Hoch erfreut über die schöne Optik hatte sich Maestro Zubin Mehta auf der Pressekonferenz kurz vor der Premiere von „Der Rosenkavalier“ in der Regie von André Heller gezeigt, wo doch ansonsten auf deutschen Opernbühnen Schlimmes zu sehen sei. Ob er damit die Inszenierung des „Falstaff“ durch Mario Martone gemeint hatte, die er parallel zur Strauss-Oper dirigierte? Das ist nicht unwahrscheinlich, ist doch der letzte Akt anstelle im Park von Windsor rund um einen baufälligen Turm, der den Mittelpunkt einer Sado-Maso-Szene bildet, angesiedelt. Ansonsten gibt es durchaus Angenehmes zu sehen mit Bikinischönheiten am Swimmingpool mit echtem Wasser (!), des Faulenzens pflegenden Jünglingen im weißen Bademantel, mit leicht und lässig bekleideten Kreuzberger Kiezmädchen und für den, dem es gefällt, die Andeutung eines Quickie mit Mrs. Quickly. (Besuchte Vorstellung am 14.2.2020 / Premiere 25.3.2018)
Der italienische Regisseur , der in Italien, unter anderem an der Scala mit einem Andrea Chénier, durchaus Werkgetreues auf die Bühne gebracht hatte, meinte wohl, in Deutschland müsse man, dem German Trash verpflichtet, ein Stück in Jetztzeit und Hierort ansiedeln und damit den Grundkonflikt zwischen verarmtem, aber adelsstolzem Möchtegern-Verführer Falstaff und wohlsituiertem, aber noch seine gesellschaftliche Position suchendem Bürgertum im elisabethanischem England nach Kreuzberg und Schlachtensee verlegen. Und für den letzten Akt wäre der Görlitzer Park durchaus eine Alternative gewesen. Da ist man hin- und hergerissen zwischen dem Ärger ob der Entschärfung des tatsächlich bereits im Libretto vorhandenen gesellschaftlichen Konflikts zugunsten einer unwahrscheinlichen Konfrontation Penner-Wohlstandsbürger und der Bewunderung einer perfekten Umsetzung zumindest in Bühnenbild (Margherita Palli) und Kostümen (Ursula Patzak).
Die erste Serie hatte von der Spielfreudigkeit von Michael Völle profitiert und unter seiner eher am deutschen Fach geschulten vokalen Darbietung gelitten. Nun war mit Lucio Gallo ein italienischer Sänger verpflichtet worden, aber doch eher ein Ford als ein Falstaff und eher ein Paolo als ein Simone. Gallos Bariton fehlt das Süffige, das Sinnliche einer Falstaffstimme à la Giuseppe Taddei, die seine klingt eher, und das ist wohl zum Teil auch der Länge der bisherigen Karriere geschuldet, dumpf und hohl, weiß nicht die feinsinnigen kompositorischen Einfälle Verdis in „L’Onore“ oder in der Schlussfuge umzusetzen, und so ist es kein Wunder, dass der herzhafteste Lacher aus dem Publikum kommt, wenn Fenton in voller Montur in den Swimmingpool fällt. Gewachsen in der Partie des Ford ist Alfredo Daza, dessen Bariton farbig und beweglich ist und in der Höhe aufblühen kann, der auch an darstellerischer Präsenz ständig zunimmt. Recht spröde klang an diesem Abend der Tenor von Francesco Demuro (Fenton), wandlungsfähig wie stets zeigte sich Stephan Rügamer als Bardolfo, an Basssubstanz gewann im Verlauf des Abends Jan Martinik als Pistola, Jürgen Sacher nutzte seinen langen Auftritt zu Beginn zur Profilierung des Dr. Cajus.
Barbara Frittolis Sopran strahlte in der Rolle der Alice wie bereits bei der Premiere, hat in der Mittellage sogar noch an Substanz gewonnen. Daniela Barcellona hat für „Reverenza“ und „povera donna“ noch nicht das profunde Orgeln einer Feodora Barbieri, Cristina Damian ist mit jugendlich klingendem Mezzo als Neubesetzung der Meg ein Gewinn für die Produktion. Nadine Sierra wächst allmählich aus dem Fach einer Sophie, die sie auch singt, und dem der Nanetta heraus und entwickelt sich vom soprano leggero zum soprano lirico. Ihr Feenlied war neben dem Monolog des Ford der musikalische Höhepunkt des Abends.
Der Chor (Martin Wright) schlug sich wacker trotz der irritierenden Szene im letzten Akt, Altmeister Zubin Mehta betonte die lyrische Durchsichtigkeit, die kammermusikalischen Qualitäten der altersweisen Komposition Verdis.
Wenn man relativ versöhnt mit der Produktion aus dem Haus ging, lag das auch daran, dass man inzwischen weiß, dass es schlimmer („Die lustigen Weiber von Windsor“ von Otto Nicolai) kommen kann und tatsächlich kam.
- Gastrezension von Ingrid Wanja – von unseren Freunden von DER OPERNFREUND
- Staatsoper Berlin / Stückeseite
- Titelfoto: Premiere am 25. März 2018 | Fotos: Matthias Baus
Das waren noch Zeiten, als in den 60 er Jahren eine noch in Berlin unbekannte Sopranistin Namens Marion Lippert es ablehnte in Wieland Wagners abscheuliche
Aida die Titelpartie zu singen. Nach ihrem Erfolg Verdis Lady Macbeth mit Fischer Dieskau… Später ein Weltweit gefeierte Turandot von Athen bis Tokio oder New York. Sie leider nie mehr an der DOB aufgetreten ist.
Immerhin Lovro von Matacic zu zwei Konzerten mit den Berliner Philharmoniker in der Philharmonie eingeladen hatte. Übrigens Maestro Mehta war ihr Dirigent an der Met, bei ihrem glanzvollen Debüt als Turandot.
Peter Alsbergs