Ist’s ein Traum? – „Der Rosenkavalier“ am Ort seiner Uraufführung, der Semperoper Dresden

Semperoper / Der Rosenkavalier/ Foto © Semperoper Dresden/Klaus Gigga

In keinem anderen seiner Werke ist Richard Strauss seinem großen Vorbild, Wolfang Amadeus Mozart, nähergekommen, als im „Rosenkavalier“. Die Popularität dieser „Komödie für Musik“ baut, ganz ähnlich wie bei Mozarts Da-Ponte-Opern, auf der Menschlichkeit ihrer Charaktere auf. Es steckt doch unglaublich viel Wahrheit in dem Libretto Hugo von Hofmannsthals. Mit den Gedanken der Marschallin hat sich wohl jeder Zuschauer irgendwann in seinem Leben schon einmal identifizieren können. „Mit roten Blutkörperchen, ganz wie ein Mensch“, seien die fiktiven Charaktere Sophie, Octavian und der Marschallin vom Komponisten und seinem Librettisten mit Leben gefüllt worden. Obgleich die Handlung im Wien zu Zeiten des Rokokos spielt, fand die Uraufführung im Jahre 1911 in Dresden, in eben jener Semperoper – damals noch Königliches Opernhaus Dresden genannt – statt. Kein anderes Bühnenwerk wird so sehr mit der Semperoper und ihrer Staatskapelle Dresden – einem der führenden Richard-Strauss-Orchester weltweit – in Verbindung gebracht wie „Der Rosenkavalier“. Ein erlesenes, vorzügliches Solistenensemble sorgte für sängerischen Hochgenuss in der 68. Vorstellung der Kultinszenierung von Uwe Eric Laufenberg. Seit fast zwanzig Jahren ist die Produktion fest im Spielplan der Semperoper Dresden verankert. (Rezension der besuchten Vorstellung v. 12.10.2019)

 

Seine zentrale Regieidee, die vergangenen Zeiten der Habsburger Monarchie der Fürstin Maria Theresia als innere Handlung der harschen, von außen hereinbrechenden Vorgänge einer modernen Zeit gegenüberzustellen, führt Laufenberg konsequent über alle drei Akte durch. Es die Mischung aus zahlreichen, im Libretto zu entdeckenden oder detailreich ergänzten Elementen, mit einer Personenregie, die Improvisation der jeweiligen Solisten zulässt, die diese Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg jedes Mal aufs Neue sehenswert macht.

Semperoper / Der Rosenkavalier/ Foto © Semperoper Dresden/Klaus Gigga

Im ersten Akt versucht Octavian mit einem großen Strauß roter Rosen liebevoll seine Marschallin zu beeindrucken – vor Schreck ihrer nicht boshaft gemeinten Worte lässt er die Blumen jedoch auf den Boden fallen: „Heut oder morgen geht Er hin, und gibt mich auf um einer andern willen, die jünger und schöner ist als ich“. Woraufhin sie einfühlsam, einzeln die Rosen aufsammelt, diese in der Vase arrangiert und ihrem jungen Freund, der sein Leben bislang nur aus dem Affekt erlebt hat und noch nicht das große Ganze überblicken kann, Mut zu machen versucht: „Leicht will ich’s machen dir und mir. Leicht muss man sein, mit leichtem Herz und leichten Händen.“ Diese augenscheinlich einfache Idee, ästhetisch und eindrücklich auf der Bühne präsentiert, ließ Tränen in den Augen mancher Zuschauer aufkommen. Und dies war lediglich eine Szene von vielen in der Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg, bei dem sich eine große Liebe als auch ein Respekt des Regisseurs für das Libretto Hugo von Hofmannsthals erkennen ließ.

Sophie Koch – schon vor zwanzig Jahren sang sie in der Premierenserie dieser Inszenierung – sprang kurzfristig in der Titelrolle als „Rosenkavalier“ für die erkrankte Christina Bock ein. Obgleich es ihr an jugendlicher Naivität des Octavians etwas mangelte – ihre Darstellung wirkte ungewohnt reif und erwachsen – zeigte sie mit dunklem, charakterstarkem Timbre einen siegesgewissen Graf Rofrano, der seinem Widersacher, dem Baron Ochs auf Lerchenau, zu jedem Zeitpunkt überlegen war. Christof Fischesser verkörperte diese Rolle mit einer Noblesse und Ausdrucksstärke, würdevoll als Edelmann, stimmlich wohlklingelnd, ganz so wie Richard Strauss ihn sich gewünscht zu haben schien „innerlich ein Schmutzian, aber äußerlich präsentabel“.

Semperoper / Der Rosenkavalier/ Foto © Semperoper Dresden/Klaus Gigga

Nach Ihrem Debut als Marschallin an der Royal Opera in London verkörperte Rachel Willis-Sørensen erstmalig diese Rolle auf deutschem Bühnenboden und zeigte sogleich, dass sie mit den ganz großen Vertreterinnen dieser Partie in einer Reihe steht. Sehr ausdrucksstark und selbstbewusst, aber gleichwohl eindringlich und kontrolliert, mit einem Hauch von Witz und Raffinesse, perlte ihre Stimme geradezu mühelos. Es zahlt sich aus, dass Willis-Sørensen sehr viel Zeit in das Mozart-Fach investiert. Ihr Timbre lies erahnen, wie eng doch die Marschallin dieser Oper mit der Gräfin aus Mozarts „Le Nozze di Figaro“ verbunden sein mag.

Nikola Hillebrand – Ensemblemitglied am Nationaltheater Mannheim – verlieh ihrer Rolle der Sophie eine Tiefe, wie man sie nur selten erleben kann. Bei ihr war Sophie nicht nur ein charakterloses Dummchen, sondern eine heranwachsende, selbstbewusste Frau, im Kampf gegen die eigene Ohnmacht in einer männerdominierten Welt und gegen ihren strengen, bevormundenden Vater. Bei Nikola Hillebrands klarer Stimme und ihrer deutlichen, sehr text-ironisierenden Aussprache ließ sich schon jetzt erahnen, dass auch sie in wenigen Jahren eine herausragende Marschallin verkörpern kann.

Nikolaj Szeps-Znaider gilt als einer der gefragtesten, und virtuosesten Soloviolinisten der Gegenwart. Mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet musiziert er mit renommierten Spitzenorchestern weltweit. Darüber hinaus ist Szeps-Znaider seit einigen Jahren auch in Sinfoniekonzerten als Dirigent tätig. Nach einer Aufführungsserie der „Zauberflöte“ an der Semperoper Dresden wurde ihm nun auch die musikalische Leitung des „Rosenkavaliers“ als seine zweite Opernproduktion anvertraut. So verdient seine Leistungen als Solomusiker an der Violine auch sein mögen, so mangelte es Szeps-Znaider für diese Königsdisziplin am Ort seiner Uraufführung doch etwas an Opernerfahrung.

Semperoper / Der Rosenkavalier/ Foto © Semperoper Dresden/Klaus Gigga

Seine Stärke lag in präzisen Einsätzen der Solisten der Staatskapelle, er konnte das Orchester mühelos zusammenhalten und dabei gerade in den symphonischen Segmenten den charakteristischen Strauss-Klang volltönend erzeugen. Sein Dirigat ließ jedoch das Gespür für das bedeutende Wort-Ton-Verhältnis der Dichtung Hofmannsthals missen. Schwungvoll wie bei einer Johann-Strauss-Operette, vornehmlich auf einen pulsierenden Rhythmus bedacht, überging Szeps-Znaider die zweideutigen Anspielungen des Librettos, wodurch die Ironie im Wechselspiel zwischen Sängerinnen und Sängern mit den Instrumentalgruppen im Orchester verloren ging. Seine dynamischen Abstufungen fielen minimal aus, insbesondere in den Ensembleszenen führte dies zur Überdeckung der Solisten auf der Bühne.

Selbst die renommiertesten Dirigenten erkannten die ungeheuren Anforderungen der Partitur von Richard Strauss und trauten sich erst nach jahrelanger Kapellmeistererfahrung an den „Rosenkavalier“ als Königsdisziplin. „Dieses Werk ist seit seinem Tag der Uraufführung kein bisschen leichter geworden“ dankten die Musiker der Dresdner Staatskapelle ihrem Dirigenten Karl Böhm, als er zusätzliche Proben für eine Repertoirevorstellung „Der Rosenkavalier“ angesetzt hat.

 

  • Phillip Richter -Das Opernmagazin –

    Vor einem Jahr hörte unser Autor Phillip Richter die Sopranistin Nikola Hillebrand in einer konzertanten Aufführung der Operette „Die Fledermaus“ im BASF Feierabendhaus Ludwigshafen. Schon dort fiel sie durch ein außergewöhnliches Rollenportrait der Adele auf: Mit ihrer Darstellung der „Sophie“ an der Semperoper Dresden betrat Nikola Hillebrand nun wohlverdient die ganz große Opernbühne! Ein Besuch einer Vorstellung am Nationaltheater Mannheim – noch ist sie dort Ensemblemitglied – ist allein ihretwegen wärmstens zu empfehlen.

 

 

  • Rezension von Phillip Richter /Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Semperoper Dresden / Stückeseite
  • Titelfoto: Semperoper / Der Rosenkavalier/ Foto © Semperoper Dresden/Klaus Gigga
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