Erlebnis „Oper“ im TV – am Beispiel vom beeindruckenden „RIGOLETTO“ aus Bregenz

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Wie in jedem Sommer bietet das ZDFkultur seinen Zuschauern Oper „live“ von bedeutenden Festspielen. Am gestrigen Abend (21.7.19) übertrug „DAS ZWEITE“ aus Bregenz, das in diesem Jahr eine Neuproduktion von Verdis RIGOLETTO auf die große Seebühne brachte. Ein Spektakel über das schon viel publiziert wurde (auch DAS OPERNMAGAZIN hat von der Premiere berichtet) und das nun via Bildschirm den Opernbegeisterten TV-Zuschauern ins Wohnzimmer übertragen wurde. Und um es vorweg zu nehmen: selten hat mich eine Liveübertragung einer Oper – und noch dazu um diese Uhrzeit – so gefesselt und begeistert wie dieser RIGOLETTO von Regisseur Philip Stölzl und der Bühnenbildnerin Heike Vollmer. Das waren Commedia-dell’arte-Traumwelten in Perfektion und dabei mit so viel innigem Zauber, dass es einen vom ersten Moment der Übertragung an packte. Dirigent Enrique Mazzola liess dazu die Wiener Symphoniker einen Verdi vom allerfeinsten spielen, der verzückte und der den gesamten Abend zu einem wahren Opernfest werden liess. Ein Plädoyer für viel mehr TV-Opernübertragungen – und das nicht nur um kurz vor Mitternacht!

 

Man könnte geneigt sein, anzunehmen, dass die Handlung der Oper RIGOLETTO nicht besonders tauglich für eine so große Bühne wie es die der Bregenzer Seefestspiele ist, erscheint. Lässt Verdi hier doch tiefe seelische Einblicke in seine Protagonisten zu und erklärt und verstärkt diese dazu mit seiner genialen Musik, die seinen Opern immer zueigen sind. Könnten auf einer zu großen Bühne nicht die kleinen, die wahren, Gefühlsregungen eines Rigoletto, oder auch einer Gilda, für ein Publikum verloren gehen? Gerade, wenn es drumherum ein überdimensionales Bühnenbild und viele Akteure gibt, die unter Umständen von den Hauptpersonen dieses Stückes zu sehr ablenken könnten? Durchaus. Aber nicht in Bregenz und nicht bei dieser Regie. Einer Regie, die offensichtlich auch nichts technisches aus dem Auge verliert und dabei aber zuerst immer das menschliche beleuchtet und in den Mittelpunkt stellt. Dieser Bregenzer RIGOLETTO ist schon beinahe exemplarisch dafür, wie beste Opernunterhaltung für ein Fernsehpublikum UND für ein Livepublikum zu verwirklichen ist, unter Beibehaltung all der Schönheit und der vielen Emotionen, die Oper für uns alle bereithält.

Bregenz /Rigoletto/ © Bregenzer Festspiele / Anja Köhler

Sicher ersetzen Fernsehübertragungen nicht das Liveerlebnis Oper. Wenn überhaupt, haben sie den Anspruch besondere Aufführungen ihren Zuschauern quasi als exquisite „Konserve“ frei Haus zu liefern. Leider finden solche Übertragungen und Ausstrahlungen oftmals zu Uhrzeiten statt, die es vielen – besonders den nicht so opernaffinen Zuschauern-  nicht unbedingt erleichtert, den Zugang zur Oper zu finden. Und das ist bedauerlich. Denn gerade Inszenierungen zu Festspielzeiten im Sommer sind, denken wir neben Bregenz auch an die Arena di Verona oder an das Freilufttheater in Aix-en-Provence, immer etwas auch für die Augen. Sicher eignen sich Opern wie AIDA, NABUCCO oder auch TURANDOT ganz besonders für solche Spektakel unter freiem Himmel. Bieten sie doch viel Raum und Platz für die Solisten, die Chöre, die vielen Statisten und die zumeist mächtigen Bühnenbilder und Aufbauten. Und gerade hier bietet das Fernsehen einen Vorteil gegenüber dem zahlenden Publikum vor Ort. Es bringt nicht nur das gesamte Bild auf die heimischen Bildschirme, es zeigt auch alle handelnden Akteure auf der Bühne in Nahaufnahme mit all ihren Gesten und Gesichtsausdrücken, die auf weite Distanz oftmals nicht mehr erkennbar sind. Dazu, um Emotionen auch dem Livepublikum vermitteln zu können, müssen die Protagonisten auch viel mehr als im Opernhaus üblich, mit ganzem Körpereinsatz spielen. Die Sängerin der Bregenzer Gilda, die großartige Melissa Petit, sprach darüber auch im Vorspann zur gestrigen TV-Übertragung. Insbesondere sie hatte besonders viel in jeglicher Form von Höhe zu meistern – sei es gesanglich, wie auch körperlich, fast schon artistisch.

Fotoprobe „Rigoletto“ 2019
© Bregenzer Festspiele / Anja Köhler

Doch zurück zu RIGOLETTO. Eigentlich fast schon ein Kammerspiel, kein Stück das ähnliche Aufmärsche wie am Hofe des ägyptischen Herrschers zu AIDAs Zeiten vermuten lässt. Und doch war die riesige und durch einen übergroßen Clownskopf zweigeteilte Bühne immer auch voll Leben, mal versteckt, dann wieder in üppiger Fülle. Aber nicht einen Moment hatte ich das Gefühl des Überladenseins oder des „zu viel des Guten“. Denn Stölzl verstand es auf einmalige Weise, die Blicke des Publikums – und diesmal meine ich das vor Ort und das vor den Bildschirmen – ständig zwischen den einzelnen Hauptakteuren und den oftmals vielen anderen irgendwie mit- oder gegenspielenden  Personen auf der Bühne, hin und her schweifen zu lassen. Und dazu veränderte der übergroße Kopf des Clowns seine Mimik immer dann, wenn gerade das Drama um den Hofnarren Rigoletto (hinreißend in jeder Beziehung: Vladimir Stoyanov) auf der Bühne in die nächste Phase überging. Schauerlich-schön, aber auch von ganz besonderer Aussagekraft!

Dieser RIGOLETTO scheint geradezu gemacht, auch die Fantasie jener Menschen anzuregen, die ihn ganz bequem vom Sofa aus betrachten. Die, mit Fernbedienung und vielleicht auch mit entsprechender akustischer Zusatzunterstützung wie TV-Dolby Surround- Anlagen es heutzutage bestens vermögen, ausgestattet, ganz privat ihr eigenes Opernerlebnis gestalten wollen. Klar, ein wenig Interesse, es darf auch Liebe sein, zur Oper und zur klassischen Musik wäre da eine nicht zu unterschätzende Grundvoraussetzung, um nicht nach kurzer Zeit die Fernbedienung zum umschalten zu benutzen. Aber dann steht, wie das Bregenz und sein diesjähriger RIGOLETTO so eindrucksvoll belegen, einem spannenden, actiongeladenen, aber auch komödiantischen, traurig-stillen und visuell so herrlich überbordendem TV-Gefühls-Highlight eigentlich doch nichts mehr im Wege?

Detlef Obens/DAS OPERNMAGAZIN /Foto @ Jan-Philipp Behr

Mehr von solchen Opernübertragungen in dieser Qualität wäre wünschenswert. Und nicht immer nur um diese späte Stunde. Denn nicht alle Opernfans sind Nachtschwärmer oder haben die Möglichkeit in den nächsten Tag gemütlich und beseelt hinein zu schlafen. Aber dennoch danke ich den Verantwortlichen, besonders denen von ZDFkultur, die uns seit Jahren immer wieder teilhaben lassen an solch besonderen Opernaufführungen rund um den Globus.  

Da fällt mir ein: Es wäre doch auch mal eine schöne Sache, wenn das ZDF, oder weitere namhafte Sender, ihre Kameras und Übertragungswagen nicht nur vor und in die ohnehin schon so zu recht berühmten Opernhäuser und Arenen stellten, sondern auch den vielen anderen, weniger im Rampenlicht stehenden, Opernhäusern und Theatern unseres Landes einen Besuch abstatten würden. Denn auch dort lohnt es sich durchaus  mal näher hinzusehen, das Gesehene dann in gewohnt professioneller Qualität aufzunehmen und für das dann erfreute Fernsehpublikum in Bild und Ton auszustrahlen.

Stadttheater live“ dann sozusagen. Ich wär dabei! In jeder Beziehung!  

 

 

 



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