Theater Augsburg/ PRIMA DONNA / Foto @ Jan-Pieter Fuhr

Alles auf Zucker – Rufus Wainwrights Oper „Primadonna“ in Augsburg

Theater Augsburg/ PRIMA DONNA / Foto @ Jan-Pieter Fuhr
Theater Augsburg/ PRIMA DONNA / Foto @ Jan-Pieter Fuhr

Kein Zweifel: Rufus Wainwright liebt die große Geste, das tiefe Gefühl, den Überschwang auf der Lebens- wie auf der Klaviertastatur. Ihm eilt der Ruf voraus, ein Exzentriker und divenhafter Gefühlsdusel zu sein. Nicht umsonst stand der 44-Jährige mehrfach mit Elton John auf der Bühne.  Dessen Song „Don`t go breaking my heart“ coverte er gemeinsam – und durchaus hörenswert – mit seiner ebenfalls singenden Schwester Martha. In Wainwrights Auftritten zeigt sich ein ausgeprägtes Faible für Figuren wie Judy Garland, eine Ikone der Homosexuellen. Man muss Wainwrights Musik mögen, dann mag man wohl auch „Prima Donna“ – seine erste, aber durchaus nicht letzte Oper, die nun in Augsburg auch dem deutschen Publikum präsentiert wurde.

 

Die Erstaufführung des Werks fand 2009 im Palace Theatre in Manchester statt. Der Autor selbst hatte übrigens darauf bestanden, in französischer Sprache zu texten. Angeblich deshalb fand die Uraufführung nicht in der New Yorker Metropolitan Opera statt, welche „Prima Donna“ in Auftrag gegeben hatte. Für die Augsburger Inszenierung fertigte man nun extra eine vielfach als wackelig gescholtene Übersetzung an. Regisseur Hans Peter Cloos konnte sich auf diese Weise etwaige Übertitel ersparen. Sowieso wäre es knifflig gewesen, solche Vorrichtungen im Behelfstheater an der Martinistraße anzubringen. Also eine Inszenierung in heimischer Sprache. 

Theater Augsburg/ PRIMA DONNA / Foto @ Jan-Pieter Fuhr
Theater Augsburg/ PRIMA DONNA / Foto @ Jan-Pieter Fuhr

Besonders schwer zu begreifen ist der Inhalt dieser Opern-Wundertüte zum Glück sowieso nicht. Der New Yorker Sänger und Songschreiber hat selbst einmal bekannt, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, seinen Erstling mit mehr als nur einem Handlungsstrang auszustatten. Anscheinend wäre ihm sonst kompositorisch vollends die Puste ausgegangen – wobei die inhaltliche Homogenität nicht unbedingt ein Makel sein muss. Ganz in der Tradition der Aristotelischen drei Einheiten von Zeit, Raum und Handlung verdichtete der 1973 geborene Wainwright seine Oper in bemerkenswerter Weise. Heraus kam dabei ein teils schön frisierter Handlungsklumpen, der sich lange zieht und vermutlich weniger lang im Gedächtnis bleibt.

Musikalisch wie gefühlsmäßig sieht sich der amerikanisch-kanadische Komponist dabei sichtlich der Romantik wie auch ihrer jüngeren Schwester, der Neoromantik, verpflichtet. Bei Wainwrights Vorgeschichte verwundert es nicht, dass das Ergebnis eine einzige Hommage an die Operntradition des 19. Jahrhunderts wie des frühen 20. Jahrhunderts ist: Verdi und Puccini lassen grüßen. Die gefühlige Ader prägt „Prima Donna“ denn auch von vorne bis hinten: Große Sehnsüchte treiben die Operndiva Régine Saint Laurent an. Nach sechs Jahren Bühnen-Abstinenz plant sie ihre Rückkehr in die Welt der geschulten Töne. Nur allzu gut erinnert sich Régine an den Grund für ihren Rückzug in ihr kleines Pariser Apartment, in dem der Putz von Monat zu Monat stärker bröckelt. Mitten in einer Aufführung – von Aliénor d`Acquitaine – , versagte ihre sonst so zuverlässige Goldkehle. Schamvoll beschloss die Sängerin, den geliebten Bühnenbrettern den Rücken zu kehren.

Theater Augsburg/ PRIMA DONNA / Foto @ Jan-Pieter Fuhr
Theater Augsburg/ PRIMA DONNA / Foto @ Jan-Pieter Fuhr

Was ihr bleibt, ist ein Sack voll Erinnerungen, den sie in den zwei Akten von „Prima Donna“ nach und nach vor den Zuhörern entleert – bis diese wie auch sie selbst von dieser Beichte „coram publico“ völlig erschöpft sind. Außerdem auf der „Haben“-Liste ihres Lebens steht die ihr treu ergebene Dienerin Marie (Jeannette Wernecke) sowie ein Butler namens Philippe (Wiard Witholt). Dieser müht sich seit Jahren, seine widerstrebende Herrin zu altem Glanz zurückzuziehen. Schließlich scheinen diese Bemühungen von Erfolg gekrönt: Ein Journalist (Roman Poboinyi) taucht auf, er wagt sich mit Madame an ein Duett aus „Aliénor“. Von Gefühlen überwältigt, sinkt die Ex-Solistin in sich zusammen. Im zweiten Akt schwelgt Régine Saint Laurent zunächst in Erinnerungen an ihre Jugend („Dans mon pays de Picardie“). Nach einigen Unannehmlichkeiten mit Philippe kehrt schließlich der Reporter zurück, welcher nach kurzem Liebes-Geplänkel aber ebenfalls von der Diva abserviert wird. Diese bleibt alleine zurück, um sich herum der Wiederschein eines lauten Feuerwerks über Paris.

Rufus Wainwright, der schon als Kind ein bekennender Opernfan war, mixt in seinen Operncocktail wie gesehen allerlei leicht Verdauliches bis Schwülstig-Triefendes. Etwas szenische Experimentierfreude steht dieser zeitgenössischen Oper daher ganz gut. So erweitert der Augsburger Regisseur Hans Peter Cloos den engen Raum der Diva um Leinwände rechts und links. Auf diesem Beiwerk – das mittlerweile ja fast schon zur Standard-Ausstattung der Theater zu zählen scheint – flimmern schwarz-weiß-Streifen aus vergangenen Tagen vor und zurück, vor und zurück. So wird deutlich, wie stark die Verankerung der Hauptperson in der besseren Vergangenheit ist. Auch eine Giftattacke des Dieners lockert den mageren Inhalt des Originals auf.

Helf`, was helfen mag: Sally Du Randt als zögernd comeback-willige Diva singt sich gemeinsam mit Jeannette Wernecke tapfer durch sehr hoch angelegte Duette. Auch Lancelot Fuhry am Dirigentenpult gibt sich große Mühe, um der Wainwright`schen Kreation etwas mehr Leben einzuhauchen und diese – im Verein mit den Augsburger Philharmonikern – aus ihrem Dornröschenschlaf zu erwecken. 

 

  • Rezension der am 3.2.2018 besuchten Premiere von Dr. Daniela Egert
  • Weitere Infos, Termine und Karten unter DIESEM LINK
  • Titelfoto: Theater Augsburg/ PRIMA DONNA / Foto @ Jan-Pieter Fuhr

 

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