Alpenpanorama im Land der Fjorde – „The Sound of Music“ in Oslo

Folketeatret Oslo / Foto @ Alexandra Richter

DAS OPERNMAGAZIN goes Musical!

 

Das Folketeateret Oslo ist ein geschichtsträchtiges Haus und spielt gerade in seiner Historie der Rezeptionsgeschichte Richard Wagners eine große Rolle. Denn Kirsten Flagstad, eine der bedeutensten Wagnersopranistinnen aller Zeiten, gründete in diesem Haus im Jahre 1959, kurz nach ihrem Bühnenabschied, das erste feste Opernensemble Norwegens. Wenige Jahre nach der Eröffnung des neuen Opernhauses im Hafenviertel Oslo im Jahre 2008 – es sei auf den Bericht zu „Le Nozze di Figaro“ verwiesen – übernahm das norwegische Theaterensemble Scenekvelder die Spielstätte und brachte damit das Musical nach Norwegen. „Billy Elliot“, „Les Miserables“ und „Das Phantom der Oper“ – ehrgeizige Eigenproduktionen mit überwiegend norwegischem Ensemble – sorgen für eine weitere Bereicherung der vielfältigen Kulturszene Skandinaviens und sind eine sinnvolle Verwendung der altehrwürdigen Spielstätte des Folketeateret. ( Bericht von Phillip Richter, besuchte Vorstellung 8. September 2019 (Nachmittag), zweite Vorstellung nach der Premiere

 

Das Musical „The Sound of Music“ von Richard Rodgers und Oscar Hammerstein wurde 1959 am Broadway uraufgeführt und wurde insbesondere durch die Verfilmung mit Julie Andrews in der Hauptrolle zum Welterfolg. Obwohl „The Sound of Music“ mit überragendem Erfolg in den USA und in Asien als einer der beliebtesten Musicalverfilmungen aller Zeiten gilt, ist es in Deutschland weitestgehend unbekannt geblieben und wird in Österreich als Kitsch lediglich müde belächelt. Wer in Salzburg nicht auf den Spuren Mozarts oder Karajan wandern möchte, kann dort jedenfalls die „The Sound of Music“-Dinnershow besuchen.

Oslo/The Sound of Music/ Foto: Fredrik Arff

Maria, eine junge, lebensfrohe Novizin aus dem Kloster, soll als Gouvernante den sieben Kinder des Kapitän Georg von Trapp eine strenge Erziehung näherbringen. Von einer harten Hand versteht sie wenig, stattdessen erlernt sie den Kindern das Singen und erobert so das Herz des Kapitäns. Gemeinsam reisen sie als „Trapp-Familie“ durch die Lande, bis der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich die Familie in die Flucht treibt. Es sind Melodien für die Ewigkeit, die diesem Musical eine besondere Note verleihen: „Edelweiss„, „Do-Re-Mi“ und „My Favorite Things“ wirken erstmal eingängig unterhaltend, sind jedoch überaus raffiniert komponiert, da sie die Volksmusik Österreichs mit der amerikanischen Unterhaltungsmusik der 1950er Jahre verbinden. Als eines der ersten Werke seiner Gattung ist „The Sound of Music“ in seiner Handlung tiefgründiger und in seiner musikalischen Struktur komplexer als so manch kurzlebiger „Schmarrn“ – wie der Österreicher sagen würde – der heutzutage in den Musicaltheatern zur Aufführung kommt.

Oslo/The Sound of Music/ Foto: Fredrik Arff

Die norwegische Neuinszenierung von Lars Jacobsen macht sich die Drehbühne zu nutzen, und stellt die einzelnen Szenen in verschiedenen Räumen des Anwesens der Familie Trapp dar. Es wurde jedoch nicht das bekannte Schloss Leopoldskron in Salzburg auf der Bühne nachgebildet, sondern ein anderes, der Phantasie des Regisseurs entsprungenes, prunkvolles Anwesen. Der Regisseur verzichtet auf Effekthascherei oder Videoeinspielungen der Alpen, so dass die Ästhetik kontinuierlich hochwertig wirkt – von Kitsch keine Spur. Jacobsen kann sich dank des überaus agilen und lustfrohen Ensembles – allen voran die sieben Kinder, die gesanglich und szenisch nicht besser hätten harmonieren können – auf eine präzise Personenregie konzentrieren.

Lene Kristin Ellingsen in der Hauptrolle stellte eine selbstbewusste, vorlaute und mitunter gar freche Maria dar. Während die Filmvorlage noch eine gewisse Unterwürfigkeit bei ihrem Eintreffen als neue Gouvernante zeigte, wurde bei Ellingsen auf der Bühne des Folketeateret schon in der ersten Szene deutlich, was sie von der strengen Autärität des „Kaptitän“ – wie sich der Familienvater gerne nennen lässt – hält, nämlich sehr wenig, und dies sagt sie ihm auch in Anwesenheit seiner Bediensteten mitten ins Gesicht. Und hier findet sich auch gleich die einzige Schwachstelle der Inszenierung: Die Verwandlung des strengen Kapitän von Trapp, der seit dem frühen Tode seiner ersten Frau mit den Kindern nie etwas rechtes anzufangen wusste, hin zu einem liebenden und fürsorgenden Familienvater, findet ohne Reflektion und Entwicklung statt – direkt nach dem kurzen Kennenlernszene der Maria erscheint der Vater wie ausgewechselt. Im Kontext der Vorlage wirkt diese Moment selbst für ein Musical, gerade im Kontrast zur restlichen konsequent durchdachten Produktion, doch arg unglaubwürdig und konstruiert.

Oslo/The Sound of Music/ Foto: Fredrik Arff

Lene Kristin Ellingsen – eigentlich eine Schauspielerin – sang mit sicherer und agiler Sopranstimme. Ihr gegenüber Håvard Bakke in der Rolle des Kapitän Georg von Trapp mit beruhigendem, überaus wohlklingendem Bariton.

Das Publikum dankte mit direkten Standing Ovations und rythmischem Mitklatschens zum Schlussapplaus.

Für den deutschsprachigen Operngänger wirkt ein Musical mit Spielort Salzburg, gesungen in norwegischer Sprache, sicherlich erst einmal ungewohnt. Dank der librettogetreuen Inszenierung ließ sich der Handlung jedoch einwandfrei folgen – nun wissen wir auch, dass „Do-Re-Mi“ ebenfalls auf norwegisch „Do-Re-Mi“ heißt…. Nur das „Schnitzel with Noodels“ ließ sich in anderer Sprache nicht mehr wiedererkennen.

 

  • Rezension von Phillip Richter / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Folketeateret Oslo
  • Titelfoto: Oslo/The Sound of Music/ Foto: Fredrik Arff
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