Theater Aachen/MariaStuarda: Irina Popova, Julia Mintzer, Opern- und Herrenchor Aachen/Foto @ Wil van Iersel

Theater Aachen: Kampf in Belcanto – Donizettis tragische Oper „Maria Stuarda“

Theater Aachen/MariaStuarda: Irina Popova, Julia Mintzer - im Hintergrund Alexey Sayapin/Foto @ Wil van Iersel
Theater Aachen/Maria Stuarda: Irina Popova, Julia Mintzer – im Hintergrund Alexey Sayapin/Foto @ Wil van Iersel

-Bericht der Opernpremiere im Theater Aachen vom 10. Juni 2018 von Ingo Hamacher– Eigentlich war alles ganz anders geplant. Als vorletzte Premiere der laufenden Aachener Spielzeit war ein Uraufführungsprojekt mit dem Arbeitstitel are you there?vorgesehen. Ein choreographisch-musikalisch-interaktiver Abendsollte von Ludger Engels gestaltet werden. Jedoch konnte aus Sparzwängen dieses ambitionierte Projekt nicht realisiert werden. Das Theater Aachen besann sich daher auf die Möglichkeit einer halbszenischen Aufführung, die in vergangenen Spielzeiten bereits zu hochinteressanten Opernerlebnissen geführt hatte. Und da lag es nahe, sich für eine handlungsstarke Belcantooper zu entscheiden, bei der sich durch Reduktion von Bühne und Kostüm noch ein verstärktes musikalisches und dramatisches Erleben erzielen lässt.

 

Augenzwinkernd verrät uns Christoph Lang, Dramaturg der Produktion, dass man es sich nicht habe nehmen lassen, das Stück doch szenisch aufzuführen. Allerdings unter stark reduzierten Aspekten in der szenischen Einrichtung (Ludger Engels), Bühne und Kostüme (Ric Schachtebeck), Licht (Dirk Sarach-Craig) und Video (Luca Fois).

Und so sehen wir auf der fast leeren Bühne lediglich einen Tisch und ein paar Stühle. Zwei winzige und kaum erkennbare Kameras sind auf der Bühne so eingerichtet, dass sie die Gesichter der auf den zugehörigen Stühlen sitzenden Sängerinnen auf eine im Hintergrund befindliche Großleinwand projizieren können, und dadurch den musikalische Schlagabtausch der königlichen Konkurrentinnen noch stärker erlebbar machen. Einzig eine Näherin sitzt im Bühnenhintergrund an der Maschine und ist mit ihrer Arbeit beschäftigt.

Als Kostüme wird aktuelle dunkle Abendgarderobe getragen, wobei das bodenlange schlichte Abendkleid der schottischen Königin doch etwas majestätischer wirkt als der dezente Hosenanzug der königlichen Engländerin. Dies – und natürlich auch noch sehr viel mehr – wird die Wut der Elisabeth von England ins Grenzenlose steigern.

MARIA STUARDA beruht auf Schillers Trauerspiel Maria Stuartaus dem Jahr 1800. Das Textbuch folgt dem Original des deutschen Dichters, auch in der von Schiller erfundenen Begegnung der beiden Königinnen Maria Stuart und Elisabeth von England. Auch andere Dramen von Schiller sind von italienischen Opernkomponisten vertont worden. So z.B. Wilhelm Tell von Rossini (Guillaume Tell), Die Räuber (I Masnadieri) und Kabale und Liebe (Luisa Miller) von Verdi. So dass der deutsche Dichter erheblichen Einfluss auf die Herausbildung des romantischen Musiktheaters in Italien hatte.

Theater Aachen/MariaStuarda: Irina Popova, Woong-jo Choi/Foto @ Wil van Iersel
Theater Aachen/Maria Stuarda: Irina Popova, Woong-jo Choi/Foto @ Wil van Iersel

Die Handlung spielt im Jahre 1587 in Westminster Palace bzw. auf Schloß Fortheringay. Graf Leicester, der letzte Geliebte der Schottenkönigin Maria Stuart, der auch das Wohlwollen Königin Elisabeths von England genießt, versteht mit viel Geschick eine Zusammenkunft der beiden Rivalinnen um den englischen Thron zu arrangieren. Maria Stuart soll dabei ihre Halbschwester Elisabeth um Gnade bitten und damit ihr Leben retten. Die stolze schottische Königin bringt diese Selbsterniedrigung jedoch nicht über sich, sondern demütigt im Gegenteil die Gegnerin, die unreine Tochter der Boleyn, die ihr Leben in der Hand hat, mit einem verachtungsvoll entgegen geschleuderten „Bastarda“.

Damit hat Maria ihr Leben verwirkt.

Erzürnt unterzeichnet Elisabeth das Todesurteil, das schon lange bereit liegt.

Der Librettist Bardari (es ist Bardaris einziges Opernlibretto) hat das Ineinander von Staatsintrige und Seelendrama in Schillers Maria Stuart rigoros auf die Auseinandersetzung der um Thron und Liebe rivalisierenden Königinnen verkürzt. Damit ist MARIA STUARDA in der Geschichte des Musiktheaters eine dem Belcanto zugehörige Oper für rivalisierende Sängerinnen von Weltruhm. Es gilt heute als eines der schönsten Musikwerke.

In der Titelpartie erleben wir Irina Popova. Der in Bulgarien geborene dramatische Koloratursopran, seit 2005 Teil des Aachener Ensembles, ist stimmlich und gesanglich eine Kombattantin, für den ein adäquates Gegenüber erst einmal gefunden werden musste.

Dies gelang mit dem Gastengagement der amerikanischen Mezzosopranistin Julia Mintzer, die die Partie der Elisabeth in MARIA STUARDA bereits letztes Jahr am Landestheater Schleswig-Holtstein sang.

Beider Sängerinnen sehr stark und ebenbürtig.

Roberto, Graf von Leicester wird von Alexey Sayapin gesungen. Der russische Tenor, äußerlich und gesanglich mit dem jungen Jonas Kaufmann zum Verwechseln ähnlich, ist die ideale Besetzung für den verliebten und begehrenswerten Mann, der zwischen den beiden Königinnen steht. Sayapin ist erneut Gast am Theater Aachen. In dieser Spielzeit konnten wir ihn schon in La Traviata und Dialogues des Carmélites erleben.

Giorgio Talbot, Graf von Shrewsbury ist Woong-jo Choi, als tiefschwarzer Bass.

Lord Guglielmo Cecil, Baron von Burleigh und Lord High Treasurer der Königin Pawel Lawreszuk, Bariton.

Anna Kennedy, Maria Stuardas Amme Milena Knauß, Alt

Theater Aachen/MariaStuarda: Irina Popova, Julia Mintzer, Opern- und Herrenchor Aachen/Foto @ Wil van Iersel
Theater Aachen/Maria Stuarda: Irina Popova, Julia Mintzer, Opern- und Herrenchor Aachen/Foto @ Wil van Iersel

Musikalische Leitung des Abends hatte Karl ShymanovitzDer amerikanische Pianist und Dirigent Karl Shymanowitz ist Studienleiter und 2. Kapellmeister am Theater Aachen. Am Theater Aachen hat er bereits mehrere Musiktheaterproduktionen dirigiert. Um das musikalische Erleben näher an die Uraufführung anzunähern, wurden u.a. die deutschen Trompeten gegen die amerikanischer Bauart ausgetauscht, um einen deutlich schlankeren Klang zu erzeugen und die Sänger nicht zu sehr zu überdecken.

Choreinstudierung Elena Pierini. Sinfonieorchester Aachen, Extrachor Aachen, Opernchor Aachen.

Zum Ende der Aufführung ist die Arbeit der im Hintergrund arbeitenden Näherin abgeschlossen. Entstanden ist ein blutrotes Kleid, in dem Maria Stuarda ihre Abschlussarie singt. Regelmäßiger Szenenapplaus würdigte die großartige musikalische und gesangliche Leistung des aachener Ensembles.

Tosender Schlussapplaus und Ovationen für Sänger, Dirigent, Orchester und Produktionsteam vor gut besetztem Haus. Hier wurde aus einer Not eine Tugend gemacht.

GROSSARTIG!!!

  • Weitere Termine, Infos und Kartenvorkauf unter diesem Link
  • Bericht der Premiere v. 10.6.2018 von Ingo Hamacher
  • Titelfoto: Theater Aachen/Maria Stuarda: Irina Popova, Julia Mintzer, Opern- und Herrenchor Aachen/Foto @ Wil van Iersel

_________

MARIA STUARDA

Oper in zwei Akten von Gaetano Donizetti

Libretto von Giuseppe Bardari

Uraufführung am 30. Dezember 1834 im Teatro alla Scala, Mailand

Halbszenische Aufführung

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln.

Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert