistung im 4. Akt erwähnt. Natürlich auch für ihn großen Applaus.

Ebenfalls Jubel und langes rhythmisches Klatschen für das Symphonische Orchester des Landestheater Detmold und seinen GMD Lutz Rademacher, dem musikalischen Leiter des Abends, der diese Oper mit viel Gefühl, Dramatik und wohlgesetzten musikalischen Höhepunkten dirigierte.

 

 

  •  Große französische Oper am Landestheater Detmold! Beeindruckende Regie und musikalisch mitreißende Umsetzung von Charles Gounods FAUST! Absolut empfehlenswert!

 

  • Weitere Termine, Infos und Kartenvorverkauf unter DIESEM LINK
  • Titelfoto: Landestheater Detmold/Faust/Emily Dorn (Marguerite)/ Foto @ A.T. Schaefer

 

  • Rezension der besuchten Premiere am 7.9.2018 im Landestheater in Detmold von Detlef Obens/DAS OPERNMAGAZIN

 

  • Trailer der FAUST-Inszenierung am Landestheater Detmold (mit frdl. Genehmigung der Presseabteilung des LT Detmold
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2 Gedanken zu „Landestheater Detmold: Premiere der Oper „Faust“ in beklemmend-eindrucksvollen Bildern&8220;

  1. Ich stimme voll und ganz zu. Eine sehr gute Kritik, die der außergewöhnlichen Qualität der Inszenierung voll gerecht wird. Meine Frau und ich waren begeistert von der Aufführung.

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