Interview mit Prof. Jörg Conrad, dem Intendanten des „GOTTHARD Klassik-Festival“

Swiss Chamber MusicCircle 2019. Gala Eröffnungskonzert vom 13. April 2019 in der Kirche St. Peter & Paul in Andermatt/ Bild: Peter Fischli 

Erstmalig wird im Herbst 2020 das „GOTTHARD Klassik-Festival“ in Andermatt stattfinden. DAS OPERNMAGAZIN wurde zum Eröffnungskonzert der Camerata Zürich am 25. September in die neu erbaute Konzerthalle eingeladen. Wir sprachen vorab mit dem Intendanten der Festspiele, Prof. Jörg Conrad über seinen Erfolg, in diesem weltbekannten Ski- und Wandergebiet eigene Musikfestspiele zu etablieren, indem er vor fünf Jahren das „Klassik-Osterfestival“ gründete. 

 

Opernmagazin.de: Seit fünf Jahren leiten Sie das Klassikmusikfestival in Andermatt. Auf welchen Auftritt eines Künstlers / einer Künstlerin bzw. Orchesters waren Sie hierbei besonders stolz. Auf welches Konzert freuen Sie sich diesen Herbst besonders?

Prof. Jörg Conrad: Als Intendant des neu benannten GOTTHARD Klassik-Festival ist für mich oberste Priorität, künstlerisch und musikalisch nur Topensembles zu engagieren. Wir sind so nahe an Lucerne Festival, dass uns nichts von dieser Idee abbringen kann. Wenn Sie mich fragen, auf welche Konzerte ich mich am meisten freue, gibt es nur eine Antwort: Auf alle Konzerte!

Ich mache es mir nicht leicht bei der Auswahl der Ensembles. Bei den sog. Preisträgerkonzerten kommen nur Ensembles in Frage, die einen nationalen oder internationalen Musikpreis gewonnen haben. Dieses Vorgehen hat sich bestens bewährt. Natürlich hilft mir dabei mein Rucksack, nach 37-jähriger Dozentenarbeit für Trompete an der Hochschule Luzern-Musik.

Opernmagazin.de: Begonnen haben Sie vor fünf Jahren damit, gerade auch jungen Künstlern eine Plattform zu bieten. Wie hat dies sich in den letzten fünf Jahren entwickelt und mit welchem Fokus haben Sie das diesjährige Konzertprogramm ausgewählt und zusammengestellt?

Prof. Jörg Conrad: Die Zusammenstellung des GOTTHARD Klassik-Festival hat uns, im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie fast an den Rand des Unmöglichen gebracht. Von den auf Ostern geplanten 7 Konzerten mussten 5 Ensembles neu engagiert werden. Aber, wie sagt man so schön, ein Aufgeben kommt nicht in Frage! Selbst unser Hausorchester, die Festival Strings Lucerne, die ursprünglich auf den Herbst eine Asientournee geplant haben, mussten wir, auf Grund einer schnellen Entscheidung nach Ostern 2020, ein anderes Kammerorchester engagieren, die Camerata Zürich.

Aber noch etwas dringendes betreffend die Entwicklung der jungen Preisträger-Ensembles. Diese jungen Musikerinnen und Musiker haben in der Regel, mit wenigen Ausnahmen, keine Ahnung, wie man eine Bewerbung aufsetzen muss, noch wie man sich als Ensemble verkaufen soll. Dieses Manko muss ich ohne Wenn und Aber den Musikhochschulen anlasten, und zwar europaweit. Es fehlt an mindestens einem Semester «geeting into business».

Opernmagazin.de: Erstmalig – dies soll auch nach der Corona-Pandemie beibehalten werden– findet Ihr Klassikfestival dieses Jahr im Frühherbst und nicht mehr zu Ostern statt. Mit den Osterfestspielen in Andermatt gründeten Sie vor fünf Jahren das erste Musikfestival des Kanton Uri, kurz darauf folgte (in gesonderter Organisation) das „Andermatt Swiss Alps Classics“ Festival. Inwiefern kooperieren Sie mit solch anderen Konzertreihen in Andermatt?

Prof. Jörg Conrad

Prof. Jörg Conrad: Wenn ich ehrlich sein will, ist die Kooperation auf einem kleinen Feld angebracht. Uns ist es wichtig, dass hochkarätige Konzerte aufgeführt werden können, und das sog. Gesellschaftliche kommt bei uns erst in zweiter Priorität. Weiter versuchen wir darauf acht zu geben, dass wir uns gegenseitig programmatisch nicht konkurrenzieren. Ebenso haben wir uns abgesprochen, dass wir uns nicht gegenseitig die Sponsoren abwerben.

Opernmagazin.de: Im Sommer 2019 eröffneten die Berliner Philharmoniker das neue Konzerthaus in Andermatt. Inwiefern waren Sie bzw. Ihr Musikfestival auch ausschlaggebend für den Bau der neuen Konzerthalle? Mit welcher Erwartungshaltung, bzw. vor welchem Hintergrund wurde die neue Konzerthalle gebaut?

Prof. Jörg Conrad: In erster Linie ist die Errichtung eines Konzertsaales in Andermatt eine «Idée fixe» von Herrn Samih Sawiris. Er ist ein ausgesprochener Liebhaber klassischer Musik, deshalb hat er auch für die Eröffnung im Jahre 2019 die Berliner Philharmoniker eingeladen. Natürlich sind viele Fragen auch an mich gestellt worden, weil man wusste, dass ich betreffend dem KKL in Luzern, im Auftrage der Musiker des Luzerner Sinfonieorchesters LSO, in einer Expertengruppe mitarbeiten durfte. So hat mich auch die Architektengemeinschaft der Konzerthalle Andermatt zu sehr vielen fachlichen Konzertsaalthemen eingeladen, die nicht ganz klar waren. Heute muss ich sagen, es hat sich gelohnt. Es war mir möglich, auf zwei bauliche Fehler in der Planung einzugehen, die dann glücklicherweise behoben wurden.

Opernmagazin.de: Als Skigebiet ist Andermatt weltweit bekannt, als Festspielstätte bislang weniger. Welches Publikum wird durch Ihr Festival angesprochen: In der Region lebende bzw. dort sowieso urlaubende Personen? Oder schätzen Sie, dass die Zuschauer – ähnlich wie den Festspielen in Salzburg – auch aus der Ferne eigens für Ihre Konzerte anreisen?

Prof. Jörg Conrad: Da kann ich Ihnen gutes berichten. Wir haben Konzertbesucherinnen und -besucher aus der ganzen Schweiz, aber auch viele einheimische Konzertbesucher. Des Weiteren Gäste aus USA, Michigan (2018) und auch Konzertbesucher aus Japan und Canada. Im Jahr 2018 war eine sehr interessierte Delegation aus Alicante, Spanien an unserem Osterfestival. Zudem auch Konzertbesucherinnen und -besucher aus Deutschland, Italien Frankreich, England, Russland und China.

Swiss Chamber MusicCircle 2019. Konzert Ensemble Corund vom 20. April 2019 in der Kirche St. Peter & Paul in Andermatt. / Bild: Peter Fischli / 

Opernmagazin.de: Das Menuhin Festival Gstaad oder auch das Verbier Festival haben sich über die letzten Jahrzehnte als elementarer Bestandteil der internationalen Klassik- und Kulturszene etabliert. Wie sehen Sie die Zukunft für die Musikfestivals in Andermatt? Wird der Ort ein Geheimtipp sein oder gibt es hier ein Wachstumspotential?

Prof. Jörg Conrad: Nachdem wir nun bereits im 6. Konzertjahr sind, können wir davon ausgehen, dass die Etablierung des neu benannten GOTTHARD Klassik-Festival vollumfänglich gelungen ist. Nachdem auch die Presse immer nur sehr positives über unsere Konzerte berichtet hat, können wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass wir bereits heute schon als Geheimtipp wahrgenommen werden.

Insbesondere, weil eine andere größere Gemeinde in der Schweiz uns angefragt hat, unsere Konzerte doch als Zweitaufführungen in Form eines Jahreskonzertzyklus innerhalb von ca. 8 Monaten zur Verfügung zu stellen. Die Zukunft wird’s zeigen, was daraus wird.

Opernmagazin.de: Herzlichen Dank und viel Erfolg! Wir freuen uns auf die Eröffnung in der kommenden Woche.

 

  • Das Interview wurde am 17.09.2020 via E-Mail von Phillip Richter, Red. DAS OPERNMAGAZIN, geführt.
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