HIMMLISCHE FESTSPIELE – Salzburger PFINGSTFESTSPIELE 2019

Cecilia Bartoli/ © Kristian Schuller / Decca

Was für ein Glück CECILIA BARTOLI als Künstlerische Leiterin der Pfingstfestspiele für Salzburg ist, konnte man auch in diesem Jahr wieder erleben. Diese aussergewöhnliche Sängerin und Persönlichkeit hat mit dem Festivalmotto „Voci celesti – Himmlische Stimmen“ einen absoluten Volltreffer gelandet. Die Vorstellungen waren ausverkauft und der Erfolg enorm. Ganz im Sinne von CECILIA BARTOLI’s Entdeckungsfreude wurde das Kastratenthema wieder an die Öffentlichkeit getragen. Obwohl dieses Fach ja heute von den Countertenören besetzt wird, muss man sich bewusst sein, was für brutale Methoden seinerzeit angewandt wurden, um den Bedürfnissen der Kirche und des Publikums gerecht zu werden. (Besuch der Pfingstfestspiele vom 7.-9.6.2019)

 

In einem sehr interessanten und bestbesetzten Podiumsgespräch, mit dem Musikspezialisten JÜRGEN KESTING, dem Sänger JOCHEN KOWALSKI, der Musikwissenschaftlerin CORINNA HERR und dem Facharzt für Phoniatrie BERNHARD RICHTER, konnte man viel Interessantes über die lange Geschichte der Kastraten erfahren. Es sei an dieser Stelle auf die Literatur der oben erwähnten Fachleute hingewiesen, welche alle Facetten zum Thema einem interessierten Publikum näherbringen.

Mit der Premiere der Oper „ALCINA“, einem der bekanntesten Werke von Georg Friedrich Händel, wurden die Festspiele eröffnet. Der Regisseur DAMIANO MICHIELETTO verlegte die Handlung in eine Art Hotel, wo sich all die Begegnungen abspielten. Das mittels einer Drehbühne variable Bühnenbild zeigte auch die Welt der Zauberin Alcina, welche am Anfang mit Ihrer Macht Ihre Welt regiert und am Ende durch die Zerstörung Ihrer Wirkung, darin untergeht. Es entstanden sehr intime Bilder, aber auch Massenszenen von den verzauberten Männern, welche Alcina in Ihrem Reich gefangenhält. PAOLO FANTIN schaffte mit wenigen Requisiten einen interessanten Bühnenraum. Die mittels Videoeinspielung entstandenen Visionen waren wirkungsvoll eingesetzt. Kostümbildner AGOSTINO CAVALCA ergänzte diese Eindrücke mit seinem Talent. ALESSANDRO CARLETTI war verantwortlich für die Beleuchtung.

In diesem Szenario erlebte man ein Sängerfest, welches seinesgleichen sucht. Das CECILIA BARTOLI ihre Rollen beherrscht und all Ihre Virtuosität einbringen wird, war voraussehbar. Doch, wie immer mit Frau Bartoli, wird man hingerissen von Ihrer Energie und der charismatischen Präsenz. Ihr zur Seite standen hervorragende Sänger. PHILIPPE JAROUSSKY als Ruggiero, konnte seinen Countertenor aufs allerbeste präsentieren und hatte auch den Mut, sich zuweilen etwas rauher der jeweiligen Situation anzupassen. SANDRINE PIAU als Morgana riss das Publikum zu Begeisterungsrufen hin. Welch grossartige und temperamentvolle Stimme.

Alcina 2019 – Schlussapplaus: Ensemble
© SF/Marco Borrelli

Als Bradamante erlebten wir KRISTINA HAMMARSTRÖM. CHRISTOPH STREHL sang den Oronte mit sehr kräftiger Stimme. ALASTAIR MILES als Melisso konnte seine imposante Stimme erklingen lassen. In der Rolle des Oberto erlebte man eine ganz besondere Überraschung: Der Wiener Sängerknabe SHEEN PARK sang diese Partie souverän und eroberte umgehend die Herzen der Zuhörer für sich. Ganz aussergewöhnlich.

Die Musiker des Orchesters LES MUSICIENS DU PRINCE-MONACO unter der Leitung von GIANLUCA CAPUANO zauberten die herrliche Musik vom zartesten Piano bis zum Forte perfekt in das Auditorium. Der BACHCHOR SALZBURG überzeugte ebenfalls.

Der Jubel des Publikums kannte keine Grenzen und auch in der zweiten Vorstellung welche ich ebenfalls erleben durfte, war die Begeisterung riesig. Am folgenden Tag hatte man Gelegenheit, die aus dem selben Jahr 1735 wie „ALCINA“, komponierte Oper „POLIFEMO“ von Nicola Antonio Porpora zu hören, welche damals im Konkurrenztheater aufgeführt wurde und mit Farinelli in der Rolle des Aci natürlich eine unglaubliche Wirkung hatte. Die Aufführung fand in der Felsenreitschule in einer Halbszenischen Version nur einmal statt.

Der Countertenor MAX EMANUEL CENCIC zeichnete für diese Aufführung verantwortlich und schaffte es, in nur 10 Tagen Probenzeit eine umjubelte Vorstellung auf die Beine zu stellen. Lichteffekte, welche in der Felsenreitschule eine Insel mit grossen Steinen bedeckt, von wildem Wasser umspülen lassen oder feine Stimmungen bewirkten, bildeten die Spielfläche für die Sänger. MARGIT ANN BERGER, Bühne und GIORGINA GERMANOU, Kostüme sowie PAUL FRESACHER, Licht, schufen die sehr passenden Bühneneffekte.

JULIA LEZHNEVA, die junge Sängerin der Galatea, verfügt über eine enorm tragfähige Stimme und keine der sehr anspruchsvollen Arien schienen ihr Mühe zu bereiten. YURIY MYNENKO als Aci, begeisterte mit seiner herrlichen Stimme und den feinen Nuancen. MAX EMANUEL CENCIC als Ulisse war ganz in seinem Element und überzeugte einmal mehr. PAVEL KUDINOV sang den Polifemo mit voller Stimme. SONJA RUNJE als Calipso und DILYARA IDRISOVA als Nerea ergänzten dieses Ensemble mit Virtuosität.

Das Orchester ARMONIA ATENEA unter der Leitung von GEORGE PETROU begleitete diese Aufführung mit einer enormen Präzision und wunderschönem Klang. Auch hier kam wieder der BACHCHOR SALZBURG unter der Leitung von ALOIS GLASSNER zum Auftritt. Das ganze Team konnte sich über das jubelnde Publikum freuen und die verdiente Anerkennung der Leistung geniessen.

Am Abend folgte dann ein ebenfalls einmaliges Konzert. Unter dem Titel „FARINELLI & FRIENDS“ vereinte sich im völlig ausverkauften Grossen Festspielhaus eine auserlesene Sängerschar zum Galaabend.

Schlussapplaus Galakonzert/Foto Opernmagazin

JULIE FUCHS, PATRICIA PETIBON, SANDRINE PIAU, NURIA RIAL, LEA DESANDRE, VIVICA GENAUX, ANN HALLENBERG, CHRISTOPH DUMAUX, PHILIPPE JAROUSSKI und CECILIA BARTOLI boten während über drei Stunden 22 Arien und Duette von Nicola Porpora, Georg Friedrich Händel, Tomaso Albinoni, Johann Adolph Hasse, Leonardo Leo, Giuseppe Maria Orlandini, Riccardo Broschi und Jean Philippe Rameau. LES MUSICIEN DU PRINCE – MONACO unter der Leitung von GIANLUCA CAPUANO boten Aussergewöhnliches. All diese verschiedenen Werke mit diversen Sängern zu begleiten war eine sehr grosse Herausforderung, welche meisterhaft umgesetzt wurde. Bravo!

Es würde zu weit führen, die einzelnen Leistungen hier zu beschreiben. Das ganze Konzert war ein Hochgenuss und wohl wirklich in dieser Besetzung einzigartig. Es gab nur einen Störfaktor an diesem Abend und das war ROLANDO VILLAZON mit seiner Moderation. Darauf hätte man wirklich verzichten können.

An zwei Tagen fanden im Mozarteum zwei Matineen statt. Man kam in den Genuss des sehr selten aufgeführten Oratorium „LA MORTE D‘ABEL“ von Antonio Caldara. Dieses Werk wurde nur drei Jahre vor den beiden aufgeführten Opern dieser Festspiele für Farinelli komponiert. Der an diesen Festspielen unglaublich geforderte Dirigent GIANLUCA CAPUANO leitete das von ihm gegründete Ensemble IL CANTO DI ORFEO. Dieses begleitete die Solisten mit wunderbarem Spiel. NAHUEL DI PIERRO, Adamo JULIE FUCHS, Eva CHRISTOPHE DUMAUX, Caino, LEA DESANDRE, Abel und NURIA RIAL, Angelo bildeten ein Solistenensemble vom Feinsten.

Ein herausragendes Ereignis, dieses Werk in einer solchen Besetzung hören zu dürfen.

Als Abschluss der von mir besuchten Aufführungen, wurde in der zweiten Matinee ein geistliches Konzert geboten.

Die CAPPELLA GABETTA ein von ANDRES GABETTA und seiner Schwester gegründetes Barockorchester, spielte die Werke von Antonio Vivaldi und Giovanni Battista Pergolesi unter seiner Leitung. Auch hier konnte man wieder erleben, was man mit viel Einsatz erreichen kann und was für eine Qualität daraus entsteht.

Für dieses Konzert wurden nochmals zwei Stars aufgeboten. FRANCO FAGIOLI, ein auf der ganzen Welt gefragter Countertenor und CECILIA BARTOLI. Zu Beginn des Konzertes, erklang von Antonio Vivaldi „NISI DOMINUS RV 608“ für Contralto, Streicher und Basso continuo. Hier konnte FRANCO FAGIOLI seine Stimme in allen Facetten erklingen lassen und sehr gefühlsvoll interpretieren.

CECILIA BARTOLI sang anschliessend das „Gloria in D-Dur RV 589“ ebenfalls von Vivaldi. Alleine Ihre charmante Art sich auf der Bühne dem Publikum zuzuwenden und durch dieses ansteckende Lachen, ist man als Zuschauer fasziniert. Wieviel Eleganz und Schönheit klingen einem da entgegen.

ANDRES GABETTA durfte man dann mit dem „Konzert für Violine, Streicher und Cembalo D-Dur RV 208“, ebenfalls von Vivaldi hören. Hier konnte man erneut erkennen, was für ein Ausnahmetalent dieser Solist ist.

Schlussapplaus Fagioli/Bartoli/Gabetta nach Stabat Mater /Foto @ Marco Stücklin

Den krönenden Abschluss bildete dann Giovanni Battista Pergolesi‘s STABAT MATER. CECILIA BARTOLI und FRANCO FAGIOLI boten eine Sternstunde des Gesangs. Was für eine Harmonie der beiden Stimmen und welche Virtuosität in der Gestaltung. Man wurde sofort in diese Musik hereingezogen und verliess am Ende den Saal mit einem unbeschreiblichen Glücksgefühl.

Nach sieben Veranstaltungen, welche an den diesjährigen Pfingstfestspielen besucht wurden, kann man nur eine überwältigte Bilanz ziehen und allen Beteiligten zu deren erbrachten Leistungen gratulieren.

 

  • Zusammenfassende Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Salzburger Pfingstfestspiele
  • Titelfoto: Alcina 2019: Cecilia Bartoli (Alcina), Tänzer und Chor © SF/Matthias Horn
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