Elsa Dreisig im Gespräch mit dem OPERNMAGAZIN

Elsa Dreisig (Portrait) / Les Victoires de la Musique Classique 2019

Marco Stücklin/DAS OPERNMAGAZIN (M.S.): Sie sind in Zürich am Opernhaus gerade mit den Proben für die Oper MANON von Jules Massenet beschäftigt und werden in der Hauptrolle in dieser neuen Produktion debütieren. Wie sehen Sie die Figur der jungen Manon, als junge Sängerin? 

 

Elsa Dreisig (E.D.): Ich bin glücklich, diese Rolle in meinem Alter von 27 singen zu können. Die meisten Sängerinnen, die diese Partie gesungen haben, waren bereits älter. Die Manon in der Oper ist 16, ich bin also noch nicht so weit davon entfernt. Floris Visser, der diese Inszenierung macht, hat mir geraten, mir nicht zu viele Gedanken darüber zu machen, sondern diese Manon so zu interpretieren, als wäre Sie so alt wie ich jetzt. Die Inszenierung ist klassisch und spielt bei uns Anfang des 20. Jahrhunderts, aber ich möchte die Manon, wie eine moderne Frau singen. Ich habe viel gelesen über die Stars, welche viel Glamour erlebt haben und früh gestorben sind. Diese haben neben der vielen Aufmerksamkeit auch ganz viel gelitten und waren einsam.

Mir ist es wichtig, diese Manon nicht als kleine dumme Frau, welche lauter dumme Sachen macht, darzustellen, sondern als eine Person, welche man heute als Borderline bezeichnen würde. Eine die nicht mehr weiss, was ist schlecht für die anderen, sondern nur an sich selbst denkt. Manon hat eine egoistische Ader, aber sie macht das alles nicht mit der Absicht anderen weh zu tun. Diese Grenze ist sehr wichtig, weil man sonst diese Frau nicht lieben kann. Man muss Manon mögen, um auch Mitleid mit ihr haben zu können. Die Schwierigkeit liegt darin: Man kann sie nicht nur schön und nett sein lassen, denn das ist sie nicht, aber man darf auch kein Monster aus ihr machen. Eine schauspielerische Herausforderung. Auch gesanglich hat es für mich einige Herausforderungen. Der dritte Akt mit der Gavotte, oder der vierte Akt mit den Koloraturen sind für mich am anspruchsvollsten. Ich bin kein Koloratursopran, oder Soubrette. Meine Stimme ist lyrisch und stark. Dazu kommt auch die Länge dieser Partie. Erst an der Hauptprobe werde ich diese ganze Partie zum ersten Mal am Stück singen.

M.S.: Sie haben am Opernhaus die Möglichkeit, mit einer allerersten Auswahl an Kollegen diese Oper zu singen. Gerade mit Piotr Beczala steht Ihnen einer der allerbesten Tenöre unserer Zeit zu Seite. Wie erleben Sie diese ersten Proben?

E.D: Die Proben mit Piotr Beczala sind sehr lustig, da wir viel lachen und gerade da ist es manchmal auch wichtig, dass wir die Dramatik dieser Geschichte nicht vergessen. Piotr und meine KollegInnen sind sehr hilfsbereit und ich kann immer wieder nach Tipps fragen, die ich als junge Sängerin von einem solchen Profi erhalten kann. Er nimmt sich stets Zeit dafür. Weil ich so voller Energie bin, fordert er mich manchmal auch auf, etwas wegzulassen. Eine tolle Teamarbeit. Ich muss dazu sagen, dass ich vom Dirigenten Marco Armiliato wahrlich begeistert bin. Ein echter Operndirigent, wie es selten gibt!

Elsa Dreisig/ Foto © Simon Fowler- Erato/Warner Classics

M.S.: Sie sind nicht das erste Mal am Opernhaus zu hören. Bereits als Musetta in La Boheme hatten Sie Gelegenheit, dieses Haus kennenzulernen. Was gefällt Ihnen am Opernhaus und in Zürich besonders?

E.D.: Zürich mag ich sehr. Die Stadt ist übersichtlich und das Opernhaus und die Probebühnen sind in kurzer Zeit erreichbar. Es gibt viele Möglichkeiten frische Luft zu tanken.

Die Organisation am Opernhaus ist sensationell, die Kostümabteilung ist großartig, alle sind sehr nett, das ganze Team ist toll. Genau wie in Berlin, ist die Oper hier auch nicht ein riesiges Haus. Ich hätte zum Beispiel nicht zugesagt, die Manon an der MET zu singen. Im Moment ist mein Fokus Europa. Ich habe ja genug Zeit und im richtigen Moment kann dieser Sprung ja immer noch kommen.

Ich mag es sehr, an ein Haus zurückzukehren, man lässt ja immer etwas zurück. Wenn ich immer an anderen Häusern singe, muss ich mir stets wieder alles neu aufbauen. Hier kenne ich bereits die Garderobe, die Bühne und die Akustik. Deshalb freue ich mich besonders über die Gelegenheit, hier mein Debüt in dieser Rolle zu geben. Es geht sehr familiär zu und her.

M.S.: Seit frühester Kindheit sind Sie mit Musik aufgewachsen. Woran erinnern Sie sich am liebsten?

E.D.: Ganz spontan fällt mir ein: Als ich das erste Kind in der Zauberflöte singen durfte. Ich hatte schon als Kind von 8/9 Jahren ein Vorsingen gemacht für das zweite Kind, habe die Rolle dann aber nicht bekommen, weil ich zu jung war und die dann drei Jungen wollten. Als ich dann etwa 12 Jahre alt war und im Kinderchor sang, hatte man mich wieder gefragt und ich bekam die Rolle. Diese Möglichkeit, in meiner Lieblingsoper und in diesem Quartett mit der Pamina mitzusingen, war mein absolutes Highlight in dieser Zeit.

M.S.: Sie kommen aus einer musikalischen Familie. War es für Sie schon sehr früh klar, dass Sie Sängerin werden wollen?

E.D: Diese Frage habe ich mir nie gestellt. Ich bin immer in die Oper gegangen. Ich habe angefangen zu singen, als ich 6 Jahre alt war zusammen mit meiner Mutter im Chor. Es kam dann auch die Frage auf, ob ich nicht eher im Theater spielen sollte. Ich habe meine Ausbildung in diese Richtung gemacht und Musik nebenbei studiert. Im Gymnasium habe ich intensiv Theater studiert und mich sehr engagiert. Doch das erste Vorspielen hatte nicht geklappt. Ich wollte dann nicht mehr weitermachen und habe mir gesagt, dass ich nicht einfach etwas machen will, sondern das Besondere und darin die Beste sein. Ich war gut aber nicht sehr gut und das macht mir keinen Spaß. Ich möchte immer das Maximum. Ich suchte immer danach, wo ich am natürlichsten bin und wo ich am meisten etwas geben kann und das war im Gesang in der Oper. Ich hörte auch viel Jazz und Musical und dachte, ich könnte auch an den Broadway gehen, doch meine Liebe war die Oper. Das war etwas Besonderes. Aber es war auch die einzige Möglichkeit, wo ich mich wiedererkenne und das Maximum geben kann.

M.S.: Welche Station Ihrer Ausbildung hat Sie am meisten geprägt?

E.D.: Sehr wichtig ist, einen guten Lehrer zu finden. Ich hatte das Glück einen sehr guten Lehrer zu bekommen, als ich mit Privatstunden anfing. Da war ich 17 Jahre, also genau vor 10 Jahren. Ich hatte zwei Lehrer, eine Frau und einen Mann. Ich wollte beides erfahren. Das war meine Basis. Der wichtigste Moment für mich war, als ich meinen hohen Ton gefunden hatte. Ich begann als Mezzo zu studieren und Partien zu singen, wie Cherubino, Lieder von Schubert, aber alles in Mezzolage und nie als Sopran. Ich erinnere mich noch als Studentin im zweiten Jahr: wir hatten die Arie „Depuis le jour“ aus Louise von Charpentier einstudiert und uns sehr von Renée Fleming inspirieren lassen, welche eine tolle Technik hat – und plötzlich – habe ich meinen hohen Ton gefunden.

Dieses Gefühl war sehr wichtig. Da dachte ich: So, jetzt kannst du endlich Sopran singen. Ich wusste, dass ich Sopran bin, aber ich konnte noch nicht den Weg finden, doch dies war mein Ziel. Meine Liebe ist die Sopranwelt. Ich bin zusammen mit anderen Sopranstimmen groß geworden. Meine Mutter, meine Tante und eine Cousine singen gemeinsam in einem Quartett.

M.S.: Sie sind in den letzten Jahren mit wichtigen Preisen ausgezeichnet worden. Darunter auch der 1. Preis als beste Sängerin beim renommierten OPERALIA Wettbewerb. Wie haben Sie die ersten Jahre mit diesen großen Erfolgen erlebt?

E.D.: Ich war ja damals schon im Opernstudio in Berlin und hatte bereits meinen Vertrag fürs Ensemble. Mein Leben ging weiter. Schön war, als ich eine Email von meinem Agenten erhielt: Du hast eine Anfrage von Aix-en-Provence als Micaëla. Das war toll, wie sich plötzlich die Türen öffneten. Aber in mir selbst hat sich dadurch nichts geändert. Ich war noch sehr unzufrieden, wie ich singe. Das bin ich immer noch und werde es wohl immer bleiben. Ich hatte auch nicht das Gefühl, etwas Besonderes erreicht zu haben.

M.S.: Es besteht ja immer die Gefahr, nach solchen Ehrungen von Angeboten überhäuft zu werden, für welche aber die Zeit noch nicht reif ist. Wie wählen Sie Ihre Partien und Debüts aus?

E.D.: In Berlin habe ich mir die Rolle der Violetta in Traviata gewünscht. Entscheidend ist auch, welches Opernhaus anfragt und für in wie vielen Jahren? Ich habe für Partien zugesagt, die ich erst in fünf Jahren singen werde. Das ist verrückt. Ein Pokerspiel. Wer weiss, ob ich das dann singen kann? Natürlich spielt auch der Dirigent eine Rolle. Ist es jemand, der nur das Orchester laut spielen lässt, oder jemand, der mit den Sängern ebenfalls sehr gut arbeitet. Ich denke nicht eine Partie als solche ist sehr schwer. Schwer wird es, wenn das Orchester sehr laut ist und man für drei-viertausend Zuhörer mit der Stimme den Raum füllen muss. Was ich liebe an Renée Fleming ist, dass sie nie versucht hat, Ihre Stimme groß zu machen und trotzdem hat man sie auch an großen Häusern sehr gut gehört. Ich möchte auch mein Timbre schützen, das ist mir sehr wichtig. Ich möchte so viele Partien wie möglich singen. Das bedeutet, dass ich auch sehr stark sein muss. Heute kommt es oft vor, dass die Orchester sehr laut und die Räume sehr groß sind. Man glaubt die Schwierigkeit kommt von der Partie, aber man kann sehr viele Partien singen, wenn man vom Orchester richtig unterstützt wird.

Man muss auch sagen können, diese Arie ist zu schwer für mich, oder das ist zu langsam. Damit habe ich keine Probleme. Es gibt KollegInnen etc. die warnen mich, ich solle nicht sagen, das sei zu schwer für mich, doch wenn es so ist, dann stehe ich dazu.

M.S.: In der heutigen Zeit, wird von den jungen Sängern sehr viel mehr verlangt als früher, was die schauspielerische Seite einer Partie betrifft. Oft werden geradezu akrobatische Einsätze von den Regisseuren gefordert. Wie ist Ihre Meinung zu diesen Herausforderungen?

E.D.: Ich bin wirklich sehr großzügig und offen für die Rollengestaltung. Wenn ein Regisseur etwas sagt, versuche ich das erstmal 100% in den Proben umzusetzen. Dann auf der Bühne ist es etwas anderes. Dort spüre ich viel mehr meine Grenzen, wenn ich mit Orchester singe, als in einem kleinen Proberaum. Da kann ich dann abwägen. Ich probiere vom ersten bis zum letzten Ton alles zu geben, ohne mich bloßzustellen.

Gerade bei der Traviata darf man am Ende müde sein, aber die Technik muss noch intakt bleiben. Es bleibt ein Schauspiel und man sollte sich nicht weh tun, oder sich zu sehr verausgaben.

Es kann vorkommen, dass man in den Proben zu viel gibt und plötzlich zum Beispiel nicht mehr richtig atmen kann. Ich gehe immer sehr offen an die neuen Aufgaben heran, da ich vor Probenbeginn nicht weiss, wo meine Grenzen liegen. Man muss sich selbst immer gut zuhören. Gerade mit Floris Visser ist es sehr spannend zu arbeiten, weil er total auf mich eingeht und versucht herausfinden, welches die authentischste Darstellung für meine Person ist.

M.S.: Sie haben schon viele Partien in Berlin gesungen, wo Sie zuerst am Opernstudio und dann als Ensemblemitglied mit berühmten Dirigenten am Pult gearbeitet haben. Was war für Sie bis heute die eindrücklichste Begegnung?

Elsa Dreisig / Foto © Ólafur Steinar Gestsson

E.D.: Traviata mit Massimo Zanetti. Ein hervorragender Mann für die Italienische Oper. Er hat mir die Partie wirklich ganz eröffnet. Meine erste Violetta zu singen war schon eine ganz große Sache. Die musikalische Leitung hat mir sehr geholfen und ich war durch das Orchester richtig getragen. An dieser Stelle möchte ich außerdem Daniel Barenboim erwähnen, mit dem ich an der Staatsoper Berlin regelmäßig zusammenarbeite. Es ist ein Privileg, von der Erfahrung und den Ratschlägen eines so großen Musikers profitieren zu dürfen. Nächste Spielzeit werde ich u.a. in einer von ihm dirigierten Neuproduktion von Mozarts „Cosi fan tutte“ seine Fiordiligi sein.

M.S.: Ihr Debut-Album «MIROIR(S)» ist ein Querschnitt durch viele große und schwierige Partien. Wie haben Sie die Auswahl für diese Aufnahme getroffen, welche tatsächlich Ihre Vielseitigkeit widerspiegelt?

E.D.: Also ich bin ein Mensch, der darauf bedacht ist, dass alles eine Bedeutung hat. Das war auch so mit diesem Thema des Albums. Das Team war sehr spannend, weil hier auch noch eine Stiftung mitmachte, welche mit unbekannten Werken arbeitet. Ich erstellte eine Liste mit Arien, welche ich mag und welche ich bereits gesungen habe. Wir haben geprobt und plötzlich ist dieses Thema „Miroir“ zu uns gekommen. Als Kind stand ich immer vor dem Spiegel. Ich lernte viel mit dem Spiegel, weil wenn man singt, man das nicht sehen kann. Mit dem Spiegel versuchte ich meine Stimme zu „sehen“. Ich konnte meine Augen und meinen Ausdruck erkennen. Der Spiegel war ein wichtiges Instrument. Ich bin sehr glücklich, weil dies mein erstes Album ist.

Gehen wir wieder zurück an den Anfang. Dort ist die Frage: Wer bin ich? Wie sieht man mich in den Social Media. Wie werde ich wahrgenommen? Das sind wichtige Fragen. Mir ist es ein Anliegen die echte authentische Elsa zu vermitteln und nicht eine glamouröse Welt. Ich bin ein Risikotyp. Es ist wie bei Picasso: er hat immer gemalt und nach vielen Versuchen gesagt, jetzt ist es so wie ich es will, aber er hat vorher schon gemalt… Man muss mit der Partie wachsen und braucht sie nicht schon von Anfang an perfekt singen zu können. Was ist überhaupt perfekt?

M.S.: Sie bewältigen dieses sehr anspruchsvolle Programm mit Bravour. Welche der auf dem Album eingespielten Partie, ist Ihre Traum- oder Wunschpartie?

E.D.: Ich würde sehr gerne alle singen. Aber ich würde Salome von Strauss zuerst nennen. Das wäre in 10 Jahren eine Option. Also auch eine Signaturpartie. Es war schön, dass wir eine französische Version gefunden haben. Das macht einen großen Unterschied bei der Interpretation. Ich habe mir auch schon überlegt die erste Salome auf Französisch zu singen, da diese etwas leichter im Orchester ist. Gerade als französisch sprechende Sängerin kann ich diese Partie dann auch jung und frech darstellen.

Die Partien sind kleine Punkte in meiner Karriere und diese setzen sich im weiteren Leben fort. Zum Beispiel Violetta, da habe ich sehr viel über mich gelernt, als Mensch und nicht nur gesanglich. Und jetzt die Manon, dann die Zerlina und die Elvira, (I Puritani), die Pamina, die Fiordiligi und dann Gilda. Ich spüre diese Partien spielen eine Rolle in meinem Leben und in meiner Stimme.

Elsa Dreisig / Foto © Ólafur Steinar Gestsson

M.S.: Ihre Engagements bringen Sie in die großen Städte und an die besten Häuser. Wie gehen Sie mit dem steten Wechsel der Orte um?

E.D.: Es ist nicht einfach. Ich hatte das Glück, bis vor kurzem nicht so ein fixes Zuhause zu haben und konnte ohne große Probleme irgendwo sein. Jetzt aber habe ich eine schöne Wohnung in Berlin und in dieser Spielzeit im Februar wurde mir bewusst, dass ich ich zehn Monate immer unterwegs sein werde und da muss ich ehrlich sagen, darüber bin ich ein wenig traurig. Aber ich reise gerne. Ich habe auch mit meinem Partner einen guten Weg gefunden, dies zu meistern. Das Singen hat halt einfach Priorität und macht mir soviel Freude, dass ich vieles in Kauf nehmen kann.

An einem neuen Ort ist der erste Tag immer sehr spannend. Man hat jeweils zuerst eine musikalische Probe und kommt oft erst am Vortag an. Man ist dann auch immer sehr aufgeregt, weil man ja mit einer neuen Partie beginnt. Das kann schon einige Nerven kosten.

In einer neuen Stadt zu sein, hat auch Vorteile, denn dort kann man freier an die Herausforderungen herangehen.

M.S.: Was sind Ihre liebsten Tätigkeiten wenn Sie nicht mit dem Studium der Partien und Auftritten beschäftigt sind. Wie können Sie sich ablenken?

E.D.: Ich schwimme und wandere gerne. Ich mag das Abenteuer. Aber 90 % meiner Zeit verbringe ich mit Partien lernen, Proben und Studium, mit Büchern lesen die mich inspirieren, Ausstellungen zu besuchen, Photographie, Malerei und Literatur. Gerade Ausstellungen geben mir sehr viel, da kann ich, wie beim Essen, mich mit schönem und interessantem füttern.

M.S.: Sie sind ja auch sehr offen für moderne Musik. Was ist hier Ihr Anliegen an das Publikum, welches sich immer noch schwer tut mit unbekannten Werken und Neukompositionen.

E.D.: Es ist schwierig, aber es gibt ein Publikum dafür. Es sind zwei verschiedene Arten von Publikum. Es ist sehr schwer, das klassische Publikum zu erreichen. Aber es gibt auch einen Teil, der geht in die Oper, um Emotionen zu spüren. Diese Leute haben eine Sensibilität für ein Libretto oder einen Text oder die Stimme oder wie das Orchester klingt. Die haben ein Gefühl für die Geschichte und die Töne. Also bei Manon ist der Text nicht gar so interessant. In der modernen Musik ist man noch mehr zum aufmerksamen Hinhören aufgefordert. Wir haben gerade an der Staatsoper „The End of the World“ (Violetter Schnee von Beat Furrer) aufgeführt. Da sind anschließend die Leute gekommen und waren ganz mitgenommen von der Intensität. Dies ist bei einer Mozartoper nicht so einfach möglich. Ich möchte auch weiterhin in beiden Sparten singen. Mozartpartien kann man in zwei Tagen lernen aber in der modernen Musik ist das viel schwieriger. Man muss sehr viel arbeiten und es ist äußerst anspruchsvoll. Wie ein Liederabend. Diese Abende sind sehr spannend aber auch etwas vom Schwierigsten, da man vor dem Publikum wie ausgezogen steht. Es braucht eine intensive Vorbereitung, ist aber auch sehr beglückend. Ich versuche, nicht mehr als vier neue Partien pro Jahr zu planen und habe dann auch Zeit für eine Uraufführung oder einen Liederabend.

M.S.: Es ist sehr wichtig, das eine junge Sängerin wie Sie auch für das kommende Publikum fassbar wird. Wie nähern Sie sich dem jungen Publikum an.

E.D.: Es ist auch mit dem Programm JUNG bereits eine Klasse zu den Proben gekommen und ein Schüler war so begeistert, dass er nun weitere Opern hören will. Ich mache auch via Instagram einiges. Ich möchte den Leuten mein normales Leben zeigen. Ich versuche auch immer meine Stimme so natürlich und spontan zu lassen, und nicht abgehoben und gespielt zu wirken. Ich will authentisch und echt bleiben, so dass man nach der Vorstellung sagen kann, ich war berührt und dies auch weitererzählt. Ich kann nicht mehr machen, als Elsa und zugänglich zu sein. Ich bin eine sehr moderne Frau. Ich mache jetzt ein Projekt auf Instagram „Instraviata“ wo ich mit Comic arbeite und mit Dokus. Ich dachte, die Leute mögen am meisten diese Comics, doch viele haben mir gesagt, die Dokus seien am spannendsten. Wenn es mir gelingt, auf diese moderne Weise wahrgenommen zu werden, ist auch wieder ein Beitrag an die Jugend geleistet. Das wichtigste jedoch vor einem Besuch mit einer Klasse ist die Vorbereitung, wie eben die Probenbesuche und den Blick in die Ideen des Regisseurs.

Frau Dreisig, ich freue mich mit ganz vielen Opernhausbesuchern sehr auf die Premiere von Manon. Ich wünsche Ihnen für Ihre Zukunft alles nur erdenklich Gute und bedanke mich herzlich für dieses Gespräch.

 

  • Titelfoto: Elsa Dreisig / Foto © Ólafur Steinar Gestsson
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